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So wird das Stadtrad Hamburg kinderreundlich

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Zu Besuch in einer fremden Stadt? Als Tourist? Dann gibt es nichts Besseres als den Ort mit einem Sharing-Leihrad zu erkunden. So lernt man die City besonders intensiv und authentisch kennen. Wer allerdings mit Kindern unterwegs ist, sieht sich bei seinen Mobilitätsmöglichkeiten meist stark eingeschränkt. Viele kurven dann mit dem Auto rum oder nutzen den ÖPNV. Hier und da bietet sich auch ein Lastenrad-Verleih an. Ich sage: Alles unnötig! Mit Fahrrad-Anhänger und einem Call-a-bike lässt sich fast jede Stadt per Leihbike erkunden - samt Nachwuchs. Der Umbau eines Stadtrades ist buchstäblich ein Kinderspiel. Alles was es dazu braucht ist ein 15er Maulschlüssel und eine Kupplung für den Trailer. So geht's:
Oft habe ich mich gefragt, ob ich meinen Kinderanhänger hinter ein Stadtrad hängen kann. Antwort: Ja, das klappt. Ist aber nicht selbstverständlich, da viele Schrauben und Muttern an den Leihbikes mit Spezialteilen gegen Diebstahl gesichert sind. Die hinteren Achsmuttern aber zum Glück nicht.


Und so braucht es keine drei Minuten, bis der Trailer-Adapter am Leihfahrrad verschraubt ist. Einfach linke hintere Radmutter mit dem 15er Maul- oder Ringschlüssel abdrehen, Adapter auf den Achstummel stecken, Mutter wieder festdrehen, fertig. Jetzt lässt sich der Anhänger, in meinem Fall ein Croozer ruckzuck hinters Stadtrad Hamburg hängen. Sogar die Sicherungslasche lässt sich an einem Loch im Hinterbau einhängen - was will man mehr.

Und wie fährt sich das Gespann? Lanngsam, ist doch klar. Denn die die schweren Leihbikes sind alles andere als Rennräder. Aber das macht nichts. Im Gegenteil: Für Ausflüge, Stadtfahrten, Sightseeing sind sie genau richtig. behäbig aber mit guten Geradeauslauf und einem insgesamt sehr stabilen Fahrgefühl geht es vorwärts. Die Zugmaschine hat etwas von einer Lok: träge, aber ausgesprochen spurtreu rollt das Gespann auch über unbefestigte Wege zum Beispiel in Parks.

Der Anhänger ist übrigens die einzige Art, Kinder auf dem Stadtrad zu transportieren. Weder Front- noch hecksitze lassen sich angesichts der eigenwilligen Geometrie des Rades anbringen. Vorn feht der Platz für eine Aufnahme, hinten stört der gewölbte Gepäckträger.

Und die Kosten? Das Ganze ist günstig. Die Tagesmiete für ein Stadtrad kostet in Hamburg zwölf Euro. Das war's.

Einzig den Kupplungsdapter muss man sich kaufen, falls man keinen zweiten hat.

Wer per Bahn fremde Städte erkundet, ist so bestens aufgestellt. Die leihräder sind nämlich auch ideal für den One-Way-Betrieb. Einfach Bike am Bahnhof mieten und an einer der anderen zahlreichen Stationen zurück geben. Gute Fahrt!






Großer Sport auf kleiner Bühne: Budenzauber mit Ball und Bike

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Finale im Radpolo: Packender Ballsport mit dem Bike
Es riecht nach angebrannter Bratwurst, Sekt gibt es aus Plastikbechern und mittendrin stehen Spitzensportler in Schwarzrotgelben-Trikots. Diese dürfen nur Deutsche Meister tragen. Wer sich für Hallenradsport interessiert, taucht ab in eine Mischung aus Jahrmarkt-Atmo und athletischen Höchstleistungen. Die Hallenradsport-DM fanden am Wochenende in der "Arena Süderelebe" in Hamburg Hausbruch statt. Und das sagt eigentlich schon fast alles.
Räder zum Kunstradfahren kosten ab 2000
Euro. Für Sieger gibt's Länderfarben-Trikots
des Deutschen Meisters
Karten? Kostenlos! Fernshen? Fehlanzeige! Wie schade: Denn bei der Hallenrad-DM gibt's packenden Sport und die Emotionen explodieren. Ganz ehrlich, schon lange habe ich nicht mehr so ehrliche und bodenständige Wettkämpfe erlebt wie am Samstag in der Arena Süderelbe.

Draußen stehen Autos mit Kennzeichen aus niedersächsichen und fränkischen Kleinstädten. Ganz klar: Hallrad findet eher im Abseits statt, dort wo Deutschland noch Provinz ist und man sich glücklich schätzt die Sparkasse oder den Versicherungsmakler als Sponsoren zu gewinnen. "Ludwigsluster Fleisch und Wurstspezialitäten", steht auf der Bandenwerbung und macht klar: Hallenrad ist ziemlich weit weg vom Glamour der typischen TV-Sportarten.

Hallenradsport bedeutet Radpolo, Radball und Kunstradfahren - drei eher wenig bekannte Disziplinen, bei denen Amateure nicht um Geld, sondern allein um die Ehre kämpfen. Von der Tour den France sind die Turnhallen-Treffs ungefähr so weit weg wie Hollywood von Holzminden.

So sehen Sieger aus, in diesem Fall in der Disziplin Kunstrad
Doch mit welcher Leidenschaft und Ehrgeiz die Sportlerinnen und Sportler ihren Disziplinen nachgehen verdient großen Respekt. Und immerhin gibt's laute Unterstützung von den eigenen Vereinskameraden: "Auf geht's Stahlross, kämpfen und siegen...", so klingt der Schlachtruf der Fans, der André und Manuel Kopp beim Radball zum Triumph trägt. Die beiden Brüder werden überzeugend Deutsche Meister im Radball. Das Spektakel ist ähnlich intensiv, schnell und laut wie Radpolo - die zweite Ballsportart beim Hallenrad.
Wenn die Halle ganz still wird: 1er Kunstradfahren

Was für ein Kontrast zum Kunstradfahren. Plötzlich wird die Halle still, sehr still. Jeder Huster ist zu hören. Irgendwo lacht noch einer. Die Antwort kommt sofort: "Psssssst...." Dann betritt Viola Brand den Linoleumboden. Fünf Minuten lang zeigt sie auf ihrem Fahrrad Übungen, die mehrfach Szenenapplaus verdient hätten. Doch Klatschen ist nicht. Zu laut, zu störend für diese wahnsinnige Konzentrationssportart. Wie eine Balletttänzerin choreographiert sie sich zu leiser Pianomusik über ihr rollendes Rad, macht Handstände oder vollführt spektakuläre Figuren - das alles meistens nur auf dem Vorder- oder Hinterrad. Das ist aufregender als jede Zirkusakrobatik.

Die Hallenrad-Weltmeisterschaften finden vom 23. bis 25. November 2017 im österreichischen Dornbirn statt.
Finale im Radball: schnell und packend

Eine ganz besondere Vaterstagstour: Im feinen Zwirn durch Hamburg

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Ziemlich verspätet, aber diese Veranstaltung aus dem Mai möchte ich Euch nicht vorenthalten...
Vatertag, klar Sauftour, Bollerwagen, halbstarkes Gegrölle, laute Musik. Das ist für viele das ganz normale Himmelfahrtskommando. Dicker Kopf inklusive. Aber es geht auch anders. Am Vatertag 2017 fand Hamburgs erster Tweet Ride statt. Eine sehr gelungene Premiere. Und eine mit einer tieferen Botschaft.
Nur durch Zufall habe ich vom ersten Tweed Ride in Hamburg erfahren. Das Event wurde eher insidermässig verbreitet. Vor Jahren war ich mal bei Tweed Run in London dabei, also dem Original, dem Vorbild aller Tweed-Fahrradveranstaltungen. Das war ein faszinierendes Erlebnis und damals fasste ich den Entschluss: Der Tweet Run muss nach Hamburg. Warum? Ist doch logisch. Hamburg ist die anglophiles aller deutschen Städte. Nach Hamburg passt der Tweet Run perfekt. Doch viel mehr als Gedankenspiele sind daraus nicht geworden - leider.

Nun also gibt es den Tweed Ride statt Tweet Run. Das mag Lizenzierungsgründe haben. Aber ist ja egal wie das Kind heißt. Ich mag die Mischung aus historischer Kleidung, Vintage-Fahrrädern und britischer Lebensart. Und mehr noch: Die Organisatoren sind ein par Hamburger Kaufleute die mit der lustigen fahrradtour eine tiefere Botschaft verbreiten möchten. Nämlich diese: gegen die Wegwerfgesellschaft, für mehr Nachhaltigkeit. Warum muss ein Kühlschrank nach fünf Jahren zwangsläufig kaputt gehen?



Warum ist die Lebensdauer einer Waschmaschine von den  den Herstellern künstlich kurz gehalten? Es ist ein offenes geheimnis, dass Konsumgüter heute quasi eine Sollbruchtselle haben. Sie gehen nach einer berechneten Zeit kaputt; oft kurs nach Ablauf der Garantie. Das gehört geändert, finden nicht nur die Organisatoren des Tweed Ride. Auch andere Aktivisten und vereinzelte Politiker machen gegen unsere Wegwerfgesellschaft mobil.

Perfekt zum Thema passt da natbürlich eine Lusttour auf alten Fahrrädern durch Hamburgs City. Sie dienen als ideales Symbol für mehr Nachhaltigkeit, mehr Genuss, für weniger Tempo, dafür mehr Refelektion auf die Dinge, die wirklich wichtig sind. Satt immer mehr zu kaufen, lieber mal einen Gang zurück schalten und die Dinge ganz bewusst wahr nehmen...

Gestartet wurde bei Le Velo im Eppendorfer Weg. Le Velo ist ein schönes Fahrradcafe - ein Ableger des gleichnamigen Restaurationsbetriebs für sehr alte Fahrräder. Nach gemütlicher Einstimmung im Kreise schöner alter Velos und in der dazu passenden Kleidung ging es unter Polizeibegleitung durchs Herz von Hamburg zum Altonaer Balkon und von dort weiter in den Jenisch Park. Hier fand auf der Wiese am Teeaus ein stilechtes Picknick statt.



Viel besser konnte die Auftaktveranstaltung nicht gelingen. Gerne möchte ich die Veranstalter auf diesem Wege nochmals herzlich auffordern: Bitte macht weiter! Unbedingt! Bitte, bitte, bitte... Ich freue mich schon auf den Tweed Ride 2018. Mehr gibt es auch hier.
Und hier die Veranstalterseite

Mountainbiker von Playmobil: Das Fahrrad erobert die Kinderzimmer

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Heute im Supermarkt. Ich war einkaufen, was ein Mann so braucht: "Steaks, Bier und Zigaretten...". In der Nähe der Kassen ein prüfender Blick aufs Playmobil-Spielzeug Und was sehe ich dort: Mountainbiker auf einer Abenteuer-Tour. Hammer! Die Packung landet sofort im Einkaufswagen. Preis: 14,99 Euro. Sind wir nicht alle große Kinder? Doch neben dem Spaß setzt das Ganze auch noch ein wichtiges Signal: Fahrräder haben die gesellschaftliche Mitte erreicht. Quasi als Rückkopplung erobern sie nun die Kinderzimmer. Ein gutes Zeichen.
Die Spielzeugwelt ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Trends. Dass, was die Großen gut und toll finden, wird auch den Kleinen schmackhaft gemacht: Sportwagen, Flugzeuge, Boote, Motorräder, die mobilen Statussymbole der Besserverdiener finden sich auch in den Sortimenten von Playmobil, Lego und Co.

Im aktuellen Sortiment von Playmobil sind es die beiden Mountainbiker, die den Trend abbilden. Wie in Plastik gegossenen Zeitgeist kommen die beiden Sportler daher. Nur so ganz neu ist das alles nicht, wie ich bei meinen Recherchen feststellte. Fahrräder und Fahrradfahrer gibt es schon lange im Playmobil-Programm. Einige Figuren sind zu echten Sammlerstücken aufgestiegen, für die bei E-Bay viel Geld geboten wird.

Es gibt sogar ein Online-Forum, das sich mit der rund 40 Jahre alten Playmobil-Kollektion beschäftigt.





Klapprad im Car2Go: Smarte Sache

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Mini Cabrio von DriveNow mit Fahrrad als Passagier
Ich unterstelle man, dass Carsharer fahrradaffin sind. Und umgekehrt. Keine Frage: Kurzzeitig ausgeliehene Mietwagen und Fahrräder sind intelligente Mobilität. Besonders spannend wird es, wenn man beide Dinge kombiniert. Entweder weil man außerhalb des Geschäftsgebietes wohnt. Oder weil man eine Panne hat. Wann kommt das Faltrad in Car2Go- oder DriveNow-Sonderedition?
Marktführer Car2Go ist ein dynamisches Unternehmen. Besonders was das Geschäftsgebiet angeht. Mal gehört Ikea in Hamburg Allermöhe dazu, dann plötzlich nicht mehr. Mal ist das Abstellen in meiner Wohnstraße möglich, wenig später liegt sie außerhalb des Geschäftsgebietes. Die Daimler-Tochter analyisert offenbar laufend das Nutzerverhalten und passt das Geschäftsgebiet den Mietergewohnheiten an. Das ist legitim, trotzdem manchmal ärgerlich.
In tiefer Nacht landet mein Klapprad im Car2Go-Kofferraum

So liegt meine Wohnung in Wilhelmsburg 300 Meter jenseits der Geschäftsfeldgrenze, doch ich habe Glück im Unglück. Die ruhige Seitenstraße am Rande des Abstellgebietes ist ein beliebter Car2Go-Parkplatz, wo sich vor allem abends meist vier oder mehr Car2Go zum Übernachten treffen - schneller Blick aufs Handy, Auto reservieren, dann kurzer Fußmarsch und ich bin automobil. Das ist leichter und bequemer als in den hippen Stadtteilen wie Eppendorf und Eimsbüttel, wo oft kein Auto zu kriegen ist oder lange Fusswege nötig sind.

Besuche ich meine Mutter in Barsbüttel, sieht das schon anders aus. Ihr Haus liegt rund fünf Kilometer von der Geschäftsfeldgrenze in Marienthal entfernt - viel zu weit zum Laufen. Trotzdem ist das Car2Go eine gute Alternative zum ÖPNV, weil es schneller geht und die Kosten überschaubar bleiben. Besonders am Abend, der Nacht oder den Wochenenden. Die Lösung heißt Klapprad.

Am Startort radel ich also zum nächsten freien Smart, falte das Rad und packe es in den Kofferraum. Das passt prima. Knapp 30 Minuten später bin ich am Holstenhofweg oder in Billstedt und damit den östlichsten Car2Go-Gebieten in Hamburg. Schnell das Faltbike aus dem Kofferraum, Miete beenden und in die Pedale treten. 15 Minuten später erreiche ich mein Ziel - gut eine halbe Stunde schneller als mit Bus und Bahn.

Ich habe schon von Leuten gehört, die sich extra ein Klapprad gekauft haben, um von ihrem "Nicht-Car2Go-Wohnort" regelmässig ins Geschäftsgebiet zu radeln, um dort in ein Carsharing-Auto zu steigen. Why not? Vielleicht sogar eine Businessidee für die Car2Goler in Stuttgart: eine Dahon-, Tern-, Brompton-Sonderedition in Car2Go-Lackierung. Und hey, den Tipp gibt's ganz kostenlos. Ein Car2Go-Bike dürfte jedenfalls symphatischer rüberkommen als AMG-Boliden auf die Carsharing-Community loszulassen.


BMW spart sich derzeit noch solche PS-Experimente bei seiner Tochter DriveNow. Gleich zum Marktstart gab es aber nicht nur Minis in der Flotte, sondern auch 1er und später Cabrios und SUV. Klar, warum sollen nicht auch Carsharer "Freude am Fahren" haben dürfen. Trotzdem: Für mich ist der Smart Fortwo von Car2Go - am besten in der frühen noch kürzeren Version  - der perfekte Carsharingwagen: kompakt, wendig und flott in der Stadt verschwendet er wenig Parkraum und konnte sogar quer abgestellt werden.
Passt prima zusammen: Singelspeed-Fahrrad im DriveNow Mini

Aber zurück zu DriveNow und der Möglichkeit, mit einem Mini ein oder gar mehrere Fahrräder zu transportieren. Neulich in Hammerbrook: Pffffft macht mein Singlespeed-Hinterreifen. Mist, ein Platten. Was tun? Schieben? Oder in die U-Bahn? Nö, ich hole mein Handy raus, tippe auf die DriveNow-App und aktiviere den Suchfilter für Cabrios. Und siehe da: Ganz in der Nähe parkt ein Mini mit elektrischem Stoffverdeck. Sofort reserviere ich das Ding, schiebe 500 Meter und stehe vor "meinem Mini Cabrio". Miete starten, Dach auf und Renner auf die Rückbank, fertig. Bei Sonnenschein rolle ich mit offenem Verdeck und bester Laune trotz Panne zurück ins Büro. So ein Cabrio kann nicht nur Fahrspaß machen, sondern auch verdammt praktisch sein. Danke DriveNow für diese Autos, auch wenn ihr diesen Einsatzzweck nie beabsichtigt habt.

Zum Schluß noch ein Wunsch an alle Car2Gos, DriveNows, Gambios, Greenwheels usw.: Bitte baut doch Anhängerkupplungen zumindest an einen Teil Eurer Carsharing-Flotte. Mein verstaubter Fahrrad-Heckträger würde sich tierisch freuen.

(Kl)eine Liebeserklärung ans Klapprad

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Schon 1966 tauchten Klappräder von deutschen Herstellern auf. Hier ein Schauff
Sie gehören zu den 70er-Jahren wie Pril-Blumen, Abba und Flokati: Klappräder! Damals betrug ihr Marktanteil bis zu 35 Prozent am gesamten Fahrradmarkt. Doch ihr Erfolg war kurzlebig und sie verschwanden schnell in der Versenkung. Heute verströmen 40 Jahre alte Klappräder einen nostalgischen Charme, den immer öfter junge Großstadt-Hippster erliegen. Mit ihren grellen Lackierungen, aufwendigen Dekals und Details wie Flügelmuttern aus Kunststoff oder Plastik-Werkzeugtäschchen transportieren die Zweirad-Youngtimer den Zeitgeist der alten Bundesrepublik in die multimediale Facebook-Generation. Ein Erklärungsversuch, warum alte Klappräder wieder in sind.
1. Die Klapprad-Geschichte (wer was über einzelne Radtypen lesen will, scrollt nach unten)
Man hätte es eigentlich ahnen können. Als spätestens Anfang der 70er die Klappradwelle über Deutschland rollte, war das schnelle Ende dieser Fahrrad-Gattung schon programmiert. Englische Produkte hatten von jeher einen zweifelhaften Ruf, oft allerdings zu Unrecht. Wie so viel technische Konstruktionen dieser Zeit, hatte auch das moderne Klapprad seinen Ursprung in England. Was die Insel-Ingenieure so auf die Räder stellten, hatte zwar Witz und Originalität, vertrug sich aber selten mit dem perfektionistischen Ansprüchen deutscher Konsumenten.

Wie der britische Barde Roger Whittaker eroberten Klappräder vor allem die Herzen älterer Damen und Herren im gereiften Wirtschaftswunder-Deutschland. Doch anders als bei dem Sänger fiel die Klappradmode nach kurzem Hype in Ungenade. Klappräder galten plötzlich als weich, wackelig, unsicher, instabil und schlecht zu fahren, ja sogar als gefährlich.
Typisches 70er Jahre Klapprad

Etwa zeitlich mit einem kleinen Auto namens Mini hatte der englische Konstrukteur Alex Moulton ein Fahrrrad mit Gummifederung entwickelt. Beides hatte seinen Ursprung in der Suez-Krise. Das Auto sollte Sprit sparen, das Rad den Benzinkonsum gleich ganz vermeiden. Das Moulton war dabei ursprünglich als Klapprad gedacht; die "Stowaway" genannte Zerlegeversion spielte dann aber nur eine Nebenrolle. Das Gros der Moulton rollte mit fixen Rahmen aus den Fabriken in Bradford on Avon und Kirkby. Es waren vor allem die kleinen 16 Zoll-Räder, die Stowaway-Nachahmer auf den Plan riefen und entsprechende Steck- und Zerlegeversionen auf den Markt brachten.

Moulton war auch der geniale Kopf hinter der Hydrolastik-Federung, die im Mini zum Einsatz kam. Der Mini und das Moulton-Klapprad waren urbritische und skurrile Produkte. Optisch wie technich sehr eigenwillig, liebenswürdig und mit Macken behaftet. Aus Sicht der deutschen Fahrzeugentwickler hatten Mini und Moultons Klapprad Unzulänglichkeiten. Trotzdem nahmen sie die englischen Konstruktionen zum Vorbild. 15 Jahre nach dem Mini präsentierte VW 1974 den ersten Golf der mit Frontantrieb, Quermotor und einer guten Raumausnutzung der Karosserie das technische Layout des Mini kopierte. Ähnlich weckte auch das Moulton-Fahrrad das Interesse der Entwicklungsabteilungen und so brachten fast alle großen deutschen Farradhersteller Klappräder auf den Markt.

