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Testtagebuch: Das Aldi-Rad im Alltag

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"Rollt nicht gut", sagt meine Frau. Ein hartes Urteil über das kürzlich gekaufte Aldi Rad. Und ein Urteil, das ich nicht teile.
Was hat sie nur? Seit ein paar tagen fährt meine Gattin nun mit dem Aldi-Rad, kann sich mit dem Curtis aber einfach nicht anfreunden. "Ist zwar immer noch besser als S-Bahnfahren, aber viel Spaß macht es mir nicht", meint sie. Liegt es daran, dass ihr eigentliches Fahrrad ein Wanderer aus den 50r Jahren ist? Dieses Rad rollt tatsächlich dank sehr guter Lager ganz hervorragend und liegt ihr auch perfekt von Geometrie.

Ich finde das Aldi-Rad rollt ganz anständig. Vielleicht kann man das Abrollverhalten durch bessere Reifen noch optimieren. Aber für tägliche Strecken bis zehn Kilometer ist das Bike gut brauchbar. Nexus-7-Gang-Schaltung und Rücktrittbremse arbeiten tadellos. Nur die V-Brakes sind nicht so dolle. Sie packen zwar (noch) kraftvoll zu, verursachen aber vorne hässliche Quitschgeräusche. Das nervt.

Auch die Lenkerklemmung hätte werksseitig fester eingestellt sein müssen. Beim hochreißen des Lenkers bei der Überfahrt von Hindernissen hat er sich mehrfach um ein paar Millimeter unter lauten Quitschgeräuschen verstellt. Das kann sicherheitsgefährdend sein.

Auch neigt die vordere Bremsen erst nach gut 50 Kilometern dazu, leicht an der vorderen Felge zu schleifen. Wahrscheinlich hat sich das Vorderrad "gesetzt" und müsste nachzentriert werden. Egal, für 299 Euro darf man wahrscheinlich kein perfekt eingestelltes Fahrrad erwarten. Man sollte nur wissen, dass man mit solchen Kleinigkeiten rechnen muss.

Sitzkomfort, Kraftübertragung und Gepäcktransport - all das bietet wenig Anlass zur Klage. Bleibt die Frage nach der Langzeitqualität und Dauerhaltbarkeit. Vielleicht kann ja Leserinnen und Leser dazu etwas beisteuern. Ein vierwöchiger Alltagstest kann diese Frage nicht beantworten.



Testtagebuch: Die Qualität des Aldi-Rades

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Vier Wochen hatte ich das Curtis im Einsatz. Vier Wochen habe ich es nicht geschont. Es hat Regenfälle erlebt. Und ich bin durch Pfützen gefahren. Um den Korrosionsschutz zu checken, habe ich ein paar Befestigungsschrauben mit salzigem Wasser besprüht. Mit eindeutigem Ergebnis.
Guter Rostschutz gehört definitiv nicht zu den Stärken des Aldi-Rades. An den Alu-Schutzblechstreben setzte schon kurz nach Wasserauftrag starke Oxidation ein. Das beeinträchtigt zwar nicht die Funktion, sieht aber hässlich aus. Gleiches gilt für die verzinkten Schrauben. Er bildete sich auf ihnen eine sichtbare Oxidschicht, dann entstanden bald auch schon erste braune Flecken.

Rost findet sich auch auf beiden Pedalachsen und an der Gepäckträgerbefestigung. Hier hat die Feuchtigkeit sogar schon den schwarzen Lack unterwandert und es kommt zu Abplatzungen. Deutliche Korrosionsspuren konnte ich auch an den hinteren Speichen und dem Nabenflansch ausmachen. Wie erwähnt: Guter Rostschutz sieht anders aus. Mit Fett und Öl kann man dagegen wirken. Wer lange Freude am Aldi-Rad haben will, sollte es bereits im Neustand konservieren.

Die Mechanik hat den Alltagstest gut mitgemacht. Hier funktioniert alles so, wie es soll. Einzige Ausnahme ist die vordere Bremse. Sie neigt zu extremen Quitschgeräuschen, die unakzeptabel sind. Den Hebelweg finde ich zu lang. Oder hat sich der Zug bereits spürbar gelängt? Möglicherweise sind Beläge und Felge nicht gut aufeinander abgestimmt. Mich hat das sehr gestört.

Fazit: Nach vier Wochen wirkt das Rad ordentlich gealtert. Der Vergleich zu Markenrädern fehlt mir zwar, aber bei der Langzeitqualität zeigt das Aldi-Rad eindeutige Schwächen.

Testagebuch: Garantie, Gewährleistung, Kulanz des Aldi-Rades

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Test beendet und Rückgabefrist überschritten. Wie wird Aldi reagieren? Nach vier Wochen wollte ich das Rad ja zurück geben, um Aldis-Rücknahmeversprechen zu testen. Drei Tage nach dem letztmöglichem Datum erscheine ich morgens in meiner Aldi-Filiale.
Der Filialleiter scheint zunächst etwas irritiert. "Die Frist für eine Rückgabe ist abgelaufen", sagt er und ergänzt: "Und wie das bei Fahrrädern läuft, weiß ich momentan nicht." Dann verschwindet er in seinem Büro, um den Gebietsleiter zu kontaktieren. Leider erfolglos. Der ist momentan nicht erreichbar.

Darum bietet der Mitarbeiter mir an, das Rad erstmal in der Filiale zu belassen und mich später per Telefon zu kontaktieren. Ich bin gespannt.

Der Anruf bleibt aus. Also begebe ich mich um 18 Uhr nochmals in die Aldi-Filiale. Inzwischen ist ein anderer Filialleiter im Dienst. Er nickt und sagt: "Wir nehmen das Rad zurück. Geld kriegen sie an