Graziella aus Italien mit 16 Zoll Rädern
Dabei setzten die Produzenten im Wesentlichen auf zwei Radgrößen: 20 und 24 Zoll. In Italien dagegen wurden auch Graziella-Räder mit 16 Zoll-Bereifung und sogar klappbare Kinderräder in mit nur zwölf Zoll großen Rädern gefertigt.






Italienische Infanteristen mit Klapprädern im 1. Weltkrieg


Armee-Klapprad von Express
Doch wo und wann haben zerlegbare und faltfähige Fahrräder tatsächlich ihren Ursprung? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Sehr wahrscheinlich liegt ihre Geburtsstunde wie so vieles in kriegerischen Auseinandersetzungen. So setzten sie bereits im 1.Weltkrieg italienische Infrantisten ein, im 2. Weltkrieg dann britische Fallschirmjäger Klappräder, um im Zielgebiet mobil zu sein.

2. Warum alte Klappis heute faszinieren

Retro ist angesagt. Statt Oldtimer liebt die Autoszene inzwischen Youngtimer wie Ford Taunus, Opel Commodore, VW K 70 - typische 70er Jahre Butter-und-Brot-Gefährte, die sympathischer rüberkommen als ein dicker (und teurerer) Benz oder BMW. In Szeneläden und auf Flohmärkten sind Vintage-Klamotten der letzte Schrei. Sogar ganze Läden, die sich auf Wirtschaftswunder-Artikel und Nostalgika spezialisiert haben, gehören in angesagten Stadtteilen von hamburg bis München zum Strassenbild. Klar, das der Retrotrend auch vorm Klapprad nicht Halt macht. Wanderten alte Klappis bis vor ein paar Jahren auf den Schrott oder Sperrmüll, werden sie inzwischen in gutem Zustand für über 100 Euro gehandelt. Ist eine Fichtel & Sachs- Duomatic verbaut, steigt der Angebotspreis oft noch deutlich höher. Und dann gibt es da noch so ein paar wirkliche Spezialitäten wie das Duemilla aus Italien oder das japanische Katakura Porta Silk Cycle, für die 500 bis 1000 Euro verlangt werden. Und auch das Bickerton genießt heute trotz seines fragwürdigen Fahrverhaltens Sammlerstatus.

Bleiben wir bei der deutschen Massenware. Was macht die Dinger aus? Es ist wohl die Sehnsucht nach einer versunkenen Welt. Klappräder bringen ein Stück alte BRD zurück. Eine Zeit, in der es zwei deutsche Staaten gab, in der junge Männer nach Berlin flüchteten, um der Bundeswehr zu entgehen. Eine Phase, die zwischen spießigen Bürgertum und radikalen Weltveränderungsideen der älter werdenden 68er changierte. Eine Epoche, die heute von sehr speziellen Erinnerungen und Klisches gespeist wird. Diese romantische Verklärung rückt auch das Klapprad in den Fokus materieller Begierden, um sich so ein typisches Stück der untergegangenen Bonner Republik zu sichern. Wer hätte nicht gerne einen Kronleuchter der Titanic in seinem Haus hängen? Zumindest im Hobbyzimmer?
Sogar Tandems wurden in Klappversion gebaut.

Dabei sind es weniger die echten Zeitzeugen der Pillenknick-Generation, die sich heute für ein altes Klappi begeistern, sondern eher deren Kinder und Enkel. Ein Heidemann in schwefelgelb oder ein Sprick in giftgrün oder ein EK-Rad in tiefblau oder ein Rekord in goldmetallic - es sind vor allem die weit verbreiteten U-Rahmen mit dem Zentralscharnier, die heute Retrofans begeistern.

3. Klapprad-Typen
Gängiges Typ aus deutscher Produktion ist der U-Rahmen mit runden oder viereckigen Rohren und 20 Zoll Rädern. Ein Scharnier oder Verbindungselement im Rahmenhauptrohr vorm Tretlager macht das Rad klapp- oder zerlegbar. Die Stilvariationen sind vielfältig - vom simplen Einfachrad bis hin zur rustikalen Variante mit Stollenreifen und Bonanzagabel. Selbst Tandems mit U-Rahmen wurden produziert. Auch die schneller und besser fahrbaren 24 Zoll Klappis folgen meistens der U-Form. Sehr bemerkenswert sind Klapp-T
Tandem von HWE für Doppel- oder Solofahrten. Quelle: Bonanzaradforum
andems von Kalkhoff und anderen, die entweder in Zwei-Konfiguration oder auch solo zu fahren sind, in dem einfach der Mittelteil weggelassen wird.


Weniger barock und stabiler wirken die Klapps mit geraden Hauptrohr, das mit dem Sattelrohr quasi eine Art Kreuuzrahmen bildet. Bekanntester Vertreter diedser Gattung dürfte das Mifa-Klapprad aus DDR-Produktion sein. 

 


Hochwertiger und stilvoller sind jene Klappräder, bei denen der Rahmen in Stahlpress-Bauweise (auch Kastenrahmen genannt)ausgeführt ist. Das Sparda 8-80 aus Holland ist beispielsweise so eines; es ist wurde baugleich auch als Batavus oder Gazelle verkauft - eine eher niederlämdische Spezialität also. Durch die Stahlpress-Bauweise erinnern diese Räder ein wenig an Mopeds. Ein ähnliches Modell lieferte auch die Nürnberger Traditionsmarke Hercules. Doch während die "Holländer" am Steuerrohr getrennt wurden, hatte das Hercules ein Scharnier am Zentralrohr.
Sparta 8-80 gab's als Zerlegeversion oder mit festem Rahmen

 
















Zeitlich vorm 70er-Jahre-Klapprad-Boom boten viele Hersteller 26-Zoll-Räder in klappbaren Versionen an - eigentlich ein guter Weg, denn fahrdynamisch sind diese Typen meist deutlich besser als 20 Zöller. Als Beispiel sei hier das Victoria genannt.
Victoria Klapprad




Bickerton Klapprad mit Lenkertasche
Beim Thema Klapprad kommt man natürlich am Brompton nicht vorbei. Es ist das praktischste und wohl beste Klapprad auf dem Markt, weil es über einen genialen Klappmechanismus verfügt, ein extrem kleines Packmass (16 Zoll Räder) bietet und mit seinem Stahlrahmen ausgesprochen robust konstruiert ist. Vorläufer des Brompton war übrigens das bereits erwähnte Bickerton - ein sehr skurilles Gerät aus Flugzeug-Aluminium mit sehr kleinen Laufrädern, riesigem Geweihlenker und abenteuerlich wackeligem Fahrverhalten.

Nun, die Liste bemerkenswerter Klapprad-Exoten wie Di Blasi oder Strida ließe sich weiter fortsetzen, würde aber den Rahmen dieser kleinen Abhandlung noch mehr sprengen.

Nur noch so viel: Wer sich ein hochwertiges Klapprad zum Pendeln im ICE sowie Bus und Bahn gönnen will, sollte sich an Hersteller wie Brompton, Tern und Dahon halten. Auch Riese und Müller hat mit dem legendären Birdy einen Klassiker im Programm. Für gelegentlich Kurzstrecken auf dem Campingplatz tut es aber auch ein Curtis oder anderes Dicountbike von Penny, Lidl etc.

Und natürlich hat die Industrie inzwischen auch zahlreiche E-Bikes in Klappausführung im Programm. Nachteil der Elektro-Falter ist allerdings das fast immer viel zu hohe Gewicht.

Musiker David Byrne, Mitglied der Popband Talking Heads, ist übrigens begeisterter Klappradfahrer. Wenn er auf Tour ist, hat er meist ein Montague im Gepäck. Diese US-Marke baut Straßen- und MTB-Klappräder in verschiedenen Größen. Seine Erlebnisse hat David in dem lesenswerten Buch Bicycle Diaries zusammengefasst. Unbedingt lesen!








Und ganz zum Schluß noch ein Wort zum Kalmit Klapprad-Cup. Seit vielen Jahren schon veranstalten ein paar lebenbejahende Pfälzer ein sehr lustiges Bergrennen für Klappräder. Wer in diese verrückte Szene einsteigen möchte geht nach hier. 

Lust am Laster: Wie ein Cargobike mein Leben veränderte

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Rund zwei Monate hatte ich Gelegenheit, das Riese und Müller (R&M) Packster 60 im Alltag zu testen. Das Premium-Lastenrad verfügt über einen E-Motor und ist nach dem Long-John-Prinzip konstruiert. Es waren acht tolle Wochen. Und am Ende mochte ich das Cargobike gar nicht mehr hergeben. Ganz klar. Anpassungsfähigen Familienmenschen kann es locker sogar das Auto ersetzen. Nicht nur darum ist dieser Beitrag etwas länger geworden.
Latzhosen-Image war gestern. Cargobikes sind zu echten Statussymbolen aufgestiegen und so mancher Bewohner enggebauter Stadtquartiere empfindet die Lastenrad-Welle gar schon als "SUVisierung" der Fahrradwege. Na ja, die Zunahme des Radverkehrs schreit nicht nur den Transportrad-Trend nach mehr Flächengerechtigkeit. Aber das ist ein anderes Thema.

Packster Lastenrad samt Anhänger: So lassen sich vier Kinder transportieren
Ich wohne in einem Stadtteil mit viel Platz und meist breiten Radwegen - ein ideales Terrain fürs R&M Packster. Das Modell gibt es in S, M und L. Ich darf die mittlere Variante mit 60 Zentimeter Transportbox über einen längeren Zeitraum fahren, in dem ich etwa 500 Kilometer zurück gelegt habe.

Riese und Müller Packster auf der Elbbrücke
In dieser Konfiguration kommt es quasi in der Kiddy-Version, ist also ideal zum Kindertransport. Auch Getränkekisten und Einkäufe lassen sich in der Kiste bestens unterbringen. Zur aufpreispflichtigen Ausstattung gehört außerdem der Doppelkindersitz (149,90 Euro) und das Abus Bordo Faltschloss (119,90 Euro).

"Riese & Müller", steht in großen weißen Buchstaben auf den beiden Holz-Seitenteilen. Ja, dieses Bike will zeigen, was es ist - so eine Art Mercedes unter den Transporträdern nämlich. Mit Bosch-Mittelmotor, Zahnriemen, Nuvinci-Nabe und Federgabel ist das Packster hochwertig ausgerüstet und zählt damit zu den Premium E-Cargobikes.

Premium? Die rustikale Holzkiste macht mich stutzig. Sie will eigentlich nicht ganz zum Edel-Image passen. Fixiert mit einem roten Spanngurt wirkt das zunächst etwas improvisiert, erlaubt aber die realativ simple Demonatge der Seitenteile. Damit lässt sich das Packster vom Kinder-Shuttle zum Frachttransporter umbauen - warum nicht?  Ich persönlich finde einen Kunststoff-Aufbau schöner; aber das ist Geschmackssache. für den Frachttransport optimieren, für sperrige Güter beispielsweise. Mein Leih-Packster soll vorrangig als Kindertransporter eingesetzt werden. Also bleibt die Kiste drauf und gleich mal eine Runde mit Henry und Fritz drehen.

Sehr hoher Abrollkomfort macht das Rad auch Schlechtwegetauglich

Die Sonne scheint und ich möchte das Verdeck abnehmen. Das ist zumindest für Neulinge eine fummelige Sache. Fiberglasstäbe, Segellatten und Gummizüge halten einen zeltartiges Überzug aus kräftigem Stoffmaterial mit durchsichtigem Dach und Seitenteilen, das als Option angeboten wird und stolze 249,90 Euro kostet, in Position.

Gähn, aber so langweilig ist das Cargobike doch gar nicht
Ein Wetterschutz ist ja grundsätzlich nicht schlecht, in dieser Ausführung jedoch ist er mir zu kompliziert und flatterig fürs Geld. Ist er am Rad montiert, muss man Kinder wie eine Faden durchs Nadelöhr in die Transportbox einfädeln. Bei meiner bevorzugten Sitzpostion kommen sich zudem Verdeck und Lenker ins Gehege, so dass ich ihn höher stellen muss. Egal, man muss das rote Kontrukt ja nicht nehmen und zieht den Kleinen regenfeste Overalls an.

Ja, ja, eigentlich sollten die Kleinen Helm tragen. Aber falls sie mal ohne fahren, geht die Welt nicht unter.
Dann geht es los. Obwohl Lastenräder durch den langen Radstand und das nicht sichtbare Vorderrad meist gewöhnungsbedürftig anzufahren sind, fühle ich mich sofort wohl. Das Packster nimmt rasch Fahrt auf und liegt spurstabil auf der Straße. Meine beiden Passagiere in der Kiste vorne mustern neugiering die dahinfliegende Landschaft. Denn ruckzuck sind 26 km/h erreicht; wer jetzt den Tritt verstärkt, spürt sofort wie der Motor abschaltet und das Rad plötzlich sehr träge wirkt.

Das Verdeck habe ich nur in Ausnahmefälle bei Regen montiert.
Der perfekte Tempobereich liegt zwischen 15 und 20 km/h. In diesem Fenster geht es leichtfüssig und flott voran. Vor allem das Anfahren und Bergaufpassagen fühlen sich spielerisch an. Fast täglich muss ich eine giftige Brückenrampe mit etwa zwölf Prozent Steigung bezwingen. Auf meinem motorlosem Alltagsfahrrad plus doppelsitzigen Kinderanhänger ist das nur mit viel Anlauf und größtem Kraftaufwand zu machen. Ich muss da jedes Mal fluchen. Auf dem Packster indes verliert die Steigung jeden Schrecken und ich beginne zu ahnen: Verdammt, dieses Cargobike könnte mein Leben verändern oder zumindest leichter machen. Denn wenn ich die Motorunterstützung auf "Turbo" hochklicke, fliegt das Packster die Rampe förmlich nach oben - herrlich. Allerdings sieht man dann auch sofort, wie die Restreichweite sinkt.

Stichwort Reichweite: Laut Bosch-Reichweitenrechner, der alle möglichen Faktoren berücksichtigt, sollte die mögliche Fahrdistanz des Packster im Eco-Modus bei maximal 180 Kilometer liegen. Nach dem ich beide 500 Wattstunden-Akkus voll aufgeladen habe, zeigt das Display sogar 206 Kilometer im Eco-Modus an. Das ist ein utopischer Wert, der wohl selbst unter Idealbedingungen kaum zu erreichen ist.
Start-Distanz beim Reichweiten-Test

Packster trifft UPS-Cargobike am Berliner Bogen

In der Praxis erziele ich dann aber immerhin 158 Kilometer, bis beide Akkus restlos leer sind. Ohne den gelegentlichen Anhängerbetrieb, Maximalzuladung und das Vermeiden unbefestiger Wege wären vielleicht noch 25 Kilometer mehr drin gewesen. So oder so - mit der Dual-Battery (Aufpreis 899,90 Euro!) ist das Packster absolut alltagstauglich und muss nur selten nachgeladen werden. Nachteil: Die zweite Batterie ist nur mit der Transportbox bestellbar und leider sehr schlecht zugänglich. Bei meinem Testexemplar passte leider auch nicht der Schlüssel des Rahmenakkus, so das er nur am Rad geladen werden konnte.

Die Ladezeit war angesichts der zwei 500 Wh-Akkus dann auch eher lang. "Ein komplett leerer Powerpack 500 benötigt 4,5 Stunden bis er vollständig geladen ist", sagt dazu Thomas Raica, Akku-Experte bei Bosch. Komisch, in den technischen Daten zum Rad wird die Ladedauer mit zirka 6,5 Stunden beziffert. Egal, ich habe die Akkus jeweils über Nacht ans Ladegerät gehängt, so dass sie am nächsten Morgen voll geladen waren.
Riese und Müller Packster trifft Radkutsche

Ein Auto ist 50 Mal teurer als ein Cargobike: Denn das Lastenrad verursacht pro 100 Kilometer nur 20 Cent Stromkosten. Über die gleiche Distanz verfeuert ein VW Golf Benzin für rund zehn Euro!

Zum Thema Strom und Betriebskosten gibt es im Prinzip fast nur Erfreuliches zu berichten. Mein Energieversorger Greenpeace Energy liefert nur Saft aus regenerativen Quellen, bietet aber leider keinen Nachttarif. Trotzdem halten sich die Preise fürs Nachladen in Grenzen. Bei einem Arbeitspreis von 27,10 Cent pro Kilowattstunde errechnet sich bei 1000 Wh-Akkukapazität exakt diese Summe für eine komplette Ladung beider Akkus. Oder anders ausgedrückt: Meine Individual-Mobilität mit zwei Kleinkindern kostete mich auf 158 Kilometern keine 30 Cent - ein ziemlich überzeugendes Argument, wie ich finde. Zum Vergleich: Ein aktueller VW Golf verfeuert über die gleiche City-Distanz Benzin für mindestens 15 Euro, bei Stau eher noch mehr.
Riese und Müller Packster mit Frachtanhänger samt Moulton und Single Speed

Und ganz wichtig: Statt gut 15.000 Gramm Co2 wie bei einem umweltfreundlichen Kleinwagen habe ich der geschundenen Umwelt auf den gefahreren 158 Kilometern jegliche Emissionen erspart - von meinem ausgeatmeten Kohlendioxid und dem Co2-Ausstoss durch die Produktion des Lastenrades einmal abgesehen (wenn man von 22 g/km als Rundungswert ausgeht liegt die Co2-Bilanz für 158 Kilometer bei 3476 Gramm).

Allerdings ist in die Rechnung der Preis für den Akku einzubeziehen. Am besten wie folgt: Riese und Müller gibt auf den Stromspeicher zwei Jahre freilwillige Garantie. Die Dual-Battery kostet im Ersatzfall rund 900 Euro. Geteilt durch die Akku-Garantielaufzeit von 24 Monaten errechnet sich ein Monatspreis von 37,50 Euro. Und das klingt dann gar nicht mehr so megagünstig. Natürlich ist die pessimistische Annahme dabei, dass die Akkus nach zwei Jahren ihren Geist aufgeben und ersetzt werden müssen. Halten sie vier Jahre oder länger, vergünstigt sich der Monatspreis erheblich.
Cargobike vor der Soulkitchen-Halle in Wilhelmsburg

"Wir garantieren ihnen, dass der Akku nach zwei Jahren oder 500 vollen Ladezyklen (je nachdem, was zuerst erreicht wird) noch eine Kapazität von 60 Prozent aufweist", heißt es im R&M-Kleingedrucktem. Also, nur etwas mehr als die Hälfte der ursprünglichen Akkukapazität nach zwei Jahren finde ich jetzt nicht so cool. Bedeutet es doch im Umkehrschluss, dass sich meine erzielte Testreichweite auf etwa 80 Kilometer halbiert.

Den Akkus und ihrer Pflege kommt eine Schlüsselrolle zu

Lithium-Ionen-Akkus sind empfindliche Gebilde und fordern gute Pflege. E-Biker, die sie gut behandeln, fahren länger und billiger als Akku-Ignoranten. Tests wie der des ADAC 2015 zeigen zum Glück, dass die Akkus länger halten. Eine geprüfte Bosch-Batterie brachte es auf 1515 Ladezyklen, also mehr als drei Mal soviel wie von R&M garantiert. Darum haben einige Pedelec-Anbieter ihre Garantiezeiten inzwischen auf vier Jahre ausgedehnt - ein erfreulicher Trend. 

Viele Male bin ich mit dem Cargobike durch den Elbtunnel gefahren
Zurück auf die Straße. Das Packster fährt sich wie erwähnt sehr angenehm und spurstabil. Eine echte Stärke spielt es auf uebenen Untergrund aus. Denn das Rad federt ausgesprochen komfortabel und rollt fast sänftenartig ab. Das Geheimnis ist eine gute Abstimmung zwischen der Suntour Federgabel und dem breitem Schwalbe Super Moto-X-Hinterreifen. Denn das Hinterrad im MTB-Format 650B lässt sich mit sehr wenig Luftdruck fahren, was den Abrollkomfort erhöht. Eine Vollfederung habe ich jedenfalls nirgends - auch nicht auf schlimmen Kopfsteinpflaster - vermisst. Dazu kommte eine gefederte Sattelstütze, die Schläge gut aufnimmt. Kurzum: Der Fahrkomfort ist exzellent.

Starker Motor garantiert viel Fahrspaß

Der Bosch-Mittelmotor und die...
... Nuvinci-Nabe spielen perfekt zusammen
Gleiches gilt für das Anprechverhalten des Motors. Er schiebt sofort bei den ersten Pedalumdrehungen an und entfaltet seine Kraft angenehm linear. Je nach Unterstützungsmodus variiert das Vortriebsgefühl zwischen sanft und kraftvoll. Und ohne Motor? Vergiß es! Mit leeren Akkus mag man das Packster nicht fahren; es wird dann schwer wie Blei und fährt sich träge. Wer zehn Kilometer vorm Ziel ohne Saft liegen bleibt, wird es auch ohne Motorkraft irgendwie zur Steckdose schaffen - ein Spaß ist das aber nicht.

Denn Fahrfreude ist ansonsten eine Domäne des Cargobikes. Vor allem sein Einlenkverhalten und das wendige Handling machen gute Laune. Das Rad fährt sich sportlicher als die traditionelle Bakfiets-Optik vermuten lässt. In engen, schnell gefahrenen Kurven habe ich anfänglich Angst vor soviel Schräglage, weil ich befürchte das die Kiste auf der Fahrbahn aufsetzt. Aber diese Bedenken sind unbegründet. Mit dem Packster kann man flott um fast jede Ecke heizen.
Das Pressefoto zeigt wie Frahrfreude aussieht
Anders sieht es da schon beim Rangieren vor oder am Ende einer Fahrt aus. Dann spürt man die 185,5 Zentimeter Radstand doch. Wer in einen Keller  oder um enge Pfeiler zirkeln muss, braucht mehrere Vor- und Zurück-Schritte bis Hindernisse umschifft sind - aber das gilt für jedes Einspur-Lastenrad mit Front-Transportbox. Keller ohne Rampen sind tabu - 35 Kilo Eigengewicht als Minimum schleppt man nicht.

Hohe Alltagstauglichkeit und gutes Licht

Ansonsten überzeugt das R&M mit sehr viel Alltagstauglichkeit zwischen Supermarkt, Kita und Spielplatz. Wer mit Kindern unterwegs ist, stellt das Rad oft Dutzende Mal am Tag ab und schiebt es danach mit einem Ruck von seinem integrietetem Doppelständer. Das funktioniert beim Packster tadel- und mühelos. Geparkt steht es ausgesprochen stabil, so dass der Nachwuchs locker über die Seitenwand aussteigen kann. Vorm Umfallen das Rades braucht hier niemand Angest zu haben - ein echter Nachteil von Fahrrädern mit Kindersitzen. Denn die stehen mit Passagier an Bord nie wirklich sicher.
Mit Bikes und Boys on tour

Bei meinen Touren im Dunkeln freute mich die sehr helle LED-Lichtanlage von Busch und Müller. Sie wird direkt aus dem Akku gespeist und am Display vom Lenker aus ein- und ausgeschaltet - sehr bedienerfreundlich. Allerdings überraschte mich kurzzeitig ein Wackelkontakt, so dass das Frontlicht an einem Abend dunkel blieb. Mit etwas Wackeln und Fummeln strahlte es dann aber wieder.

In der Nachbarschaft wurde das Cargobike schnell zum Star

Nicht ganz glücklich war ich mit dem SKS-Kunststoff-Heckschutzblech. Die Streben sprangen mir mehrfach aus der Arretierung, weil ich beim Rangieren mit den Oberschenkeln daran gestossen bin. Auch der optionale Heckträger (129,90 Euro) fehlte mir. Sitzen zwei Kinder in der Frontkiste, wird es mit Zusatzgepäck schon mal eng. Dann sind Seitentaschen ein echtes Plus, die sich in den Träger einhaken lassen. Bei mehreren Fahrten habe ich einen Kinderanhänger vom Typ Croozer 2 hinters Packster gehängt. Dank Motorkraft lassen sich so sogar vier Kinder aus der Kita abtransportieren - ein SUV schafft das meistens nicht.
Riese und Müller Packster mit drei Passagieren und zwei Laufrädern an Bord
Darum wurde das Packster auch schnell in der Nachbarschaft zum Star. Viele Kinder wollten gerne mal mitfahren. Den Wunsch habe ich ihnen gerne erfüllt, in einem Fall sogar mit drei Minipassagieren an Bord. Dann fehlt zwar für ein Kind der Gurt, aber für eine Kurzstreckke ist das okay, finde ich. Wie auch immer, Lastenräder mit Frontbox sind für Kinder toll. Sie können prima nach vorne hinausschauen, sehen viel mehr von der Welt als aus einem Heckkindersitz und können gut mit dem Fahrer des Rades kommunizieren: "Guck mal Papa, da ist ein Eichhörnchen", ruft mein knapp Dreijähriger völlig unvermittelt - allein dafür müsste ich ihm das Packster eigentlich kaufen.
Auch mit zwei Trailern war das Packster mehrfach im Einsatz
Zurück zur Technik. Die beiden Hydraulk-Scheibenbremsen hat R&M gut dimensioniert. Beide Bremshebel fühlen sich verbindlich an und erlauben eine gut dosierte Verzögerung. Auf eine echte Vollbremsung habe ich verzichtet, da ich dafür dann doch lieber Schutzkleidung anlegen würde. Im Gegensatz zu dreirädrigen Lastenrädern fühlt sich das Packster auch bei scharfen Bergab-Bremsungen immer sehr sicher an. Ärgerlich nur, dass die Bremse zuweilen hässliche Geräusche produziert. Auch war kurz vorm Stopp öfters ein irritierendes Rubbeln zu spüren - für ein teures Premium-Lastenrad fehlt hier noch etwas Feinschliff.

Ruhe bitte! Der Bosch-Motor ist laut. Seine Geräusche werden offenbar vom Aufbau verstärkt

Überhaupt sind Störgeräusche die schwache Seite dieses Cargobikes. Bosch-Antriebe gelten allgemein hin als nicht besonders leise. Im Packster wirkt er auf mich besonders präsent. Ein Grund könnte sein, dass das Motorsurren von Alurahmen und Holzkiste noch verstärkt werden. Dafür spricht auch, das bei abgeschaltetem Motor relativ laute Abrollgeräusche der Reifen zu hören sind. Vielleicht wirkt der Packster-Aufbau wie ein Resonanzverstärker. Für diese Theorie spricht auch der direkte Vergleich mit einem Pedelec, das mit dem gleichen Motor bestückt war und neben mir von meiner Frau gefahren wurde. Ihr Antrieb wirkte auf Flachstücken wie an Steigungen immer deutlich leiser.
Ziviles Cargobike trifft Post-Bruder

An vielbefahren Hauptstrassen ist der laute Motor kein Problem, weil die Verkehrsgeräusche alles übertönen. Doch im Wald oder Park wünsche ich mir mehr Ruhe, da die Trittbewegung stest von einem nervigen Motorjaulen begleitet wird. Mich stört das: Ein Fahrrad - auch ein elektrisches - sollte möglichst leise fahren. Autoentwickler sprechen in diesem Zusammenhang von NVH. Das steht für Noise, Vibration, Harshness. Mir scheint, hier sind die E-Bike-Konstrukteure noch sehr am Anfang. Motor und Rahmen gehören bei Tretlager-Antrieben oft besser entkoppelt. Auch das Packster ist da keine Ausnahme.

Auch machte bei meinem Testexemplar offenbar die Sattelstütze Geräusche. Schade, der gute Abrollkomort wird beim Überfahren von Unebenheiten meist von ächzenden Geräuschen begleitet - da muss mehr Ruhe in den Karton.

Nun, am Ende des vielwöchigen Tests mochte ich das Packster 60 nur ungern an den Hersteller zurück geben. Es hat viel, viel Spaß gemacht. Das Bike ist ein echtes Allround-Talent, in das sich die ganze Familie verliebt hat. Bleibt nur eine Hürde: der Preis. In der gefahreren Konfiguration kostet das Packster rund 7000 Euro - also etwa der Preis eines Kleinwagens. Aber der verursacht hohe laufende Kosten und verändert in der Regel kein Leben. Das R&M Cargobike dagegen schon.

Feiner Zug der Bahn: Endlich reist das Fahrrad im ICE mit

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ICE 4 im Haburger Hauptbahnhof mit meinem Testobjekt: ein Bergamont Pedelec
Jahrelang konnten nur Bromptons und andere Falträder im ICE mitgenommen werden. Seit ein paar Wochen ist nun die vierte Generation des Intercity Express zwischen München und Hamburg im Einsatz. Und in dem ist erstmalig der Transport von ganz normale Fahrräder möglich. Applaus bitte! Denn darauf haben viele Fahrradfans schon lange gewartet. Ich habe das neue Angebot der Bahn getestet.
Erstmalig ist die Fahrradmitnahme im ICE möglich
Surrend rollt das neue Flagschiff der DB in den Bahnhof: ein brandneuer ICE 4. Der vordere Triebwagen hat eine überraschend hohe Stirn und sieht wenig windschnittig aus. Kein Vergleich jedenfalls zu den Aerodynamik-Superzügen TGV und Shinkansen aus Frankreich und Japan. Und auch gegen seinen direkten Vorgänger, dem ICE 3, hat der "Vierer" das Nachsehen. Der ICE 3 schafft nämlich 330 km/h; bei Nummer vier ist schon bei Tempo 250 Schluss.

Das muss man sich einmal vorstellen: Würde ein neuer Mercedes oder Porsche langsamer als sein Vorgänger sein, wäre der Aufschrei der Autofreaks groß. Ein neues Modell hat gefälligst schneller zu sein als der abgelöste Typ; das ist schon fast ein Naturgesetz. Gut das die Bahn mit diesem Automatismus bricht. Tempo 250 sind schnell genug, zumal mehr als 300 km/h ohnehin nur auf sehr wenigen Streckenabschnitten möglich ist.

Aber eigentlich wollte ich ja was über Fahrräder im ICE schreiben. Wer am alljährlichen Hamburg - Berlin - Zeitfahren teilnimmt, kennt das Thema. Zur Rückfahrt nach Hamburg mit der Bahn wird das Rennrad zerlegt und kommt in einem Müllsack oder ähnliches. So hält das Bike auch den strengen Blicken des Schaffners stand, weil es keine Mitreidende behindert. Das Zerlegen hat nun ein Ende, zumindest wenn der ICE 4 irgendwann auch die Strecke Hammburg - Berlin bedient.

Nach langjährigem Drängen des ADFC und anderer Fahrradlobbyisten hat der ICE 4 nun ein eigenes Fahrradabteil. Es liegt direkt vorn hinter dem Triebwagen. Oder ganz hinten, je nachdem, in welche Richtung der Zug fährt.
Das Fahrradabteil befindet sich im ersten oder letzten Triebwagen - je nach Fahrtrichtung

Stabile Alubügel sichern Vorder- und Hinterrad
Das Einsteigen über Treppenstufen und die schmale Tür ist alles andere ideal. Da sollte man sein Bike schon gut im Griff haben. Mit meinem 23 Kilo schweren Pedelec hatte ich schon einige Mühe, besonders beim Aufhängen im Fahrradabteil. Das bietet insgesamt Platz für acht Fahrräder. Vier werden hängend verstaut, vier weitere stehend quer zur Fahrtrichtung. Stabile Rohre fixieren entweder Vorder- und Hinterrad oder nur das Vorderrad.

Mich wundert, warum die Bahn nicht nur die Aufhänge-Version montiert. Denn die vier stehenden Räder erschwerden den Durchgang, weil sie weit über die Mitte des Wagons hinausragen. Aber ich will nicht meckern, denn die ICE-Fahrradmitnahme ist insgesamt eine tolle Sache. Und auch nicht zu teuer: 9 Euro kostet das Fahrradticket im Normalfall, mit Bahncard sechs Euro. Im Verhältnis zu den vergleichsweise teuren DB-Fahrkarten finde ich das fair. Wer mit dem Flixbus durch Deutschland reist, zahlt fürs mitreisende Fahrrad ebenfalls neun Euro. Was für ein Zufall.

Fazit: Mit dem ICE-Fahrradangebot wird die Bahn ein ganzes Stück kundenfreundlicher. Nicht nur für Radurlauber, sondern auch für Pendler und Geschäftsreisende in das eine tolle Sache. Ich bin gespannt, wie gut das Angebot in den Sommermonaten angenommen wird. Bei meiner Testfahrt war ich der einzigste Kunde. 


Fahrradstadt Hamburg: Das Velo wird Wahlkampfthema

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Der Fahrradzähler an der Alster wird schon wieder zum Politikum
Only bad news are good news. So lautet eine alte Journalismusweissheit. Aber ist die heutige Titelzeile auf Seite eins im Hamburger Abendblatt wirklich eine gute Nachricht? "Trotz Millionen-Investitionen: Weniger Radfahrer in Hamburg", heißt es da. Wie bitte? Kann das sein? Gefälschte Statistik oder was? Sind die Hamburger wirklich fahrradmüde geworden? Fakt ist: Über die richtige Verkehrs- und besonders Fahrradpolitik ist in der Hansestadt ein Parteienstreit entbrannt, der zu einem zentralen Wahlkampfthema bei der Bürgerschaftswahl 2020 werden dürfte.
Dachten wir nicht alle Fahrradfahren boomt? Gerade auch in unserer Hansestadt? Und nun das: 2016 und 2017 ist die Zahl der Fahrradfahrer an Alster und Elbe zurück gegangen. Diese Tatsache belegen aktuelle Zahlen der 38 Fahrrad-Messstellen, die das Abendblatt heute exklusiv veröffentlicht.

Exklusiv bedeutet eigentlich immer, dass interessierte Kreise aus Politik und/oder Wirtschaft die Daten zu den Medien durchgestochen haben um für ihre eigene Agenda zu werben. Man könnte die Veröffentlichung auch vorgezogenen Wahlkampf nennen. Der nächste planmässige Urnengang ist in etwas mehr als zwei Jahren. Die politischen Lager scheinen sich aber schon jetzt auf die Verkehrspolitik einzuschießen. Schwerpunkt dabei: die Fahrradfahrer!

Auf der einen Seite propagiert der Rot-Grüne-Senat seine Pro-Fahrrad-Politik, will Hamburg möglichst schnell zu einer Fahrradstadt machen und den Radverkehrsanteil von zwölf (2008) mittelfristig auf 25 Prozent steigern. Ein ambitioniertes Ziel. Bedeutet es doch nicht nur, dass sich der Modal-Split - also die Verteilung auf die Verkehrsträger - zugunsten des Fahrrades mehr als verdoppeln soll, sondern auch, dass für ein Viertel aller Fahrten in Hamburg das Fahrrad benutzt wird. Davon verspricht sich die Regierungskoalition weniger Staus, weniger Abgase, weniger Lärm, gesündere Menschen, kurzum: eine lebenswertere Stadt. Um diesem Ziel näher zu kommen, hat die stadteigene Hamburg Marketing GmbH eine 7,5 Millionen Euro schwere Werbekampagne fürs Fahrradfahren ausgeschrieben. Gegen all das ist eigentlich schwer was zu sagen. Oder doch?

Doch, doch, und wie, meint zumindest die CDU/FDP-Opposition in der Hamburger Bürgerschaft. Reflexhaft verurteilt sie erst die "sündhaft teure Marketing-Kampagne" als "Steuergeldverschwendung" und geiselt die "Benachteiligung anderer Verkehrsteilnehmer" durch die Schaffung einer Fahrradstadt. Und nun schalten die Christdemokraten einen Gang höher und ätzen: "Eine Verkehrspolitik mit der Brechstange, die auf Verbote statt Anreize setzt..., ist zum Scheitern verurteilt." Vergleiche mit Fahrradstadt-Vorbildern wie Kopenhagen und Münster findet die CDU abwegig: Schließlich sei Hamburg Millionenmetropole und Logistikdrehkreuz. Das ist richtig.

Sie stehen sich gegenüber: CDU-Mann Dennis Thering...
... und SPD-Staatsrat Andreas Rieckhof
Der CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering deutet die rückläufigen Fahrrad-Nutzerzahlen als Beweis dafür, "dass der Senat sein Prestigeprojekt Fahrradstadt gegen die Wand radelt." Thering hatte per Kleiner Anfrage an den Senat die Messdaten angefordert. 

Logo, Politiker machen gerne den Pfau und drehen rhetorisch am Rad.
Gehört dazu, klar. Parteienstreit ist kein Streichelzoo. Doch die Auseinandersetzung um den Radverkehr klingt leider nach Lagerwahlkampf alter Prägung: Grüne für Ökologie, mehr Fahrrad, weniger Autos... . Die CDU wettert dagegen und gibt die Klientelpartei für motorisierten Individualverkehr, verurteilt Parkplatzvernichtung und Tempolimits... . Ähnlich klingt das bei der FDP. Sie hält die Verkehrspolitik des Senats schlicht für ungenügend: "Setzen sechs, Herr Bürgermeister." Die Linken sind beim Thema Verkehr wie die Grünen, nur noch ein bisschen fordernder und radikaler. Und die SPD? Die macht auf staatstragende Regierungspartei und hält den grünen Koalitionspartner in Sachen Fahrrad an der langen Leine.

Wirklich zielführend ist die Oppositionskritik nicht. Aber was dann? Nun, die Themen Stadtentwicklung, Verkehr und Gesundheit sind viel zu wichtig, um Parteienkleinklein zerhackt zu werden. Alle drei Thmenfelder sind miteinander verwoben und brauchen mutige Visionen und Entscheidungen aller Akteure im Rathaus - am besten über alle Parteigrenzen hinweg. Dabei hilft vielleicht ein nüchterner Blick hinter die nackten Zahlen?

Faktencheck bitte: Demnach sank die Ziffer der an den Messstellen registrierten Fahrradfahrern von 53164 im Jahr 2016 auf 51575 ein Jahr später. Der Rückgang an den 38 Zählpunkten beträgt also 1589 - ein Minus von rund drei Prozent. Lag der Messwert an den Zählstellen 2011 noch bei 34050, errechnet sich in sechs Jahren eine rapide Zunahme um 51 Prozent. So gesehen ist Hamburg sehr wohl auf dem Weg, eine Fahrradstadt zu werden. Kein Wunder also, dass SPD-Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof den Langfrist-Effekt nach vorne stellt: "Es vollzieht sich ein Wandel im Verkehrsverhalten zu mehr Radnutzung." Auch das ist richtig.
Bündniss für Radverkehr: Bürgermeister, Senatoren und Bezirksamtschefs wollen den Radverkehr stärken

Oder ist der Radlerboom schon wieder vorbei und die Hamburger fahren (wieder) mehr Auto und ÖPNV? Auch hier hilft ein Blick auf die Zahlen: So steigt zwar der Besitz von Pkw in Hamburg immer weiter an, gleichzeitig verringert sich aber die Zahl der Fahrten - besonders in der Innenstadt. Zum Beispiel sank das täglich Fahraufkommen über Kennedy- und Lombardsbrücke von 113000 auf 109000. Das Bemerkenswerte daran: An zwei Autozählstellen werden täglich rund doppelt so viele Fahrzeuge registriert wie an den 38 Fahrradzählpunkten das ganze Jahr über. Ein eindrucksvoller Beleg, wie dominat das Auto in Hamburg ist. Kurioserweise stieg der Fahrradverkehr über die beiden Alsterbrücken gleichzeitig gegen den Rückwärts-Trend an. Die Schlussfolgerung, dass hier Autofahrer aufs Rad umgestiegen sind greift aber wohl zu kurz.

Echte Ursachen für die plötzlich gebremste Radnutzung haben bislang weder Opposition noch Regierungsparteien geliefert. Dabei ist ein möglicher Hauptgrund offensichtlich: das Wetter. Im Tourismus und der Landwirtschaft ist das Jahresklima eine gängige Begründung für Flauten oder stürmische Erfolge. Warum nicht auch bei der Fahrradnutzung?

Ein Blick auf die Niederschlagsmengen im Juni - einer der Hauptradfahrmonate - belegt die These eindrucksvoll. Sowohl 2016 als auch 2017 regnete es in Hamburg öfter und stärker als in allen Vergleichsmonaten bis zurück ins Jahr 2008. Liegt der langfristige Durchschnittswert bei 79 Liter pro Quadratmeter, schüttete es 2016 mehr als 120 Liter und 2017 sogar 133,6 Liter. Nicht ganz so ausgeprägt in der Tendenz aber ähnlich sieht das für sie anderen Sommermonate aus. Das bei solch feuchten Bedingungen weniger Rad gefahren wird ist da nur logisch. Denn wer würde bestreiten, dass es zwischen Schietwetter und Velonutzung eine direkte Korrelation gibt?
Wetterdaten für Hamburg im Juni

Die Schlußfolgerung daraus ist eigentlich ganz einfach: Wer Hamburg zur Fahrradstadt machen will, muss als Erstes das Wetter verbessern. Mehr Sonne, weniger Regen, mehr Wärme, weniger Kälte, dann steigen die Hamburger ganz alleine ohne Marketingkampagne aufs Fahrrad. Nur leider steht diese Strategie in keinem Parteiprogramm. Schade eigentlich.

Bleibt noch ein Schlußhinweis auf den Fahrradzähler an der Alster. Auch er meldet für 2017 einen Rückgang. Statt 2.022.691 Radfahrer von Januar bis November 2016 meldet er für den gleichen Zeitraum 2017 exakt 1.947.229 Radler. Exakt? Nun, da sind Zweifel berechtigt. Möglicherweise sind diese Zahlen zu optimitisch. Denn wie ich durch Experimente schon vor drei Jahren herausgefunden habe, neigt die Anlage zu Übertreibungen und zählt teilweise doppelt und dreifach. Zum Glück hat dieses Kuriosum noch kein Politiker für sich instrumentalisiert. Ein Wunder eigentlich.

OBike: Wenn das Leihfahrrad zum trojanischen Pferd wird

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OBike-Gründer Yi Shi will mit seinen Rädern das Bikesharing revolutionieren. Das Foto stammt illustriert ein Portrait über ihn in der Singapore The Strait Times
Multimillionär Yi Shi, der Mann hinter OBike, ist erst 28 und expandiert mit seiner global agierenden Leihradfirma rasant auf den deutschen Markt. Das Bikesharing-System soll zur Mobilitätswende und zum Klimaschutz beitragen. Kritiker befürchten aber, dass er mit der Fahrrrad-Ausleihe nur wertvolle Nutzerdaten abschöpft, um sie gewinnbringend zu vermarkten. Was will Yi Shi wirklich? Werbung verkaufen? Oder die Welt retten?Er sieht aus wie ein chinesischer Student: eckige Nerd-Brille, dichtes schwarzer Haar, legere Kleidung und ein gewinnendes Lächeln. Yi Shi übt besonders auf Internet-Worker eine große Faszination aus und gilt in der Dotcom-Branchne als Wunderkind. Forbes hat ihn unter die Top 30 wichtigsten Unternehmer unter 30 Jahren gewählt. Kein Zweifel: Der Mann ist eine schillernde Persönlichkeit, der in Interviews gerne betont, dass er die Welt mit seinem Geschäften ein Stück besser machen will.
Frisch, fröhlich, farbenfroh: Die OBike-Webpage wirbt derzeit mit Freiminuten

 Gutmensch und gewiefter Unternehmer

Kürzlich hat er der Goethe Universität Frankfurt 300000 Euro gespendet, damit sich Schülerlabore mit den "Herausforderungen und Problemen unseres Jahrhunderts auseinandersetzen können". Kleiner geht es bei Shi nicht. Der Mann hat immer das große Ganze im Blick. Internet of things, Big Data und Big Buisiness sind seine Spielwiesen. Drei Monate hat er am Main Informatik und Wirtschaftswissenschaften studiert, abgebrochen und die Firma Avazu gegründet - eine Plattform, die werbetreibenden Unternehmen eine möglichst zielgerichtete Ansprache auf mobilen Websites und Apps bietet. Vor zwei Jahren hat er das Unternehmen für 300 Millionen Dollar verkauft, ist aber nach wie vor Chef des Anzeigengeschäfts. Im Mobilitätssektor hat er bislang keinerlei Erfahrung. Das soll sich jetzt ändern.
Yi Shi auf einem Foto aus der Business-Times mit OBike

Shis neues Baby heißt OBike und soll das Fahrrad-Sharing revolutionieren. Vom Firmensitz Singapore aus verfolgt er eine globale und rasante Ausweitung seiner Bike-Flotte; seit Jahresbeginn auch in Europa. Quasi über Nacht überfluteten die grau-gelb-silbernen Leihbikes München und sorgten für Ärger, weil sie Gehwege, Plätze und Grünanlagen versperrten. Man mag es halt sauber an der Isar und die Welle der über 6000 (!) neuen Drahtesel stört das Ordungsempfinden der überrumpelten Münchner. Die Ausstattung der rustikalen Räder mit Vollgummireifen und Eingang-Nabe bietet ein wenig faszinierendes Fahrerlebnis. Für längere Strecken sind sie ungeeignet. Fahrradexperten haben zudem Sicherheitsbedenken bei Details wie der Lichtanlage. Es läuft also nicht rund für die OBiker aus Berlin, wo der deutsche Ableger seine Zentrale eröffnet hat, gleich neben den Büros von Avazu. Kritik an der Nacht-und-Nebel-Taktik von OBike kommt auch aus der Schweiz und Frankfurt.

 Free-Flow-Bikesharing als Datenkrake

Denn anders als etablierte Platzhirschen wie Call-a-bike, ein Tochterunternehmen der Bahn, setzt OBike nicht auf stationsbasiertes Bikesharing, sondern auf das Free-Flow-System. Die Räder werden mittels einer Smartphone-App ausgeliehen und dürfen fast überall parkiert werden. Das sei bequemer für die Nutzer und der bessere Ansatz für die Last-Mile-Mobilität, begründet Shi seine Überall-OBike-Strategie. Keine Frage, da ist was dran. Wer sein Leihbike direkt vor einem Restaurant oder Firmeneingang abstellen kann, spart den Fussweg zur nächsten festinstallierten Ausleihstation. In deutschen Metropolen wie Berlin, Hamburg und München beträgt der Stationsradius im Innenstadtbereich geschätzt meist zwischen 300 und 500 Meter - fünf bis zehn Minuten Zeitersparnis spricht dann für ein OBike.
In Zeitungs-Interviews betont Yi Shi, für wichtig er Ortungstechnik für Werbung im Internet hält. OBike will aber keinen Datenhandel betreiben, sagt zumindest die deutsche OBike-Zentrale in Berlin

Aber sind es wirklich Effizenz, Bequemlichkeit und Klimaschutz die Shis-Unternehmen antreiben? Oder ist es die Möglichkeit, umfangreiche Nutzerdaten zu generieren? Das zumindest befürchten Datenschüzer und warnen: OBike verstösst gegen das Transparentgebot. Dem User wird nicht klar gemacht, welche Daten erhoben werden und was mit ihnen passiert. Denn wahr ist auch: Wer mittels GPS-Technolgie seine Kunden von der Haustür über den Weg durch den Park über den Zwischenstopp beim Supermarkt bis hin zum Ziel zu einem Geschäftstermin in einem Bürohochhaus verfolgen kann, erzeugt gläserne Radfahrer. Diese sind perfekte Adressaten, sagen wir mal für Badehosen-Werbung, wenn der Betreffende regelmässig ein Schwimmbad ansteuert. Ob Besuch im Zoo, beim Arzt oder Scheidungsanwalt, wer die Mobilitätsgewohnheiten seiner Kunden kennt, kann ihn perfekt mit massgeschneiderter Werbung ansprechen. Das Leihfahrrad wird also zu einem trojanischen Pferd, das umso effektiver funktioniert, desto genauer die erfassten Geo- und sonstigen Daten sind.

Heatmaps und hyperlokales Targeting

Laut OBike-Webpage wird während der Fahrt sowohl das Handy des Entleihers als auch das Fahrrad getrackt, folglich wird es einen eigenen GPS-Sender haben. Zum Erstellen möglichst detaillierter Heatmaps eignet sich daher ein Free-Flow-System besser als eine stationsbasierte Variante. Anders als etwa Call-a-bike speichert OBike nicht nur Start- und Zielort einer Radtour, sondern erstellt detalierte Bewegungsprofile seiner Kunden. Diese will man bei Bedarf den Verkehrsplanern der Städte kostenlos zu Verfügung stellen, damit die beispielsweise Radwege besser projektieren können. Wie nobel! "Deine Daten werden von uns nicht an dritte Unternehmen weitergegeben, die nicht mit OBike verbunden sind. Hierzu zählt natürlich auch der Verkauf von Daten – wir verkaufen keine Daten weiter an dritte Unternehmen", heißt es auf der OBike-Seite. Kingt gut, wirft aber die Frage auf, wer eigentlich die verbundenen Unternehmen sind.
So sieht eine Heatmap aus, in diesem Fall von Bike Citizens

Wer OBike für einen weltverbessernden Heilsbringer hält, glaubt wahrscheinlich auch das China eine kommunistische Volkrepublik ist, die Menschenrechte achtet und Chancengleichheit für alle anstrebt. Ein Blick auf Yi Shis Werdegang und Firmengeflecht nährt zumindest Zweifel an seinen ausschließlich vornehmen Motiven. Kann ein gewiefter Geschäftsmann, der mit personalisierter Werbung viel Geld verdient, plötzlich als Mobilitätsdienstleister und Vordenker in städtischer Verkehrsplanung Zeichen setzen? Was will der Mann wirklich?

 Yi Shi ist eine schillernde Dotcom-Persönlichkeit

Ein Rückblick auf seinen beeindruckenden Lebenslauf: Mit elf Jahren zieht er von China nach Neu-Ulm, wo seine Eltern ein chinesiches Restaurant betreiben. Ehrgeizig lernt er Deutsch und kann sich schon nach einem Monat fließend unterhalten. Zwei Jahre später sitzt er abends stundenlang in der örtlichen Bücherhalle vorm Computer, lernt fleissig programmieren und das Erstellen von Websites.

Im Alter von 14 erhält er seine ersten Einnahmen durch Online-Werbung: 250 Dollar von Google. Ob Themen wie China, die Börse oder Finanzstrategien, Shis-Online-Seiten sind erfolgreich. Als er 16 wird kann er bereits 30 erstellte Internetauftritte vorweisen und verdient 4000 bis 5000 Dollar im Monat mit Web-Reklame. Eine steile Karriere mit spannenden Stufen.

Beschäftigte Shi SPIEGEL-Mitarbeiter als Lohnschreiber?

Eine davon ist, dass Shi angeblich auch Aufträge an deutsche Redakteure vergeben hat. Um relevanten Content für seine Seiten zu erzeugen, sollen sogar SPIEGEL-Journalisten für ihn als Lohnschreiber gearbeitet haben. "Ich habe denen ein paar Schlüsselwörter gegeben und die haben geschrieben", koketiert er in einem Interview mit der Singapore Strait Times. "Je nach Textmenge betrug die Bezahlung zwischen 15 und 20 Dollar." Rund 800 Dollar pro Monat Nebenverdienst seien so drin gewesen", so Shi. Dass ausgerechnet renommierte SPIEGEL-Leute auf der Honorarliste eines  chinesischen Turbo-Unternehmers stehen sollen ist nur eine von vielen Anekdoten, die sich ums Dotcom-Wunderkind Shi ranken.
Die OBike-Kampagne zielt offenbar vor allem auf junge Kunden

Da er nach wie vor beim Internet-Werbepowerhouse Avazu mitmischt und inzwischen noch den App-Entwickler DotC United gegründet hat, liegt der Schluß nahe, dass es sich bei diesen Shi-Firmen um die so genannten "verbundenen Unternehmen" von OBike handelt. Ein Datenverkauf an Dritte ist also gar nicht nötig, sondern die im Steuerparadies Brunei gegründete Avazu könnten die Nutzerdaten übernehmen, um lukrative Werbedeals aufzulegen - zum Beispiel das von Yi Shi gepiesene hyperlokale Targeting. Bei dieser Methode werden Smartphone-Nutzer im direkten Umfeld eines Geschäfts oder Restaurants auf dessen Angebot aufmerksam gemacht. OBike Deutschland dementiert solche Gerüchte hartnäckig. Aber was ist, wenn - durchaus nicht branchenunüblich - OBike und die Kooperationsfirmen von einem anderen Unternehmen übernommen werden? Und Anpassung von AGB sind im Interntbusiness eine sehr gängige Sache. Was heute gilt, ist oft morgen schon überholt.

Risikokapital aus Russland

Noch ist es nicht so weit. Momentan geht es nur darum zu wachsen und die Konkurrenz vom Markt zu drängen. Gut ausgestattet mit rund 100 Millionen Dollar Risikokapital, darunter vom russischen Internet-Tycoon Dmitry Grishin, sollen im ersten Schritt möglichst viele Nutzer geködert werden. Und OBike ist nur einer von mehreren Anbietern, die es auf den deutschen Markt zieht. Mit Mobike, Yobike und Ofo stehen weitere Bikesharing-Unternehmen aus China in den Startlöchern, um Großstädte mit ihren Drahteseln zu beseelen - ebenfalls nach dem Freeflow-Datensammel-System. Mobike ist bereits in Berlin aktiv.

OBike-Datenleck vom BR aufgedeckt

Wenn die ähnlich sorglos mit den Daten umgehen wie OBike, dürften demnächst der Chaos Computer Club und andere Datenexperten Stammgast in Talkshows werden, um über das Bike-Sharing-Phänomen Made in Asia zu diskutieren. Denn kürzlich machte OBike mit einem Datenleck Negativschlagzeilen. Rechercheure des Bayrischen Rundfunks (BR) hatten aufgedeckt, dass Nutzerdaten wie Telefonnummer, Profilbild und gefahrene Strecken ungeschützt im Internet einsehbar waren - eine eklatante Sicherheitslücke, die über die Social Media-Funktion der App entstand. Durch Versenden von Einladungscodes wurden private und angeblich anonymisierte Daten für jeden sichtbar.
Dieses OBike-Bewegungsprofil stand ungeschützt im Internet und wurde vom BR vorher versuchsweise erstellt 

 Steuertricks auf den British Virgin Island

Außerdem durchleuchteten die BR-Spürnasen das Firmengeflecht von Yi Shi. Die Spur führt ins Steuerparadies British Virgin Islands, wo Shis DotC United und die OBike Inc ihren Sitz haben. Für Finanzexperten liegt auf der Hand: Das macht man um Steuern zu sparen. Das Modell könnte so aussehen, dass der deutsche OBike-Ableger hohe Gebühren für die Nutzung der Markenrechte ins Offshore-Steuerparadies überweist und diese mit den erzielten Umsätzen verrechnet. Gewinne bleiben nicht übrig; der deutsche Fiskus geht leer aus. Sehen so wirklich innovative Weltverbesserungs-Geschäftspraktiken aus? OBike Deutschland dementiert und behauptet, dass ihre Einnahmen in Deutschland versteuert werden. Wenig glaubhaft, denn OBike sagte gegenüber dem BR zunächst auch, dass die OBike Inc in Singapore registriert ist, korrigierte die Angabe später jedoch und nannte die British Virgin Island als Firmensitz. In Singapore arbeitet demnach nur das operative Management. Von einer durchsichige Firmenstruktur kan keine Rede sein.

Fehler wie die Verwechslung der Firmenzentralen sollten selbst einem forschen Start-Up in der wilden Gründungsphase nicht unterlaufen. Überhaupt geht es bei der Markteinführung der Räder vielerorts diletantisch zu. Da entschuldigt die PR-Verantwortliche Sis Timberg im Schweizer Tagesanzeiger das plötzliche Aufstellen von OBikes in der Kleinstadt Uster mit einem Versehen der Spedition. Ein anderes Mal soll ein Einbruch ins Lager Schuld dafür sein, dass OBikes in Winterhur und St. Gallen aufgetaucht sind. In Zürich dagegen ist ein OBike-Schreiben an den falschen Ansprechpartner bei der Stadt eingegangen. All das sind abenteuerliche Begründungen, die für wenig Seriosität stehen.

Bikesharing ohne städtische Unterstützung soll profitabel werden

Ungewöhnlich offen präsentiert sich Timberg bei der Frage, wie OBike ausschießlich mit dem Fahrradverleih Geld verdienen will. Ohne städtische Unterstützung wie bei StadtRad Hamburg beispielsweise gilt es als äußerst schwierig, mit dem Fahrradverleih wirtschaftlich zu operieren. So legte der chinesiche Betreiber Bluegogo schon nach nur einem Jahr eine spektakuläre Pleite hin. OBike aber bleibt optimistisch. Erfahrungswerte hätten gezeigt, dass ein Rad pro Tag drei Mal ausgeliehen würde. Bei 1000 bis 2000 OBikes in einer Stadt errechneten sich so Einnahmen von bis zu 230000 Euro monatlich. Die Gesamtkosten für ein aufgestelltes OBike beziffert sie mit knapp 215 Euro pro Stück. Die OBike-Nutzung kostet übrigens einen Euro pro halbe Stunde; außerdem ist eine Kaution von 79 Euro zu hinterlegen. In Deutschland wurde die OBike-App bislang etwa 40000 Mal herunter geladen.

Diese entwaffnende Transparenz wünscht man sich auch in Sachen Datenumgang und Aufklärung darüber, wer in Shis Firmenreich was mit den digitalen Schätzen vor hat. Stattdessen bleibt es bei der stereotypen Absage, dass man mit niemandem Datenhandel betreiben wolle, sondern seinen Geschäftszweck in der Fahrradvermietung sehe. Fehlt eigentlich nur der Hinweis, dass die Welt eine Scheibe ist und Yi Shi sie demnächst mit einem OBike zu umrunden gedenkt.

Kommentar!

Big Data mit großen Missverständnissen 

Natürlich spricht nichts dagegen, mit einem Big-Sharing-System Geld zu verdienen. Im Gegenteil: Konkurrenz belebt das Geschäft und könnte der Mobilitätswende zu frischem Wind verhelfen. Auch gegen die Erhebung und dem Handel mit Nutzerdaten ist per se nichts einzuwenden, so lange sich der Leihrad-Betreiber an Transparenz-Grundsätze hält. Das ist bei OBike nicht der Fall, sondern das Start-Up verschleiert seine Beteiligungen, Koperationen und Firmensitze. Viel Vertrauen in die Geschäftspraktiken kann da nicht aufkommen. Schlimmer noch: OBike-Mitarbeiter nennen Uber und AirBnB als Vorbilder. Genau wie diese Firmen kommt OBike unter dem Deckmantel der Sharing-Economy daher, faselt in Pressemiteilungen über Nachhaltigkeit, grünen Lebensstil und sammelt fleißig Daten seiner Nutzer ein. Angeblich um den Behörden die Radwege-Planung zu erleichtern. Einen Beweis, was mit den Daten wirklich passiert, gibt es zwar (noch) nicht, dafür aber jede Menge Verdachtsmomente. OBike gehört zu einem Firmengeflecht, das sich auf personalisierte Werbung spezialisiert hat. Genau dort sind solche Daten Gold wert. Warum also sollte OBike auf die Weitergabe an die Partner- und Mutterfirmen verzichten? Wahrscheinlich es es nämlich genau für diesen Zweck gegründet worden. Jedes noch so harte Dimmenti klingt vor diesem Hintergrund unglaubwürdig. Das ist kontraproduktiv für die angestrebte Mobilitätswende. Statt umweltfreundliche Mobilität zu verkaufen, schaden Daten-Heuschrecken wie OBike der Branche. Statt Klimaschutz fördert OBike das Bild eines profitgierigen Asien-Startup, das mit Schrotträdern die Innenstädte zumüllt. Und statt Fahrradfahren einfach cool zu machen, bringen OBike und Konsorten die Fahrrad-Ausleihe in Verruf.Das ist schade. Aber es gibt Hoffnung, dass sich OBike am deutschen Markt die Zähne ausbeist. In Hamburg funktioniert das städtische StadtRad trotz Stationszwang ausgezeichnet, wird weiter ausgebaut und die Nutzerzahlen wachsen stetig. Da dürfte es jede Konkurrenz schwer haben - selbst mit einem Freeflow-Angebot. Außerdem herrscht nirgends auf der Welt so viel Skepsis gegenüber Datenerfassern wie in Deutschland. Der Fahrdienstleister Uber hat viel versucht, ist bislang aber mit seinem privaten Ridesharing Uber Pop gerichtlich gescheitert. Auch die zahlreichen Einsprüche gegen Google Street View sind legendär. Datenschutz wird für viele junge Deutsche immer wichtiger. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn OBike in Deutschland scheitert und den Geschäftsbetrieb bald wieder einstellt. "Innovation ist das Resultat vieler Niederlagen", predigt Firmengründer Yi Shi und schiebt in einem Interview hinterher: "Wir sollten Leuten danken, die Niederlagen erleiden." Klingt was so, als ahnt er was...

Bikes and the city: Stadtrad Hamburg als Herzschlag der Elbmetropole

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Hamburg-Herzschlag morgens um 9 Uhr: Rote Kreise bedeuten mehr Stadtrad-Ausleihen als Rückgaben, blaue mehr Rückgaben als Anmietungen
Statistik! Ein Seegen. Oder Teufelszeug. Je nachdem, was damit gerade bewiesen oder widerlegt werden soll. Traue keiner Statistik, die du nicht selbst... und so weiter... . Vorsicht ist also geboten. Doch was mir jetzt ins E-Mail-Postfach geflattert ist, begeistert mich: Wann werden wo und wieviele Call-a-bikes ausgeliehen? Wie lange werden sie gemietet? Und welche Strecken damit gefahren? Das Ganze gibt es dann auch noch in interaktiver Form und als Video. Ein Blick auf das Schwarmverhalten von Stadtrad-Nutzern in Hamburg.
Alexander Eser, Co-Founder von kaufbertaer.io
"Wir wollten den Herzschlag einer Stadt einfangen", sagt Alexander Eser, Gründer des Internetportals Kaufberater.io aus Augsburg. Ob Autobatterie oder Dirndlschürze, dervKaufberater bietet umfangreiche Übersichten und Vergleiche von Konsumerprodukten aller Art. Aber was, bitteschön, hat das mit Bikesharing zu tun? "Mobilität ist ein wichtiges Verbraucherthema. Darum planen wir, verstärkt über Servicethemen wie Bikesharing zu berichten", erklärt Eser, der sein Startup als journalistisches Verbrauchermagazin sieht und auf Unabhängigkeit wert legt.

Um das Nutzerverhalten von Bikesharingkunden zu analysieren hat Eser einen Datensatz der Deutschen Bahn interaktiv und visuell aufbereitet. Eigentlich kein Hexenwerk und das Ergebnis ist auch nicht überraschend. Aber das Sichtbarmachen der Ausleih- und Rückgabevorgänge hat dennoch großen Charme. Zeigt es doch in der Tat so eine Art Herzschlag unserer Stadt.

Stadtrad-Aktivitäten im Dreijahresvergleich um 9 Uhr
Stadtrad-Aktivitäten im Dreijahresvergleich um 18 Uhr
Spannender Vergleich: Stadtrad-Ausleihen- und Rückgaben. Die linke Karte zeigt die Aktivitäten um 9 Uhr, rechts um 18 Uhr. Logisch, morgens werden in den typischen Innenstadt-Randlagen im Westen und Osten die meisten Räder ausgecheckt. Auffällig ist die besonders starke Nachfrage in Eimsbüttel und St.Pauli. Auch Winterhude (besonders Station 2324 Hofweg/Am Langenzug) gehört zu den morgendlichen Stadtrad-Hotspots. Umgekehrtes Bild dagegen in der Hafencity, an der Alster und Rotherbaum. Hier gibt es deutlich mehr Rückgaben als Ausleihen.

 Das Pulsieren entsteht dabei aus der Betrachtung des Netto-Fahrradverleihs, also Summe der ausgeliehenen Fahrräder minus Rückgaben an den einzelnen Stadtrad-Stationen im Tagesverlauf. Entstanden ist daraus einen spannende Stadtkarte mit jeder Menge roter und blauer Kreise. Diese zeigen nicht nur das relative Volumen der einzelnen Stationen - oder anders ausgedrückt die jeweilige Beliebtheit der Ausleih- und Rückgabepunkte -, sondern auch wie stark diese zu unterschiedlichen Uhrzeiten frequentiert werden.

Ein roter Kreis bedeutet, es gibt mehr Ausleihen als Rückgabevorgänge. Blaue Kreise dagegen dokumentieren das Gegenteil: Hier werden mehr Stadträder zurück gegeben als angemietet. Dass morgens vor allem die Randbereiche in den westlichen, östlichen und nördlichen Innenstadtlagen rot und die Citymitte blau eingefärbt sind, ist natürlich wenig überraschend. Denn der typische Stadtradnutzer mietet sein Leihbike etwa in Ottensen oder Wandsbek und pedalliert anschließend zur Uni in Rotherbaum, ins Büro an der Alster oder zum Termin in der Hafencity - typisches Großstadtpendlerverhalten eben. Ein Bewegungsmuster, in dem man tatsächlich so eine Art Herzschlag der City erkennen kann. Und Abends geht alles wieder in die andere Richtung: Anmieten direkt im Herzen der Stadt, Rückgabe in den Wohnquartieren wie Eimsbüttel oder Winterhude.

Darum ist auch gut zu beobachten, dass diese Stationen am Tagesende meistens mit zurückgegebenen Stadträdern überquellen. Stadtrad-Mitarbeiter steuern darum diese Punkte an, verladen Stadträdern und bringe diese an die leergefegten Stationen in den zentralen Citylagen. Denn dass der Bike-Überschuss am nächsten Morgen von den Mietern quasi auf natürliche Art und Weise ausgeglichen wird, erfüllt sich offensichtlich nicht regelmässig und ist wohl auch stark vom Wetter abhängig.

Motivation für diese anschaulichen Auswertung war für Alexander Eser auch pure Neugier. "Ich programmiere am Wochenende ganz gerne mal was", erzählt er am Telefon. Als er neulich ein Datenprogrammierungsbuch geschenkt bekam, wollte er das angelesene Wissen umsetzen und machte sich auf die Suche nach frei verfügbaren Daten. Bei der Deutschen Bahn wurde er fündig. Die deutschlandweiten Call-a-bike-Aktivitäten sind über die Bahn-Webseite für jedermann zugänglich.

Dass Datenschutz dabei aber sehr wichtig genommen wird, spürte Eser sofort nach der Veröffentlichung. Seine Formulierung "Ein großer Werttreiber für Anbieter von Bike-Sharing sind gesammelte Daten. Mit mehr als 12 Millionen Fahrten registriert die Deutsche Bahn reges Interesse an dem Service und weiß angeblich genau, wann sich welcher Nutzer wo aufhält und über welchen Zeitraum.", rief die Bahn auf den Plan. Sie registriert nach eigener Darstellung nur den Ausleih- und Rückgabepunkt, nicht aber den genauen Verlauf der gefahrenen Strecke. Dass die Bahn hier so sensibel reagiert liegt wohl auch an den Aktivitäten asiatischer Leihradanbieter wie Obike, die mit Macht auf den deutschen Markt drängen. Ihnen wird unterstellt, dass sie vorrangig an den wertvollen Nutzerdaten Interesse haben.
Beliebte Stadtrad-Routen: Das Schaubild zeigt, welche Strecken besonders oft gefahren werden

Alexander Eser hat aus den Daten auch noch eine Routenkarte erstellt, die zeigt welche Strecken mit den Stadträdern gefahren werden. Sie belegt wie die anderen Schaubilder, wo gewohnt und wo gearbeitet wird.

Nicht allein zur Unterhaltung ist Esers Fleißarbeit geeignet. Auch für die Planer und Entwickler bei Stadtrad Hamburg dürfte die Datenvisualisierung auf Interesse stossen. Zeigt die Grafik doch auf einen Blick, wo neue Stationen Sinn machen und wo weniger. Vielleicht sind einzelne Stationen auch so unlukrativ, dass man sie besser schließt. Neben den spannenden Grafiken hat Eser nämlich auch einige verblffende Details ans Tageslicht befördert.

-Die beliebteste aller Stadtrad-Stationen ist der Allendeplatz mit 174037 Fahrten, gefolgt von Schulterblatt (160807), Goldbekplatz (128838) und Jungfernstieg (126957)



Die Stadtrad-Station 2690 auf der Veddel vorm Leonardo Hotel


-Die Stationen mit den wenigsten Anmietungen und Rückgaben sind:

Sieldeich/Gresham carat Hotel (99)
S-Bahn Nettelburg (1259)
Krankenhaus Altona (1308)

-Die kürzeste Standzeit aller Stationen betrug fünf Sekunden. "Ein Muster, das sich öfters in Daten wieder findet", sagt Alexander Eser. Grund dafür dürfte sein, das Nutzer das Bike kurz an einer Station auschecken, um es sofort wieder anzumieten. So lange sie unter der 30 Minuten-Grenze bleiben, ist die  Fahrt kostenlos.

-Die längste Standzeit betrug 970 Tage. Ehrlich? Wie kann das sein? So eine "Stadtradleiche" dürfte ja nur noch wenig Luft in den Reifen und eine verrostete Kette haben. Eser hat festgestellt, dass dieses Bike während seiner Standzeit die Station gewechselt hat. Mögliche Erklärung: Der Stadtrad hat das Bike zwischnzeitlich eingesammelt, gewartet und dann wieder an einem anderen Punkt ausgesetzt, wo es aber weiter verschmäht wurde - armes, rotes Stadtrad...

-Die durchschnittliche Standzeit lag bei 56 Minuten und 36 Minuten wenn man den Median betrachtet, also Ausreißer wie den Fünfsekünder und den 970-Tage-Langsteher ausklammert. Hier wäre es sehr spannend  zu sehen, wie sich das bei den Carsharern Car2Go und DriveNow verhält. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Standzeiten kürzer sind.

Und hier ist der Stadtrad-Herzschlag als Video im Zeitverlauf zu sehen - sehr cool!



Print lebt: Neue Fahrradzeitschriften buhlen um Biker

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Es rauscht kräftig im Blätterwald der Fahrradzeitschriften. Zum Saisonbeginn 2018 drängen gleich mehrere Neuerscheinungen verschiedener Verlage auf den umkämpften Printmarkt, der eigentlich Kunden verliert. Lesestoff für Biker dagegen scheint ein Wachstumssegment zu sein und ein Indiz dafür, dass Fahrradmobilität in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Ein Blick auf die neuen Blätter Bike Bild, Bike Adventure, My Bike und Karl. Und auf ein paar wenig bekannte, aber lesenswerte Exoten.

Karl kommt: Neues Fahrrad-Szeneblatt aus Stuttgart

"Die Zeit der dicken Eier ist vorbei." Dazu ein Bild vom Schauspieler Jürgen Vogel, wie er in Kampfradler-Marnier auf seinem Fahrrad an stehenden Autos vorbei rauscht. Ohne Helm! Dafür mit Teufelsgruß der rechten Hand. Halleluja, das nenne ich mal einen gewagten Zeitschriften-Titel.
Ankündigung für Karl. Ob der Titel so bleibt?
Am 18. April wissen wir mehr

Zu finden ist er auf dem neuen Bike-Magazin namens "karl.", das von der Motorpresse aus Stuttgart verlegt wird. Ersterscheinung ist der 18. April, also in ein paar Tagen. Das ist bemerkenswert, denn die Motorpresse veröffentlicht sonst PS-Blätter wie auto, motor und sport, sportauto und Motorrad. Nun also ein Fahrradheft benannt nach dem Erfinder des Fahrrades Karl Drais.

Freiherr Karl von Drais erfand vor 201 Jahren das Fahrrad und ist Namensgeber des neuen Magazin Karl
Warum nicht? Schließlich heißen ja auch Autos so. Bin gespannt, ob Opel eine entsprechende Glückwunsch-Anzeige schalten wird... Oder wird es eine redaktionelle Opel-Story geben? Schließlich fing die Marke 1885 als Fahrradhersteller an mit Carl von Opel als einer seiner Protagonisten. Ich bin gespannt.

Dass ausgerechnet ein auf Autofahren spezialisierter Verlag sich dem Thema annimmt ist jedenfalls ein gutes Signal. Fahrradfahren liegt voll im Trend. Der Markt wächst, vor allem getrieben durchs E-Bike. Und damit steigt auch die Zahl der potentiellen Leser von Fahrradzeitschriften. Denn karl. ist nach Bike Bild, My Bike und Bike Adventure nur eine von mehreren Neuerscheinungen in diesem Segment.

Aus zwei mach eins: Ebike und Trekkingbike werden My Bike

Seit 11. April liegt bereits das zweite Heft von "My Bike" am Kiosk. Es erscheint im Delius-Klasing-Verlag und ist eine Fusion aus E-Bike und Trekkingbike - beide Titel verschwanden vom Markt. Aus zwei macht eins. Bedeutet das wirklich Wachstum? Klingt doch eher nach Schrumpfung. Es sei denn, My Bike erreicht eine höhere Auflage als die beiden eingestellten Titel. Das könnte durchaus sein, wenn das neue Magazin den richtigen Themenmix findet.

Die Logik hinter der Fusion könnte diese sein: Elektrofahrräder sind der wichtigste Wachsumstreiber der Branche und Trekkingräder die meistverkaufte Radgattung. Beide Segmente zu vereinen schafft folgerichtig ein Heft, das die breite Masse der Radfahrer und Kaufinteressierten ansprechen dürfte und so eine höhere Auflage verspricht als die beiden eingestellten Einzeltitel.

My Bike richtet sich damit nicht an eine spezielle Radfahrergruppe, sondern will alle Biker ansprechen. "Das Fahrrad - ob mit oder ohne Motor - ist in unserer modernen Gesellschaft gleichermaßen ein Spaßgerät für Freizeit, Sport und Urlaub wie auch ein unglaublich effizienter Problemlöser für tausendundeine Transportaufgabe und drängende Verkehrsprobleme," schreibt Chefredakteur Thomas Musch, der auch die Rennradzeitschrift Tour verantwortet.

Bemerkenswert: Freut sich Delius-Klasing mit Tour (Rennrad) und Bike (Mountainbike) bislang über die Marktführerschaft in den sportlichen Nischen, zielt der Verlag nun mit My Bike auf die Allgemeinheit  und macht den Titel zum Generalisten. Das klingt paradox: Special- wird also eine Art Generalinterest. Ganz offenbar wächst die Zahl der Radfahrende so rasant, dass die potentielle Leserschaft gute Geschäfte verspricht. Immerhin ging My Bike mit einer Druckauflage von 100.000 an den Start. Das kann auch den Werbemarkt nicht kalt lassen. Und tatsächlich ist das neue Heft gut gefüllt mit kleinen und großen Anzeigen.

Aber ist das Zeitschriftensegment Fahrrad wirklich schon Mainstream? Werden die Bike-Hefte tatsächlich zu hochauflagigen Titeln so wie es Autozeitschriften einmal waren? Für einen echten Wachwechsel in den Printmedien ist es wohl noch etwas zu früh. Zumindest die Reklame in My Bike stammt (bislang) fast ausschließlich von Fahrrad- und Zubehör-Firmen. Fakt ist: Unser Mobilitätsverhalten ändert sich. Und damit auch die Anforderungen an die Zeitschriften.

Was mir fehlt ist ein echtes Mobilitätsmagazin, das dass gesamte Spektrum des unterwegs seins abdeckt - vom Fußgänger bis zum Vielflieger... . Einen Schritt ist diese Richtung unternimmt hier moove. Das Heft erschien erstmalig am 6. März als Submarke von auto, motor und sport und berichtet über Mobility, Connectivity und Digitalisierung.

Central wollte die urbane Avandgarde ansprechen
Schon 2016 hatte die Motorpresse mit Central versucht, ein modernes Großstadt-Magazin mit Mobilitätsschwerpunkt zu etablieren. Es blieb bei dem Versuch. Das Titelblatt zierte das Stockfoto einer fahrradfahrenden New Yorkerin. Nun also der nächste Versuch mit karl. Für 2018 sind vier Ausgaben geplant. Wie ernst es die Motorpresse mit ihrem Fahrrad-Engagement meint beweist auch die Tatsache, dass sie im Rahmen eines Innovationsprogramm das Start-Up Bikesitter gegründet hat. Es bietet sichere Abstellplätze für Fahrradfahrer bei Großveranstaltungen und dient als passende Werbeplattform für die hauseigenen Fahrradzeitschriften. Kooperationspartner und Vorbild von Bikesitter ist übrigens die Fahrradgarderobe mit Sitz in den Zinnwerken auf der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg. So viel Symphatiebekundung und Lokalpatriotismus muss schon sein.

Pionier der Fahrrad-Style-Zeitschriften: Cycle
Karl kann vom Background her ähnlich wie der Delius-Klasing-Titel aus vollen Töpfen schöpfen, weil man ja schon reichlich Fahrrad-Erfahrung im Verlag gesammelt hat. Das neue Blatt will ein Rad-Lifestyle-Magazin sein, das nach eigener Werbung "auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt einmalig ist". Logisch, für eine Neuerscheinung muss man selbstbewusst trommeln. Ich sage trotzdem: Einspruch! Denn dieses Segment bedient seit einigen Jahren Cycle. Das Heft führt die Unterzeile "Bike und Style Magazin"und wird in Berlin gemacht. Zum großstädtischen Lebensgefühl gehört heute einfach ein, nein besser zwei oder mehrere, coole Fahrräder.


So gesehen ist das Markenkonzept von Karl und Cycle durchaus stimmig. Oder anders ausgedrückt: Fahrrad und Hippster gehören zusammen wie Computer und Nerds. Auch wenn die Hippster natürlich keine Hippster sein wollen. Warum eigentlich ist der Begriff so negativ besetzt?


Spoke gibt sich sportlich
Und bei allem Hype um die neuen Trendblätter sollte man einen weiteren Pionier der gedruckten Monatslektüre für Biker nicht vergessen: Spoke. Angefangen hat der Paranoia-Verlag mit einem Fokus auf Singlespeed- und Fixie-Kultur; dabei auch schon immer einen Blick auf coole Kleidung geworfen. Neuerdings zielt die Ausrichtung eher auf Gravelbikes und sportliches Events. Hier wird eher die urbane Subkultur als der Mainstream bedient; E-Bikes scheinen im Heft verpönt. Gut so, muss ja nicht jeder auf den Zug aufspringen.


Neuer Trend: Fahrradzeitschriften zielen auf die breite Masse

Bike Bild 1/2018
Wie auch immer, auf jeden Fall sind die neuen Titel, allen voran Delius-Klasings My Bike, eine Kampfansage an den Axel-Springer-Verlag, der ein fast identische Konzept mit Bike Bild verfolgt. Obwohl der Titel bereits seit über einem Jahr veröffentlicht wird, darf es zu den Fahrradheft-Neugründungen gezählt werden. Unter dem Claim "das Magazin für alle, die Fahrrad fahren" steht ebenfalls die Masse der Biker im Fokus. Ob E-Bike-Pendler, Abenteuer-Radler, Hobbysportler oder Vintage-Fan - Bike Bild bedient die Breite. Da ich maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war, erkläre ich mich an dieser Stelle für befangen und verzichte darum auf eine genauere Analyse der Inhalte.



Abenteuerliches Unterfangen: Bike Adventure sucht das Weite

Für Fernweh-Radler: Bike Adventure aus dem Wieland Verlag
Cycle erscheint im Wieland-Verlag, der sich auf sehr männliche Titel wie Tweed, Tactical, Survival oder Messer spezialisiert hat. Und auch hier sieht man noch Platz für einen neuen Fahrradtitel: Bike Adventure hat seit Herbst die Reiseradler, Expeditionsbiker und Abenteurer im Visier. Hier wird also ganz bewusst eine Nische angesteuert. Seit Anfang Februar ist die zweite Nummer im Handel. Anders als die Generalisten My Bike und Bike Bild mit ihrem klaren Bekenntnis zum Pedelec sind karl, Cycle und besonders Bike Adventure nischiger angelegt.

  


Fahrradfahrer-Feinkost: Ein Blick auf den Coffetable und die Spezialitätenecke

Radkulturmagazin Fahrstil: feuilletonistischer geht es kaum
Stichwort Nische! In der nistet seit Jahren das wunderbare Fahrstil. Wenn es so etwas wie ein Fahrrad-Feuilleton gibt, dann ist es dieses dicke Magazin, das sich mit schrägen Titeln, ungewöhnlichen Themen, langen Texten und innovativem Layout weit jenseits des Massengeschmacks etabliert hat. Mit dem stolzen Copypreis von neun Euro bewegt es sich im Edelsegment der teuren Coffeetable-Magazine, genau dort, wo Print noch richtig Sinn macht. Ich bin seit der ersten Ausgabe Fahrstil-Fan, auch wenn ich den umfangreichen Lesestoff immer seltener schaffe und auch nicht alle Ausgaben für gelungen halte.
BQ ist ein Fahrradmagazin mit philosophischen Ansatz

Fast noch lieber als Fahrstil lese ich Bicycle Quarterly, kurz BQ. Es bildet eine Art Gegenpol zu den neuen Mainstream-Magazinen, bedient es doch ebenfalls eine spezielle Klientel von Fahrrad-Enthusiasten: nämlich die Randoneure, Langstrecken-Tourenradler und Qualitätsfanatiker mit einem Traditions-Faible für unverwüstliches, teures und rares Material. Der Mann hinter BQ ist Jan Heine, ein in die USA ausgewanderter Ingenieur aus Deutschland mit ausgeprägter Fahrrad-Macke. Quasi als One-Man-Show liefert er nicht nur Bike-Extremisten sehr hintergründigen und exotischen Lesestoff (z.B. eine Alpenüberquerung auf einem 1947 Tandem...), sondern stellt mit wissenschaftlicher Akribie physikalische Gesetzmässigkeiten richtig. So forscht und testet er seit Jahren erfolgreich am Thema Reifenbreiten und ihren Einfluss auf den Rollwiderstand und Fahrkomfort. Heine war einer der Ersten, die für "je breiter, desto besser" plädierten und besonders weiche Reifenmischungen aus Japan in der Randoneurszene etablierten. Ich jedenfalls kann mich stundenlang in seinen ausführlichen Testberichten verlieren. Aber vorsichtig, für echten Lesegenuss muss man schon etwas technikverrückt sein. Übrigens: Seit dem Spiegel.de über BQ berichtet hat, sind die Heftverkäufe im deutschsprachigen Raum sprunghaft gestiegen. Der Artikel bringt Heines Perfektionismus und seinen Einfluss auf die Renaissance der Randoneure und die Konstruktion hochwertiger Komponenten gut auf den Punkt.

Sonderheft von Spektrum der Wissenschaft
Ebenfalls mit viel Forscherdrang geht es in der Sonderveröffentlichung 200 Jahre Fahrrad, die der Verlag Spektrum der Wissenschaft vergangenes Jahr herausgegeben hat, zu - allerdings nur in digitaler Form. Trotzdem lohnt die Lektüre, wenn man sich über die Historie, gesellschaftlichen Aspekte und tiefgründigen Technikbetrachtungen des Fahrrades interessiert. Das digitale Werk gibt es für 4,99 Euro als Download hier.




Very Specialinterest: Vom Knochenschüttler in die Fahrradzukunft

Gedruckt wie digital wird seit Jahren die Fahrradzukunft veröffentlicht. Ein Heft mit vielen Inhalten, oft sehr techniklastig. So gibt es lange Abhandlungen und Testberichte über die Funktion und Unterschiede bei Nabendynamos oder mobilen Ladegeräten
Gibt's gedruckt, online oder als pdf: Fahrradzukunft
fürs Fahrrad. Oder auch Aufsätze mit Überschriften wie "totpunktloses gekapseltes Fahrradkurbelgetriebe mit integrierter Gangschaltung". Aber auch ganz alltägliche Themen des Radfahrens werden behandelt; beispielsweise die Vor- und Nachteile des Radfahrens während der Schwangerschaft. Oder ums Gleichgewichtsgefühl von Kindern bei ihren ersten Metern auf dem Rad. Oder die Hörbarkeit von Fahrradklingeln. Oder..., ach was, am besten selber hier reingucken.








Vereinszeitschrift vom Historische Fahrräder e.V.: Der Knochenschüttler
Noch spezieller und vor allem historisch geht es in der zwei Mal jährlich erscheinenden Zeitschrift Der Knochenschüttler zu. Sie wird herausgegeben vom Verein historischer Fahrräder und ist eigentlich nur für Mitglieder erhältlich; auch ein schönes Download-Archiv wird gepflegt . Gegen Überweisung verschickt der Verein aber auch Einzelexemplare an Nichtmitglieder. Also, wer sich schon immer mal über den Fahrradbau in der Sowjetischen Besatzungszone schlau machen oder tief in die Geschichte der Sattelfirma Wittkop eindringen wollte, ist beim Knochenschüttler richtig aufgehoben.





US Flop, England top

Letzte Ausgabe vom Boneshaker
Einen Knochenschüttler gibt es auch im englischen Sprachraum, besser ausgedrückt: gab es. Denn vom Boneshaker ist kürzlich nach acht Jahren und 1500 Seiten Lesevergnügen die letzte Ausgabe erschienen. Schade, das Heft wird mir fehlen. Es bot eine tiefgründige Mischung aus oft unerwarteter Richtung und viel Lesevergnügen. Die letzte Ausgabe ist momentan noch hier bestellbar.







Gleiches Schicksal ereilte vor einem Jahr die von mir sehr geschätzte Bicycle Times. Vor allem wegen ihrer vielfältigen und oft kunstvollen Coverfotos mochte ich immer wieder gerne in diese US-Magazin gucken. Nun gibt es nur noch die Webseite und Social media - schade. Anders als in Deutschland sinkt in Amerika offenbar die Zahl der Fahrradpublikationen.





















Ein schönes Vorbild für deutsche Fahrradzeitschriften auf der Suche nach neuen Zielgruppen könnte das in England produzierte Urban Cyclist sein. Gerade in London boomt Radfahren extrem. Eine schöne Blaupause für Berlin, Hamburg, Köln... . Gezielt wird hier der großstädtische Radfahrer adressiert - ein Blatt, das den Zeitgeist gut wieder gibt.


No sports? Von wegen! In England boomt das Rennrad


Dass Radrennsport besonders in England über die vergangenen Jahre an Popularität gewonnen hat, wird auch an den Magazinen zu diesem Thema deutlich. Da gibt es so spezielle Hefte wie Rouleur, Peloton und Simpson, letztes wurde nach dem berühmten Profi Tom Simpson benannt und pflegt einen besonders insiderischen und oft historischen Blick auf die Profiszene.










Und ganz zum Schluss noch eine Perle aus Fernost. Aus Korea kommt das Coffeetable-Fahrradheft far ride. Schon der Titel deutet es an: Die Macher verzichten auf Werbung und bleiben unabhängig. Gefahren wird kreuz und quer in der Welt. Oder auch mal auf dem Berliner Mauerweg. Aber immer mit Inspiration und frei von Sachzwängen und Terminen. Ein Blatt für Reise-Velosophen. Oder solche, die zumindest ein wenig träumen wollen: von epischen Touren, von einem Leben in der Natur, vom globalen Charakteren ohne festen Job, vom Dasein auf dem Fahrrad eben. So wie Far Ride gemacht ist, könnte es aus far out heißen. Weit weg eben, sehr weit weg.

Aus dem Fuhrpark: Hercules ist ein Zwerg

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Zu Weihnachten habe ich mir selbst ein kleines Geschenk gemacht: Seit ein paar Tagen gehört das seltene Hercules Auto Velo zu meinem Fuhrpark. Herzlich willkommen! Hier dann gleich mal die Kurzvorstellung dieser 70er Jahre Kuriosität.
Da steht es nun, das kleine Kofferraumrad: zwei 16 Zoll kleine Räder, lange Sattelstütze, Geweihlenker und ein eigentümlicher Rahmen mit ovalisiertem Doppelrohr mit roter Lackierung. Ein ziemlicher cooler Anblick mit jeder Menge Vintage-Charme. Kein Wunder, denn das Auto Velo wurde von 1970 bis 1975 von den Hercules-Werken in Nürnberg produziert und ist eine technische Spezialität.

Denn genau genommen ist es weder ein Klapp-, Falt- noch ein Steckrad, sondern ein "Schieberad". Nein, nicht weil man das Velo überwiegend schiebt (obwohl das angesichts Größe, Geometrie und Gesamteindruck ziemlich nahe liegt), sondern weil sich Lenkrohr samt Vorbau, Lenker, Gabel und Vorderrad nach Lösen eines Hebels zwischen den beiden Hauptrahmenrohren verschieben lässt. Dadurch verkürzt sich der ohnehin schon kleine Radstand erheblich und macht das Bike sehr kompakt. Dazu klappt der Lenker wie beim Brompton seitlich nach unten und die Sattelstütze fährt sehr tief ein.

Auf diese einzigartige Weise wird das Auto Velo ähnlich kompakt wie ein Bickerton (76x51x23 cm), di Blasi (80x63x26 cm) oder Brompton (57x58x27 cm). Es passt in fast jeden Kofferrraum, darf als Gepäckstück im ICE oder Flugzeug mitreisen. Eigentlich ist es damit ein hochaktuelles Pendlerbike. Ob die Patentrechte abgelaufen sind, weiß ich leider nicht. Aber das Konzept könnte eine Neuauflage vertragen.

Störend an der ganze Sache ist nur das hohe Gewicht. Mit rund 15 Kilo wiegt das Rad ähnlich viel wie ein modernes 28er Reiserad aus Alu. Nun, Hercules hat das Teil ziemlich massiv ausgeführt und leider vergessen, was Leichtbau ist. Vielleicht einer der Gründe, warum das Ding nach rund fünf Jahren wieder vom Markt verschwand. Auf jeden Fall ist es ein Kind des Autobooms; Fahrräder waren von der Motorisierungs-Euphorie der Wirtschaftswunder-Jahre verdrängt worden; der eigene Pkw zum Statussysmbol der Mittelschicht aufgestiegen. Mit ihm machte zweitgleich die autogerechte Stadt Karriere. Fahrräder wurden in Gestalt ihrer Klappvarianten quasi zum Autoasseccoire abgestuft. Das Hercules Auto Velo trägt seine (traurige) Bestimmung ja sogar im Namen.

Wie kommt man nun an so einen kleinen Schatz. Wie so oft war es eine Kleinanzeige, in das Auto Velo angeboten wurde: "Wenig benutzt und mit Originalkoffer", stand und setzen meine sammelleidenschaft in Flammen. Also sofort die Berliner Nummer gewählt. Nach vier Mal klingeln meldet sich eine Frau und reißt mich herbe aus meinen Träumen: "Ach aus Hamburg wollen sie kommen? Dann aber bitte heute", verlangt die verkäuferin und ergänzt ein bedrohliches "es haben schon soooo viele Interessenten angerufen...".

Ich glotze auf die Uhr. Es ist früher Nachmittag. Draußen regnet es und ich muss noch die Kinder aus der Kita holen. Heute noch nach Berlin? Nein, das ist nicht zu schaffen. Ich rufe die Frau nochmals an, sage ihr zu, dass ich das Rad auf jeden Fall nehme und biete ihr an, gleich das Geld dafür zu überweisen. "Nein, nein, das möchte ich nicht. Sie können das Rad leider nicht haben." Mist, Mist, Mist. Nur schwer finde ich mich mit dem Gedanken ab, mir kein Auto Velo zu Weihnachten zu schenken. Wieder ein trauriges Kapitel im verzweifelten Buch der verpassten Kaufgelegenheiten.

Dann fällt mir ein, dass ich ja einige Leute in Berlin kenne. Und sogar Leute, die man spontan um einen merkwürdigen Gefallen bitten kann. Zum Beispiel Tina. Tina wohnt und arbeitet in der Hauptstadt, eine überzeugte Prenzelbergerin. Tipp, tipp, tipp, tut tut tut... - "hallo hier ist Tina", trompetet es aus meinem Hörer. Zu erst den nötigen Smalltalk: "Wie geht's? Habt ihr gutes Wetter? Was macht der Job?" Dann die flehende Bitte: "Du Tina, hast Du heute noch Zeit....?" Schweigen! Könntest Du was für mich im Norden von Berlin abholen? Immer noch schweigen. Hoffnung keimt auf. Tina liebt Fahrräder. Und Tina macht auch Unmögliches wahr. Tina räuspert sich und holt Luft. Freude weicht Verzweiflung: "Du, ich bin in Kiel, fahre erst in ein paar Tagen zurück", sagt sie mit schwerer Stimme.

Eigentlich mag ich Kiel, habe sogar zwei Jahre an der Förde gelebt und die Borowski-Tatorte sind mit die Besten. Aber jetzt hasse ich Kiel. Dieses blöde Küsten-Kaff. Warum muss Tina ausgerechnet heute da sein? Und warum hat die Ostsee das Nest nicht schon lange überflutet? Wir haben doch Klimawandel oder? Dann, ja dann, wäre Tina heute in ihrer muckeligen Prenzelberg-Altbauwohnung und nicht am falschen Ort.

Abgehakt! Aber mein Hirn arbeitet weiter. Ich kriege Kopfschmerzen. Wer ist noch in Berlin? Carsten? Nee, nicht mehr. Und selbst wenn, Carsten hätte bestimmt Besseres zu tun als ein Wirtschaftswunder-Stahlgebilde mit Pedalen aus einem EFH-Keller am Rande von Berlin abzuholen. Thorsten? Ja, Thorsten! Dem habe ich doch mal Kinderfahrräder nach berlin chauffiert. Als Gegenleistung gab es einen Kasten Premium-Bier. Also Thorsten ist ein guter Kandidat. Und Thorsten ist sofort in der Leitung als ich ihn anrufe. Doch dann wieder Enttäuschung: "Nee, das ist sehr weit weg von meiner Wohnung. Kein Auto, komplizierte S-Bahn-Verbindung..." - okay, ich will Thorsten nicht weiter quälen. Thorsten hat eben auch noch nie was von einem Auto Velo gehört.

Bleibt Fabian. Fabian? Klar Fabian. Fabian gehört zu jener Sorte Freunden, denen kein Umweg zu weit ist. Fabian wohnt zwar bei hamburg, pendelt aber regelmässig mit dem Auto zur Arbeit nach Berlin. Tipp, tipp, tipp - Mist, nur Mailbox. ist bestimmt in einem Meeting oder so. Aber seine Frau ist meistens gut erreichbar: "Hallo Laura, ist Fabian gerade in Berlin?""Nee, ist morgen." Verdammt, das gibt es doch nicht. Aber Laura ist ein Engel und verspricht, einen Boten aufzutreiben. Die klate Hoffnung wird wieder wärmen.

Was folgt ist ein längerer Dialog von WhatsApp-Nachrichten: "Meine Freundin macht das, kann aber erst später am Abend." Das ist leider zu spät. Also soll ihr Mann einspringen. Der ist aber momentan nicht erreichbar. Ich blicke auf die Uhr. Es ist halb fünf am Nachmittag. Die zeit rennt mir weg.

Und dann schießt es mir in den Kopf: Thomas! Thomas ist ein Fotograf den ich seit der Wende kenne und schätze. Und Thomas hat eine ausgeprägte Fahrrad-Macke. Und er wohnt seit Ewigkeiten in Berlin. Tatsächlich passiert doch noch ein kleines Weihnachtswunder. "Hallo, was kann ick für Dich tun", fragt Thomas mit einem hauchfeinen Berlin-Slang. "Du könntest für mich eine kleine Fahrrad-Antiquität abholen und bezahlen.""Klar, mach ich. Schick die Adresse, dann fahre ich gleich los." Wahnsinn, Thomas ist der Retter des Auto Velo. Was für ein Glück. Sofort funke ich ihm die Adresse und melde mich danach bei der Verkäuferin: "Abholer ist auf dem Weg und in einer Stunde da." Der deal über rund 300 Kilometer ist perfekt. Zwei Stunden später schickt Thomas ein Foto vom Auto Velo, das jetzt in seinem Kofferraum liegt. Heilg Abend kann kommen.

Zwar dauert es noch ein paar Wochen, bis das Bike sein neues Zuhause erreicht. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Als Shuttle-Fahrer kommt dann doch noch Fabian zum Einsatz, der das Auto Velo bei Thomas abholt. Solche Freunde machen einfach Freude. Danke Jungs! Euer Einsatz hat sich gelohnt.

Denn auf der Straße habe ich noch nie ein Auto Velo gesehen, nur in Museen wie Räder unter Reet bei Elmshorn oder beim Radherren in Abenberg. Kein Wunder, denn was die Fahreigenschaften angeht, so bekommt das kleine Rad damals wie heute mehr Kritik wie Lob. "Nur für Kurzstrecken geeignet", ist eine der gängigen Beschreibungen.

Nun ja, was sonst. Ein Koffrraumrad will ja nur vom Parkplatz in die nächsten Innenstadt oder zum Festivalgelände gefahren werden. Und dafür ist es ziemlich gut geeignet. Ach, was schreibe ich? Schlechter als mein Bickerton fährt es sich auf keinen Fall. Auf Strecken bis fünf Kilometer lässt es sich anständig cruisen. Klar, man sitzt aufrecht und normalgroße Menschen treten in eher angewinkelter Beinhaltung. Aber wenn schon! Mich begeistert die konstruktive Idee des Auto Velo und könnte mir eine moderne Neuauflage in Alu oder gar Carbon als echtes Luxus-Minibike für den Porsche-Kofferraum gut vorstellen. Also Zuffenhausen, übernehmen Sie!

Meine Fahrrad-Wunschliste: Wer verkauft diese Velos?

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Raritäten gesucht! Wer Fahrräder sammelt, spezialisiert sich in der Regel auf ein Gebiet. Bei mir ist dieses recht breit angelegt. Vielleicht hat ja irgendjemand die Bikes, die ich in diesem Post nenne, zu verkaufen oder kann vermitteln.
Fahrräder sammeln ist eine feine Sache und oft Beschäftigung älterer Herren, die seltene Vorkriegs-Velos von Miele, Wanderer und Dürkopp horten. Zu Stadtjubiläen oder Dorffesten wird das historische Altmetall gerne mal um den Kirchturm pedaliert. Manchmal kommt so eine Sammlung auch im ausgedienten Feuerwehrhaus unter und firmiert dann als Fahrrad-Museum. So weit das verbreitete Klischee.

Auch ich bin Sammler, hatte irgendwann angefangen Klapp-, Bonanza-, Renn- und Miniräder in meiner Garage aufzubewahren. Bis diese zu voll wurde. Einige Schätzchen musste wieder gehen, nur um anschließend von zwei anderen ersetzt zu werden. Statt leerer wurde es noch voller. Man kennt sie ja, die Fahrradsammler-Formel n+1.

 Also muss eine neue Sammel-Strategie her. Darum veröffentliche ich an dieser Stelle meine (momentane) Hitliste jener Fahrräder, die ich gerne in meinem Fuhrpark hätte. Wer weiß? Vielleicht hat ja jemand diese Räder und möchte sie verkaufen oder tauschen.
 

Hercules 2000

Eine 60er Jahre Ikone. gefertigt von den Hercules-Werken in Nürnberg aus Stahlpressblech. Ich mag einfach den eleganten Kreuzrahmen und die Anmutung mit dem geschwungenen Art-Deko-Gepäckträger.













Neckermann Klapprad

Auch ein Kreuzrahmen mit 26 Zoll-Rädern, auch aus Stahlblech gepresst ähnlich wie die Moppeds aus jener Zeit. Das Neckermann-Rad finde ich designmässig auch wunderschön und es ist außerdem klappbar. Wer eines verkaufen will, bitte melden.












Subaru 2WD-MTB

Quelle: Embacher Collection
Dieses Oldschool-MTB hätte ich gerne wegen seiner einmaligen Technik. Es hat nämlich Allradantrieb. Von hinten treibt eine lange Kette über eine Umlenkung das Vorderrad an. War wohl eher ein Marketing-Gag um das Allrad-Image der japanischen Automarke zu stärken. Fahren und besitzen würde ich es trotzdem gerne.







Moulton Stowaway

Ja, ich besitze ein 64er Moulton im Originalzustand. Es trägt viel Patina, fährt sich aber super. Gerne würde ich der Fix-F-Frame-Version ein Stowaway als Partner dazu stellen. Denn ich habe eine Schwäche für Falt-, Klapp- und Steckräder. Und da das Stowaway zu den selteneren Moultons zählt, entspricht es ziemlicch genau meinem Beuteschema.


















Brompton

Das Brompton mit seinem Erfinder Andrew Ritchie
Das Brompton gilt gemeinhin als das beste Faltrad der Welt. Grund genug, sich eines zu wünschen. Die Dinger sind teuer. Mein bevorzugtes Exemplar wäre ein Brompton aus den ersten Produktionsjahren aus den frühen 80ern wie es hier auf dem Bild von Brompton-Erfinder Andrew Ritchie gzeigt wird














Katakura Porta Cycle

Quelle: Embacher Collection
Ganz weit oben auf meiner Favoritenliste: das Katakura Porta Cycle. Der Japaner stammt aus den 60er Jahren und wurde für südvietnamisische Truppen entwickelt, sagt zumindest die Legende. Ich mag das Design, die Details, die Technik und qualitativ soll das Rad ausgesprochen hochwertig sein. Also, wer eines hat, möge sich melden...









Peugeot PX10

Ich habe schon eine ganze Reihe von Peugeot-Rennern im Fuhrpark gehabt, meistens die populären Massenmodelle aus Billigrohr. Das Spitzenmodell PX 10 dagegen war eine echte Profimaschine aus 531 Reynoldsrohr. Der Rahmen ist also sehr leicht.








Gios Torino

Für mich ist das Gios das ultimative Vintage-Rennrad. Bitte im satten Azzuro-Farbton und mit Campa-Ausstattung.











Dahon California, Series 1

Dahon ist der größte Faltrad-Hersteller der Welt. Erfinder Dr. David T. Hon hat im Alleingang eine bemerkenswerte Konstruktion auf die Räder gestellt und damit Geschichte geschrieben. Inzwischen besteht das Modellportfolio aus einer Vielzahl von Falträdern. Was ich suche? Den Urtyp von 1984 natürlich.











Di Blasi R20 oder Avia

Gesucht: das erste Di Blasi-Faltrad aus den späten 70ern oder der Nachfolger R20 von 1984. Das Di Blasi ist für mich ein echtes "must have"-Fahrrad, denn es gehört zu den technischen Meilensteinen der Faltbikes.












Bridgestone Picnica

Noch ein Falrad, ein sehr spezielles. Dads Picnica von Reifenhersteller Bridgestone hat einen Riemen statt Kette. Auch der Rest ist ungewöhnlich. Es fällt quasi flach auf den Boden und bildet beim Transport ein eher langes Paket. Meiner Klappradleidenschaft kommt das ungewöhnliche Modell esehr entgegen.









To be continued. n+1 eben!

Aus dem Fuhrpark XIX: Das kommt mir spanisch vor

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BH Bicicross: Mix aus Bonanza- und BMX-Rad. Vorderer Spritzschutz fehlt leider. Habe ich inzwischen aus einem weissen Wassereimer selber gebastelt

Der Name sagt eigentlich schon alles: Bicicross. Übersetzt heißt das etwa so viel wie Geländefahrrad. Mit diesem Bike stellte die spanische Firma BH in den 70er- und 80er-Jahren einen interessanten Hybriden aus Bonanzarad und BMX-Maschine her. Kürzlich konnte ich ein Exemplar von einer Hamburgerin erstehen, die es erst als Alltagsrad in Valencia, später auf St.Pauli nutzte.
Lange, sehr lange blickte ich auf die Bilder in der Kleinanzeige: Ein ziemlich ramponiertes, rotes Bicicross war da zu sehen. Ich grübelte: Ist das nun einfach ein weiteres Bonanzarad-Derivat oder schon ein echter BMXer. Irgendwie beides. Bananensattel, Sissybar und Fakefedern zur Zierde in der Doppelrohrgabel sind typische Bonanza-Stylingelement; der breite Lenker dagegen mit Verstärkungsquerrohr und Doppelklemmung beweisen eindeutige BMX-Anklänge.

Bonanza-Style: Bananensattel und Sissybar
Fakefedern machen auf Offraod-Feeling
Ganz klar: Das Rad ist stark vom Motorcross-Sport inspiriert, der in Spanien ziemlich beliebt ist. Vor allem die beiden kurzen und sehr leichten Kunststoff-Spritzschützer scheinen direkt aus der Motorradwelt übernommen worden zu sein - sie wirken sehr funktional. Der vordere fehlt an meinem Rad leider. Inzwischen habe ich mir aus einem weissen Wassereimer ein Ersatzteil geschnitzt. Stimmt farblich zwar nicht ganz, passt aber sonst ganz okay.

Aber das Bicicross bleibt ein Kinderrad. In höchster Sattelpostion komme ich mit der Geometrie besser klar als erwartet (1,85 Meter Körpergrösse). Für eine optimale Sattelhöhe fehlen nur ein paar Zentimter. Vielleicht sollte ich der Sissybar noch weitere Bohrungen am oberen Ende verpassen; ein bisschen Platz ist da ja noch.
BH steht für Beistegui Hermanos

BH-Logo auf Vorderradnabe
Das Fahrverhalten ist überraschend agil. Überraschend deshalb, weil das Bicicross spürbar wendiger fährt als ein normales Bonanzarad. Einen wichtigen Anteil daran dürfte der steife und breite BMX-Lenker haben.

Es gibt das Bicicross auch mit der typischen Bonanza-Schaltkonsole auf dem Oberrohr, mein Exemplar verfügt aber über keine Kettenschaltung, sondern ein Einfach-Freilaufritzel. Darum ist die erreichbare Endgeschwindigkeit eher mässig. Zum Schnellfahren gibt es Besseres.
Schöne Alubremsen mit Logo

Was mir bei der Überholung sofort angenehm auffiel ist die liebevolle Gestaltung der Anbauteile, Schrauben und Details. Fast überall ist die Buchstabenkombination BH zu entdecken: Bremshebel, Pedale, Kurbelschrauben, Gabelbolzen, Satteklemme, sie alle tragen das Firmenlogo.
Auch die Kurbelschrauben tragen BH

BH steht übrigens für Beistegui Hermanos, also Gebrüder Beistegui. Ab 1909 baute die Firma der drei Geschwister zunächst Waffen in Eibar. Später wurde der Laden für gute Rennräder und Mountaibikes bekannt, bot aber auch Bikes für die breite Masse an. Vor allem im Profi-Radrennsport ist das Kürzel BH eine fast schon legendäre Marke, die zahlreiche Erfolge, besonders bei der Vuelta Espagna einfuhr.

Sogar die Bremsgummis sind mit BH gekennzeichnet

Mit dem Bicicross hat sich BH einen besonderen Gedenkstein der Fahrradgeschichte gesetzt; einen, der wie kein anderer den Übergang des Angeber-Bonanzardes zum echten Sportgerät BMX dokumentiert.

Ikea-Fahrrad: Sladdas trauriges Ende

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Gerissener Antriebsriemen von Conti am Ikea-Fahrrad Sladda

Ikea ruft sein Fahrrad Sladda wegen defektanfälliger Antriebsriemen zurück, zahlt Kunden den vollen Kaufpreis retour und steigt aus dem Fahrradgeschäft wieder aus. Das ist in dreifacher Hinsicht schade und bemerkenswert: 
-Erstens trifft Ikea keine Schuld, sondern Zulieferer Continental.
-Zweitens hätte Ikeas-Fahrrad-Engagement mehr Menschen aufs Fahrrad bringen können.
-Und Drittens kommt der oft gelobte Antriebsriemen in die Kritik.
Zu recht! Denn gerissene Riemen sind keine Seltenheit.
Als Dauertester des Sladda wusste ich es schon lange: Ikea hat ein Qualitätsproblem mit seinem Fahrrad. Bereits vor Monaten verschwand das Sladda klammheimlich von der Homepage des Möbelgiganten. Auf telefonisch Nachfrage war zu erfahren: "Momentan nicht lieferbar. Nähere Infos folgen." So eine Auskunft kann in der Regel zwei Gründe haben: Das Sladda verkauft sich prächtig und die Produktion kommt nicht hinterher. Oder das Rad hat Qualitätsprobleme.
Für die Montage eines neuen Riemens muss der Rahmen geöffnet werden

Es sollte sich um Letzteres handeln wie ich kurz darauf persönlich erfahren durfte. Mit meinem Sladda pedalierte ich eine kurze Steigung empor; genauso wie schon viele Male zuvor. Nicht langsam, aber auch nicht mit vollem Krafteinsatz oder im Wiegetritt. Grob geschätzt dürfte meine Trittleistung bei rund 250 Watt gelegen haben. Und dann ist es ganz plötzlich passiert: Ein vernehmbares Knacken kommt von unten und ruckartig rauscht die rechte Pedale ins Leere. Zum Glück kann ich aus dem Sattel springen und lande mit beiden Füssen auf dem Boden, um mich und Fahrrad abzufangen. Das hätte auch anders ausgehen können.

In mindestens elf Fällen ist genau das passiert und es ist laut Ikea zu mehreren Stürzen gekommen. Grund genug für den Möbelgiganten das Rad heute zurück zu rufen. Für immer. Ersatz wird es nicht geben. Einen Nachfolger wohl auch nicht. Nur 400 Exemplare wurden in Deutschland verkauft. Das musste Ikea im Zuge des Rückrufs jetzt wohl eingestehen. Ein ziemlicher Flop also und kein Wunder, dass mehrere Anfragen von mir nach der Stückzahl stets unbeantwortet blieben.

Mein Riemenriss liegt nun auch schon ein paar Monate zurück. Damals hatte ich die Ikea-Hotline angerufen und erfahren, dass das Rad einen "Qualitätsstopp" hat, mir aber natürlich geholfen werden sollte. Und zwar so: "Lassen Sie das Rad bei einem Fachhändler reparieren. Wir übernehmen die Kosten." Da ich aber gerne selbst Hand anlege, machte ich mich im Internet auf die Suche nach einem Ersatzriemen.
Wenig zugfest: Conti-Antriebsriemen CDS nach Befahrung einer Steigung. Der plötzliche Riss kann zu stürzen führen

Eine enttäuschende Idee. In genau einem Onlineshop wurde ich fündig. Preis: fast 100 Euro. Und auch über Fahrradhändler war kein Contiriemen zu bestellen. Warum nicht? Wie lange weiß Conti schon von den Problemen? Rein optisch sieht so ein Fahrrad-Riemen nicht viel anders aus als die Zahnriemen für die Ventilsteuerung im Auto. Und diese Dinger kosten etwa zwölf Euro. Was, bitte schön, macht einen Riemen fürs Fahrrad so teuer?

Trotzdem habe ich mir den Riemen aus dem Internet schicken lassen, ihn verbaut und fahre seitdem damit. Aber die Angst rollt mit: Wann wird er wieder reissen? Denn offensichtlich hat Zulieferer Continental ein massives Haltbarkeitsproblem mit dem Beltdrive. Dabei wurde das Produkt von  Conti-Drive-Systems (CDS) bei der Markteinführung von Fahrradmedien gefeiert. Der gezahnte Polyurethan-Riemen wird durch längs verlaufende Aramidfaserstränge angeblich "absolut zugfest".
So sieht der Conti-Riemen im Neuzustand aus. Dieser hat die Länge 1400 mm. Er wird in Deutschland hergestellt. Warum auch das trendige Wort "Carbon" auf den Riemen gedruckt wird, erschließt sich nicht 

Von wegen! Die Fahrradforen sind voll mit Berichten von gerissenen Antriebsriemen. Stark betroffen ist offenbar der deutsche Versender Canyon, der deutlich weniger kulant mit seinen Kunden umgeht als Ikea. Dort werden Betroffene nur auf einen langfristigen Reparaturtermin vertröstet. Eindeutig scheint Conti mit seinem Beltdrive mehr Probleme zu haben als Konkurrent und Riemenpionier Gates. Hilft hier die Erfahrung aus dem Motorradbereich? Unter anderem donnern Harleys mit Gates-Riemen durch die Gegend. Anders als das Contiprodukt mit acht Millimeter Breite misst der Gates-Riemen zwölf Millimeter. Das macht offenbar einen wichtigen Unterschied. Auch bietet Conti sein Beltdrive-System in unterschiedlichen Güteklassen an. Der Ikea-Riemen entstammt der "Eco"-Linie, also der günstigeren Variante, wobei ich hier nur Abweichungen bei den Zahnscheiben ausmachen konnte; nicht bei den verbauten Riemen.

Fakt ist: Der von vielen gefeierte Antriebsriemen fürs Fahrrad bekommt einen Dämpfer. Den Vorteilen (leise, wartungsarm, leicht, sauber) stehen nun nicht nur die Kostennachteile entgegen, sondern auch die Dauerhaltbarkeit und Extremlast-Problematik. Außerdem haben engagierte Reiseradler wissenschaftlich nachgeprüft, dass Riemenantriebe durch ihre Spannung und Reibung weniger effizient antreiben als die gute alte Kette.

Aber was viel schlimmer ist: Mir hat das Ikea-Rad insgesamt gut gefallen. Es bietet eigentlich einen wirklich guten Gegenwert fürs Geld, sinnvolles und praktisches Zubehör und wäre dank der Markmacht von Ikea ein tolles Instrument gewesen, unbeschwertes Radfahren zumindest auf Kurzstrecken populärer zu machen. Von den Kulanzangeboten des schwedischen Unternehmens ganz zu schweigen. Alles, was jetzt von Ikeas-Fahrradabenteuer bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack nach dem Motto "Schuster bleib bei..." und so weiter. Nein, ich finde das hat Ikea nicht verdient. Schadenfreude ist fehl am Platz. Vielleicht zeigt das Unternehmen ja doch Mut und bringt irgendwann erneut ein Bike auf den Markt. Beim Thema Möbeltransport per Lastenrad bleibt Ikea ja innovativ. Bald soll es auch den Lastenanhänger von Nüwiel aus Hamburg-Harburg dort zur Ausleihe geben.

Nur eine Frage hätte ich noch an Ikea: Was passiert mit den zurück gegebenen Sladdas? Bitte nicht verschrotten! Dafür sind sie zu schade. Eine Umrüstung auf Kettenantrieb ist kein großes Problem. Dann können sie refurbished wieder auf dem Markt. Oder sie werden gespendet für diejenigen, die gut ein gutes Fahrrad gebrauchen können. Oder....


Fahrradwochenende in Hamburg: viel Action, wenig Koordination

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Die Velo Hamburg etabliert sich als wichtige Fahrradmesse und bekommt viel Lob. Trotzdem bleibt noch Luft nach oben. Vor allem an der Koordination mit anderen Fahrrad-Events am gleichen Wochenende hapert es.
Am Wochenende fand zum zweiten Mal die Velo Hamburg statt. Ein Erfolg. Da sind sich fast alle einig. 8000 Besucher wollen die Veranstalter an zwei Tagen gezählt haben. Das ist ordentlich.

Vor allem der Medienpartner Mopo feiert die Bike-Messe auf dem Parkdeck und Außenbereich der Rindermarkthalle an der Feldstraße. Ist ja auch logisch, dass man seine eigene Veranstaltung gut findet. Und in der Tat macht die Velo viel richtig:
+Zentrale Location
+Professionelle Orga
+Vielfältiger Aussteller-Mix
+Gutes Gastro-Angebot
+Vortrags- und Rahmenveranstaltungen

Aber als Journalist bin ich natürlich derjenige, der die Haare in der Suppe sucht; Profinörgler so zu sagen. Und da sind mir ein paar Dinge aufgefallen, die verbesserungswürdig sind:
-Schlechte und zu laute Akustik im Hallenbereich
-Indoor-Testparcour zu kurz
-Standarchitektur lieblos
-Keine Koordination mit anderen Fahrradveranstaltungen am gleichen Wochenende

Die Damen von Nüwiel hatten sichtlich Spaß auf der Velo
Vor allem letzteren Punkt halte ich für verbesserungswürdig. So bildete die Critical Mass (CM) am Vorabend der Messereröffnung eigentlich einen perfekten Auftakt fürs Messegeschehen; kommuniziert wurde die große Abendtour durch Hamburg gar nicht oder nur sehr zögerlich. Natürlich ist die CM eine Guirilla-Veranstaltung, die für sich steht. Aber warum nicht diese Regel einmal brechen und als offiziellen Velo-Nightride deklarieren? Dadurch muss die CM nicht automatisch einen kommerziellen Touch kriegen. Ich war übrigens von der Teilnehmezahl (rund 3000) eher enttäuscht. bei solch schönem Wetter hatte die CM schon mal deutlich mehr Starter. Vielleicht ist ihre große Zeit ja auch abgelaufen. Um so mehr ein Grund, sie zu reformieren.
Für Kinder gab eigene kleine Rennen auf Laufrädern

Parallel zur Velo fand auf Entenwerder das Futur2Festival statt. Auch dort wurde Rad gefahren. Allerdings ohne sich von der Stelle zu bewegen. Zehn Longtail-Transporträder sorgten als Stationärbikes für die Stromversorgung der Bühne. Eine sehr charmante Idee für nachhaltige Musikveranstaltungen. Ein Hinweis auf die Velo in rund 10 Kilometern Entfernung? Fehlanzeige!

Strampeln für Strom: Future2Festival auf Entenwerder
Und auch auf der Velo fehlte jede Bekanntmachung zum Thema Fahrrad-Musikfestival. Dass sich hier ein extrem fahrradaffines Publikum versammelte, war offensichtlich. Die Fahrradgarderobe und auch alle anderen Stellplätze waren ausgebucht. Von der Velo hätte man ab 18 Uhr wunderbar einen Socialride nach Entenwerder anbieten können - die Chance wurde vertan.
Gut getroffen: Fahhradfahren macht sichtlich Spaß. Auf einem Tandem sogar doppelt

Auch die Rahmen der Velo angebotene Oldtimer-Fahrradtour hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Mehr als die rund zehn Teilnehmer sollte die Millionenmetropole Hamburg schon hinkriegen.

Am Sonntag dann fand keine drei Kilometer von der Rindermarkthalle die Fietsenboerse auf dem Spielbudenplatz statt. Das Thema "Gebrauchtfahrräder" finde ich sehr wichtig und eine ideale Verlängerung fürs Messekonzept. Warum fand die "Fietsenboerse" nicht auch in oder an der Rindermarkthalle statt. Dass die Veranstalter von Velo und Boerse hier zusammen arbeiten liegt auf der Hand. Warum nur wurde die Win-Win-Situation nicht genutzt. Ein Jammer!
Die Drecknecks mischen die Hamburger Fahrradkultur auf










Zeitgleich zur Velo fand auf dem Spielbudenplatz die Fietsenboerse statt. Warum wurde das nicht besser koordiniert?

Cyclassics 2018: St-Pedali mit neuem Streckenrekord

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GettyImages: Profis kennen keine Reifenpannen
Schon zum 23. Mal fanden die Cyclassics in Hamburg statt. Genau so lange versuche ich, meine persönliche Bestmarke aufzustellen: die vier vor dem Komma! Gestern hat's geklappt. Ich habe einen neuen Streckenrekord geschafft. Und der wird sicherlich lange Bestand haben.
36,4 km/h, 37,7, 38,8, 39,3 Kilometer pro Stunde - ja, es gab Jahre, da war ich einigermassen fit und bin mit ordentlichem Durchschnittstempo durch den Torbogen auf der Mönkebergstrasse gerauscht. Nur die vier vor dem Komma, also die magische 40er-Marke wollte nie fallen. Verdammt nochmal. Die 40er-Schallmauer muss doch zu knacken sein.

Einmal hat es dann geklappt; ganz kurz. Das war in Berlin. Vierzigkommairgendwas war da hinter meinem Namen beim inoffiziellen Rennergebnis vermerkt. Das wurde aber schnell wegen einer Steckenverkürzung geändert. 39,89 km/h steht da nun für das Jahr 2012 in den digitalen Velothon-Analen. Verdammt nochmal! Wieder nichts. Und außerdem nicht in meiner Heimat Hamburg. Vierzig Kilometer pro Stunde im Schnitt -  das blieb mein großes, heimliches Ziel. Bitte, bitte lieber Radsportgott, lass mich nur einmal mit einem 40er-Schnitt über die 100 Km-Strecke heizen. Man wird ja nicht jünger. Und dann sind da auch noch die Kinder. Und...

Gestern dann war es so weit: ein neuer Rekord! Eine Bestmarke für die Cyclassics-Ewigkeit. Leider war's kein 50er-Schnitt; auch nicht der ersehnte 40er. Nein, nein, nein! Die vier vor dem Komma steht für die Zahl meiner Reifenpannen. Vier Mal musste ich anhalten, Rad auf den Kopf stellen, Hinterrad ausbauen, Mantel abschälen, defekten Schlauch raus, neuen rein, Decke raufpulen und dann? Pumpen, pumpen, pumpen. Gut 200 Hübe mit meiner Mini-Rennradpumpe sind nötig, um etwa vier bar Druck in den Reifen zu kriegen. Echt kein Spaß.

Dabei hatte alles so gut angefangen: Start mit meinem Kumpel Matthias an der Alster irgendwo auf Höhe des Fahrradzählers. Gute Laune im Block G, warm, bewölkt - perfektes Rennwetter. Dass der 40er-Schnitt heute nicht fällt ist mir klar.

Handicap eins: Viel zu wenig Training; längere Strecken mit Tempointervallen schon gar nicht. Statt dessen nur ein paar Hausrunden im Biergarten-Tempo. Und dort endeten die Vorbereitunsgfahrten auch jedes Mal. Flüssigkeitshaushalt wieder in Ordnung bringen - immer mit Craft Beer aus der Bunthaus-Brauerei. Rennradfahren soll ja Spaß machen.

Handicap zwo: Schon lange nicht mehr im Rennrad-Gruppenmodus unterwegs gewesen. Denn die vergangenen vier Cyclassics bin ich mit allem möglichen gefahren, nur nie mit dem bevorzugtem Cyclassics-Radtyp: Klappi, Fatbike, Moulton, Vintage-Renner, alles dabei, nur kein modernes Rennrad mit mehr als zehn Gängen. Und dieses Mal solltes es eigentlich ein Bonanzarad werden. Das wurde aber nicht fertig. Darum endlich mal wieder meine alte Trek-Rennfeile rausgeholt.

Erst vor kurzem habe ich sie von der Wand in meiner Garage gepflückt. Sieht doch noch gut aus. Schaltet noch. Bremst noch. Lenkt noch. Schnell noch Klickpedale ran und Luft auf die Reifen. Die sehen auch noch gut aus. Auf den ersten Blick zumindest. Nun gut, die Bontrager-Pellen im 23er Maß sind bestimmt schon zehn Jahre alt, aber drehen wir mal eine Runde. Ergebnis: super! Der Renner fährt sich gut, präzise beim Einlenken, kräftig in der Verzögerung. Vor dem Rennen kann ich ja noch die beiden neuen Conti-Reifen raufhauen. Gedacht, aber nicht gemacht.

Denn dann ist der 19. August schneller da als erwartet: Raceday. Und nun stehe ich hier (mit alten Reifen und noch älterem Rennrad) zwischen mehr als 15000 Rennradfahrern mit frischem und oft sauteurem Carbonmaterial. So ein Kohlefaserbike sieht aus als wenn man damit eigentlich nicht langsamer als einen 40er-Schnitt fahren kann - vielleicht sollte ich doch mal Geld in die Hand nehmen und...

Und dann reißt mich der Startschuß aus meinen Anschaffungsträumen. Los geht's. Und wie: Links fliegen die Mundsburghochhäuser vorbei. Blitzschnell am Statdpark vorbei, schon sind wir in Bramfeld, Rahlstedt und Ahrensburg. Läuft echt gut. Ich schätze Schnitt so um die 40 km/h. Sollte es vielleicht doch noch klappen? Ich fange trotz Rennstreß wieder an zu träumen.

Wo ist Matthias? Abgehängt. "Wir fahren zusammen", so unsere Abmachung. Hat offenbar nicht lange gehalten. Meine Schuld. Ich habe mich an einen Expresszug gehängt. Was wird in der Ergebnisliste stehen wenn das so weiter geht? Etwa eine 40? Eine vier vor dem Komma? Nee, wahrscheinlicher ist ein 37er- oder mit Chance 38er-Schnitt. Wenn alles so weit rollt wie bisher.

Panne Nummer 1

Tut es aber nicht. Meine Träume platzen buchstäblich bei Kilometer 27. Bis hierher habe ich einen Schnitt von 39,1 km/h wird mir meine Tracking-App später verraten. Doch dann ist da plötzlich dieses buttrige Gefühl im Hinterrad. Es federt plötzlich stärker auf Unebenheiten und wirkt labberig. Ein Blick bringt Gewissheit: Die Reifenflanken dehnen sich ungewöhnlich weit nach links und rechts: ein Schleicher ganz klar. Kaum gedacht spüre ich auch schon die ersten Schläge im Felgenbett. Arm nach oben, rechts ran und absteigen.

Ersatzschlauch? Nicht dabei! Das ist nur unnötiges Gewicht. Und meine Altreifen sind so alt geworden, dass sie doch niemals im Rennen schlapp machen... Wozu soll ich da einen Schlauch mitnehmen? Wer Rennrad fährt sollte schon etwas Gottvertrauen mitbringen. Motto: Wird schon halten. Und wenn nicht, ist ja immer noch Matthias da. Der hat immer alles dabei: Schlauch, Pumpe, Wasser, Navi-App, Geld... "Betreutes Radfahren", nennt er unsere Ausflüge gerne. Matthias hat darum viele Freunde im Radsport. Und es werden immer mehr.

Aber wo ist der Kerl jetzt? Jede Sekunde müsste er vorbei kommen. Konzentriert achte ich auf sein grünes Trikot und seinen geraden Lenker. Das zwingt ihn in Rennradpulks in eine aufrechte Sitzposition. So sollte er leicht zu erkennen sein. Theoretisch zumindest. Gleich muss er kommen. Er kommt aber nicht, ist wohl schon vorbei.

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Zwei mal rufe ich in die rasende Masse: "Hat jemand einen Schlauch?" Kopfschütteln und gestöhntes "nee" kommt als Antwort. So ein Mist. Nächster Gedanke: Wo bin ich? Übernächster: Wo ist die U-Bahstation? Nein, nein, nein, verdränge ich die bösen "Ich-gebe-auf-weil-kein-Ersatzschlauch-Gespenster" aus meinem Hirn. Und wer fest glaubt, dem wird geholfen. Nämlich von einem Motorrad. Die hat der Cyclassics-Veranstalter locker im Rennfeld verteilt. Unter anderem haben sie Rennradschläuche dabei. Noch nie habe ich einen kleinen Karton so dankbar aufgerissen wie diese mit einem Bibendium bedruckte Pappe. Was für ein schönes Stück Gummi.

Guten Mutes fingere ich die dünne Schlange in den Mantel, pumpe danach so stramm auf wie es geht, montiere das Hinterrad und weiter geht's. Ein schneller Zug zieht links vorbei. Prima, gleich wieder ranhängen. So darf das jetzt gerne bis ins Ziel gehen. Und vielleicht hole ich ja sogar noch Matthais ein.

 Panne Nummer zwo

Das sind Luftschlösser. Bei Kilomter 48 - das ist irgendwo bei Linau - rächt sich das vernachlässigte Hinterrad erneut an meiner Sorglosigkeit. Pffffffft! Dieses Mal verliert der Schlauch fast schlagartig seine Luft und verrät damit auch gleich die Ursache: Es wird die total abgefahrene Decke sein, die kleinen Kieseln und Steinchen nichts mehr entgegensetzen kann. Die Lauffläche zeigt an den besonders abgenutzten Stellen hässliche Flecken - Mantel-Masern sozusagen.
Meine erste Panne habe ich nicht fotografiert. Das hier ist die zweite.

Gleiches Problem, gleiches Prozedere: Rad raus, Reifen runter, neuen Schlauch her... Neuen Schlauch? Ach, da war doch was. Richtig, keinen Ersatz dabei. Wie gerufen kommt ein Motorrad. Aber das ist von der Polizei. Die haben keine Schläuche. Fragen wir mal wieder die Kameraden: "Habt ihr einen Schlauch?" Und tatsächlich: Einer hält, fummelt einen sorgfältig in einer Socke verpackten Schlauch aus der Satteltasche und sagt: "Ist 28 Millimeter breit und für meinen Crosser. Meinst Du der passt?""Klar passt er. Den kriege ich da rein", so meine Antwort. Vielleicht hat der Kamerad gehofft, dass ich die Gabe ablehne. Denn höflicherweise frage ich, was er kriegt. Erst Achselzucken, dann Gönnermiene. Ich verspreche ihm meine Hilfe, sollte uns der Fahrradkosmos jemals wieder zusammenführen. Auf jeden Fall rufe ich an dieser Stelle ein aufrichtiges DANKESCHÖN UND IMMER GUTE FAHRT dem unbekannten Helfere hinterher - ein echter Sportsfreund.

Während ich so repariere und mal wieder wie ein Irrer pumpe (200 Hübe...) hält ein Motorrrad. "Brauchste Hilfe". Nee, bin gleich fertig. Gerade will der Typ seine rote Yamaha wieder anwerfen, da rufe ich ihm zu: "Darf ich noch einen Schlauch haben?" Denn dass ich noch mindestens eine weitere Panne haben werde, ist so vorhersehbar wie der Besenwagen als Schlußfahrzeug. Dem zu entkommen ist mein neues Ziel. Kann ich schneller Reifen wechseln als der fährt? Ein spannendes Duell.

Panne Nummer drei

Und eines das immer dramatischer wird. Schon 4,5 Kilometer weiter der nächste Platten. Wieder mit einem gut hörbarem Pfffft! Der Rest ist Routine, und die wird immer schneller. Soll ja sowas wie eine Reifenwechsel-WM für Fahrräder geben. Ich bin jetzt ganz gut im Training. Nach rund fünf Minuten rolle ich schon wieder - doppelt so schnell wie bei der ersten Panne, weil ich einen Schlauch greifbar hatte. Gleich mal nach Ersatz fragen. Doch kein Motorrad und kein Safer Cycling Guide in Sicht. Die haben auch Gummis dabei. Mein inzwischen extrem wichtiges Zwischenziel ist die Verpflegungsstelle. denn hier, so meine Hoffnung, gibt es auch einen technischen Service. Und tasächlich schaffe ich die sieben Kilometer bis zu diesem Punkt pannenfrei.
Der Mann mit der Yamaha hatte einen Ersatzschlauch. Foto vom Sportkameraden

mit Crossschlauch leider nicht gemacht

Neben Gebäck, Getränken, Orangenhälften steht ein Shimano-Serviceauto samt Zelt und zwei freundlichen Mechanikern. Die haben alle vier Hände voll zu tun. An einem Ständer hängt ein Peugeot-Stahlklassiker, Typ Tourmalet. Offenbar will die Schaltung nicht mehr. Das sind Sorgen. Kann der Fahrer nicht mit Singlespeed ins Ziel fahren? Da gibt's viel Schlimmeres, Dauerplatten wie bei mir zum Beispiel. Trotz der Hektik nimmt mich einer der beiden Serviceengel freudig in Empfang. Kurze Problemschilderung, noch kürzerer Blick aufs Hinterrad und ein ganz langes Kopfschütteln. Aber keine Belehrung oder so. Nur ein vielsagender Blick: "Wie kannst du damit nur bei einem Jedermaannrennen antrteten?" Ja, ja, schon verstanden.
Der Shimano-Engel trägt blau und montierte mir einen frischen Michelin-Pneu. Das rettete mir die Cyclassics. DANKE!

Blitzschnell baumelt mein Trek ohne Hinterrad mit der Sattelnase an der Zeltstange. Denn beim Shimano-Trupp gibt es tatsächlich auch Decken - und das sogar gratis. Ich muss zwei Mal nachfragen, was der Schrauber-Held haben will. Tatsächlich nichts. Und es kommt noch besser: "23er oder lieber 25er?", fragt der Gute. Jetzt bin ich endgültig sprachlos. Ich kann mir sogar aussuchen, ob ich den Michelin Lithium 3 mit 23 oder 25 Millimeter Breite möchte. Verrückt! Ich betrachte das mal als kleine Entschädigung für mein Pannenpech. Richtig verdient habe ich das eigentlich nicht. Dann schickt er mich mit den Worten zum Essen: "Wir machen das schon. Fullservice." Mehr als verrückt.

Pannen Nummer 4

Jetzt, mit fabrikfrischem Hinterreifen, kann ja nichts mehr schief gehen. Von wegen. In Ohe, an einem kleinen Anstieg, verliert mein Hinterrad schon wieder Luft. Ich flippe gleich aus. So viel Pech kann man doch gar nicht haben. Was haben ich nur verbrochen? Mit der vierten Panne sind auch die bösen Geister wieder da: Wo bin ich? Wie weit ist es zur S-Bahnstation Reinbek?

Zum Glück ist da noch der ebenfalls erneut gesponsorte Ersatzschlauch. Der kommt noch rein. Und wenn der nicht hält, ist Schluß. Dann höre ich auch ganz auf mein dem Rennradfahren, ehrlich. Oder werde Profi. Die kriegen gleich immer ganze Laufräder in Sekundenschnelle getauscht. Oder setzen sich auf neue Räder wenn was nicht funktioniert. Und das Versager-10000-Euro-Superbike schmeiße ich dann mit viel Wut und Kraft in den Graben.

Als der letzte Schlauch unter der neuen Decke verschwunden ist und ich wieder 200 Mal gepumpt habe merke ich, das es ruhiger geworden ist. Keine großen Gruppen mehr. Nur noch Trios, Duos und viele Einzelfahrer. Die eiern oft in Schlangenlinien durch die Gegend. Was ist denn jetzt los? Neue Erkenntnis: Im letzten Viertel des Cyclassic-Feldes gibt es eine Disziplin die an Kunstradfahren erinnert: aufstehen, Füsse ausklicken, links schütteln, rechts schütteln, Kopf strecken, Radyoga in vielfältigster Form.

Hmmm, noch rund 25 Kilometer bis zum Ziel. Angesichts meiner zahlreichen Zwangspausen bin ich noch frisch, kann kraftvoll und rund treten. Doch der Wind bläst mir frisch ins Gesicht. Windschatten wäre echt nicht schlecht. Doch der ins nicht zu finden. Nirgends. Auf der B5 entdecke ich weit vor mir eine kleine Gruppe. Das wird mein Windschatten. Unterlenkergriff, zwei Gänge runter und Feuer. Zügig komme ich ran und fahre ein paar Minuten als Letzter. Aber nur kurz. 25 km/h oder so ist mir zu langsam. Links raus und als Alleinfahrer durch Billstedt, Hamm zum Hauptbahnhof. Kurz an der Alster lang, letzte Steigung im Valentinskamp und ab ins Ziel. Geschafft. Schnitt: 25 statt 40 km/h. Gelernt: jede Menge. Wiederholungsgefahr: null. Ich kaufe mir jetzt erstmal noch einen neuen Vorderreifen.

I'll be back Cyclassics. Eine Rechnung haben wir noch offen.






Stadtrad Hamburg mit neuen Modellen: Alles neu macht der Februar

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Jetzt aber Tempo! Nur noch bis zum Silverstertag kann man auf einem der rund 2500 Leihfahräder von StadtRad Hambug eine Runde drehen. Dann werden sie eingesammelt und wohl mehrheitlich verschrottet. Im Januar ist Pause. Call-a-bike-Räder stehen dann in Hamburg nicht zur Verfügung. Erst im Februar stellt der Betreiber brandneue Fahrradmodelle an die insgesamt 214 Stationen. Die haben einen tieferen, damit bequemeren Durchstieg und das Bediendisplay nutzerfreundlich am Lenker verbaut. So weit die nüchterne Nachricht.
Das neue Stadtrad wird von der Derby Cycle Group produziert


Doch es lohnt sich, einen genaueren Blick auf den Flottenwechsel zu legen. Vor allem frage ich mich: Was passiert mit den ausrangierten Alträdern. Die Antwort der Bahn-Pressestelle liest sich so:
"Ältere und nicht mehr betriebsbereite Räder werden demontiert und als Ersatzteilspender verwendet bzw. der Verwertung zugeführt. Bei den restlichen Rädern prüfen wir,  ob diese zur Ausweitung unserer bestehenden Fahrradverleihsysteme verwendet werden können."
 
Das Stationsnetz soll künftig kräftig wachsen

Letzterer Satz bedeutet, dass noch nutzbare Räder in anderen Call-a-bike-
Städten zum Einsatz kommensollen. Wo genau? "Im Sinne der Nachhaltigkeit werde eine Weiterverwertung geprüft. "Zum jetztigen Zeitpunkt können wir aber keine Details nennen", so die Bahn weiter.

Nun, das ist schade. Wenige Tage vorm Abschied der roten StadtRad-Flotte will die Bahn nicht wissen, wo und wie viele Räder sie weiter verwendet. Ich habe da meine Zweifel und fürchte, das die meisten Exwemplare, wenn nicht sogar alle in der Schrottpresse landen. Sorry, Nachhaltigkeit geht anders.
 
StadtRad wird teurer: Ab Februar steigen die Tarife

Die von den Panther-Werken produzierten StadtRäder sind quasi unverwüstliche Panzer. Sie stammen aus den Baujahren 2009 bis 2015. Vor allem die jüngeren Exemplare sind sicherlich noch länger nutzbar. Es wäre ein Jammer wenn noch intaktes Material vernichtet würde

-Warum verkauft oder versteigert die Bahn die Räder nicht kostengünstig?
-Warum sspendet die Bahn die Räder nicht einer Flüchtlinksorganisation wie Westwind?
-Warum spendet den Bahn die Räder nicht? Abnehmer in der 3.Welt gäbe es reichlich.

Fragen über Fragen. Doch statt Antworten findet man derzeit nur Lobeshymnen über die zukunftigen Räder, das es E-Lastenräder geben soll und das Stationsnetz ausgebaut wird. Und, ach ja, dass es eine Preisanpassung nach oben geben wird.

Eigentlich bin ich großer Fan von StadtRad Hamburg. Aber hier scheint der Betreiber eine wichtige Chance zu vergeben. Im Sinner der Nachhaltigkeit, aber auch aus rein ökonomischen Kalkül wäre hier eine resourcenfreundliche Lösung wünschenswert.

Sorry liebe Bahn, aber ich meine Zweifel, dass die in Hamburg ausrangierten einen zweiten Frühling in einer anderen Stadt erleben werden. Aber vielleicht täusche ich mich ja.

Neue Cargobikes bei StadtRad: Viel Lust, etwas Frust

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Sie sind da. Endlich. Seit ein paar Tagen bereichern 20 Lastenpedelec die Stadtrad-Flotte in Hamburg. Ich bin den Frachter aus dem "Heimathafen Wilhelmsburg" schon gefahren. Und bin begeistert. Überwiegend zumindest.

 

Erster! Kaum stand das Stadtrad-Cargobike mit Elektromotor an seinem Standort Vehringstraße Ecke Mannesallee, habe ich es mir für zwei Stunden ausgeliehen und erste Erfahrungen gesammelt. "Early Adaptor" nennt das der weltgewandte Digital Native. Offenbar ging es vielen wie mir: Laut Stadtrad-App war an der Neuankömmling an fast allen Lastenrad-Standorten, erkennbar am Cargobike-Icon, gleich nach dem Start tagelang ausgebucht oder nur sehr spärlich verfügbar. Oder waren die guten Stücke noch - oder schon wieder - in der Werft? Mehr dazu weiter unten...

Egal, ich hatte Glück und kann auf dem feuerroten, nagelneuen Lastenrad über die Elbinsel cruisen. So ein fabrikfrisches Cargobike ist herrlich. Aplles funktioniert leichtgängig, flott schiebt es mich Richtung Süden. Erster Stopp vor einem Containerlager. Ein passender Ort, um das gute Stück im Stand genauer unter die Lupe zu nehmen.


Design/Ausstattung
Ein Cargobike im traditionellen Long-John-Stil: kleines Vorder-, größeres Hinterrad, dazwischen eine praktische Transportkiste, hoher Lenker für eine aufrechte Sitzposition. Das Ganze ist aus ziemlich massiven Alurohren und -profilen zusammengefügt. Praktische Trittbretter erleichtern kleinen Passagieren den Zugang zum Sitzbereich. Dort warten zwei gut bedienbare Sicherheitsgurte auf die Mitfahrer.

Geschaltet wird mit einer 7-Gang-Shimano-Nabe, den Strom fürs Licht erzeugt ein Nabendynamo, ebenfalls von Shimano. Spannend ist die Mischbereifung: Der vordere dicke 20 Zöller kommt von Schwalbe, hinterm Sattel dagegen dreht sich ein Pneu von Michelin mit 26 Zoll aus Frankreich. Wie auch immer, das Rad fällt mit seiner grellen Lackierung auf und sieht Blicke an. Genau das ist sicherlich ganz im Sinne der Stadtrad-Manager, die sich über den Werbeeffekt freuen werden. Aber wer ist eigentlich der Hersteller des neuen Flagschiffs in der Stadtrad-Flotte?


Das verrät ein silberner Aufkleber auf dem Sattelrohr. Velofaktur steht da. Die Firma aus Hüllhorst bei Bielefeld wächst rasant und hat sich auf Mobilitätslösungen spezialisiert. Zu denen gehört eben auch zunehmend Lösungen für Bikesharing-Anbieter. Und jetzt offensichtlich auch die Bereitstellung und die Infrastruktur für die Stadtrad-Cargopedelecs. Wer das Lastenrad genau anschaut wird gewisse Ähnlichkeiten zu den Fahrradmodellen der Firma i:SY entdecken. Kein Wunder, denn der ehemalige Kopf der i:SY-Modelle Martin Kuhlmeier arbeitet jetzt neben Rüdiger Wiele als Geschäftsführer bei Velofaktur. Gut was er als i:SY-Mastermind an Expertise mitgenommen hat, denn das Rad möchte ich als durchweg gelungen bewerten. Besonders auch was die Fahreigenschaften betrifft.

Fahreindruck
Kurz gesagt: leise! Der Mittelmotor wird nur an Steigungen und schnellen Trittbewegungen hörbar. Ansonsten ist das Rad angenehm ruhig. Das verdient Respekt, denn motorisierte Lastenräder neigen schon mal dazu, die Motorgertäusche durch Resonanzen der Transportbox zu verstärken. Satt liegt das Rad auf der Straße, lenkt bauartspezifisch eher träge ein, hat aber einen vertretbaren Wendekreis. Geübte Fahrer können sogar auf einem breiteren Radweg wenden, ohne abzusteigen. Darum: Das Rad ist durchaus auch für Anfänger geeigent. Wer keinerlei Erfahrung mit Lastenrädern hat, sollte erst etwas üben, dann werden Novizen schnell damit klar kommen.

Hinten Rollenbremse. Schibe wäre besser
Eine Regelung der elektrischen Unterstützung gibt es nicht. Der Motor hilft je nach Trittbewegung mit identischer Intensität. Vorne verzögert eine kräftige Scheibenbremse, hinten erstaunlicherweise nur eine Rollerbrake, die im Bremsgriff auch prompt jenes elastische, gummiartige Dosierungsgefühl hinterlässt. Eine Scheibenbremse wäre mir hier lieber. Vor allem dann, wenn die 45 Kilo Zulasung mit zwei Kleinkindern an Bord voll ausgeschöpft wird. Der Zulieferer des Motors ist leider nicht identifizierbar; einer von Bosch ist es jedenfalls nicht. Ich tippe eher auf Brose.

Nutzwert
Hoch! Für Einkäufe wie schwere Getränkekisten, sperrige Palmen vom Fischmarkt, Farbeimer aus dem Baumarkt gibt es nichts Besseres. Auch meine beiden Jungs (2 und 4 Jahre) fühlen sich an Bord pudelwohl. Auf dem geschwungenen, stadtradtypischen Gepäckträger finden darüber hinaus weitere Gegenstände Platz. Oder verbotenerweise ein weiterer Mitfahrer, wie oft auf den normalen Stadträdern zu sehen ist.






Kosten
Wie die normalen Stadträder sind die ersten 30 Minuten kostenlos, danach fallen für das Lastenpedelec 10 Cent pro Minute an. Die Tagesgebühr für 24 Stunden beträgt 24 Euro. Das sind absolut faire Preise. Die 30 Minuten Gratis-Phase dürften in der täglichen Praxis bedeutungslos sein. Wer fährt schon so kurz mit einem Frachtfahrrad? Zumal die Pedelecs immer an die gleiche Ausleihstation zu retounieren sind. Wahrscheinlich werden sich viele Nutzer die Tagesausleihe gönnen.






Probleme
84 Prozent: Auch diesesRad lädt offenbar nicht
Leider ja. Ganz offensichtlich funktionieren die Ladepoller nicht einwandfrei. Wie sonst ist es zu erklären, dass in der Startwoche einige Exemplare über viele Stunden bei etwa Ladezustand 15 Prozent verharen? Normalerweise soll das ummantelete Stahlseil des blauen Abstellpollers auch als Ladekabel dienen. In der Tat führen von dem Bügelschloss am Rahmen ein paar Kabel Richtung Akku im Heck. Der Zapfen des Pollerseils gibt beim zurückschieben eines Kunststoffschutzes mehrere Kupfer-Kontaktringe frei. Gut gedacht, bislang aber schlecht gemacht. Mein Wilhelmsburger Modell mit der Nummer 39718 zeigte nach den Einführen des Kabels und anschließendem Abschließen jedenfalls keine Anstalten, auch zu laden. Noch Stunden später zeigte es eine Ladekapazität von 87 Prozent - exakt der gleiche Wert wie bei Abgabe. An den anderen 19 Stationen scheint das ähnlich zu sein. Dafür spricht auch das am Ende der Startwoche eigentlich nirgends auch nur ein einziges Lastenpedelec auf der App zu finden war. 20 Stationen, 20 Pedelec, alle vermietet? Und das morgens um 6 Uhr? Ebenso mittags? Und um 15 wie um 19 Uhr? Kann ich nicht glauben. Gut möglich, dass die guten Stücke zurück in der Werkstatt sind. Selbst im abgeschlossenen Zustand lässt sich das Kabel wieder aus dem Schloss entfernen. Da kann doch was nicht stimmen. Außerdem zickt das Display bei der Abgabe mit wirren Meldungen. Da steckt wirklich noch ein Bug drin.

Fazit
Sicherheits- und Ladekabel in einem
Die Lastenräder sind eine tolle Bereicherung des Stadtrad-Netzes. Nur sind es zu wenige. 200 wären besser als die 20 Exemplare. Mindestens 10 Prozent der Stadtrad-Gesamtflotte solltes es schon sein finde ich. Aber zur Probe ist der Versuch mit den 20 natürlich verständlich. Und Probleme machen die Cargobikes ja offenbar schon jetzt. Möge die Flotte möglichst bald wieder auslaufen und von Vandalismus und Diebstahl verschont bleiben.










Meine boys haben Spaß bei den Probefahrten vor der Rindermarkthalle
































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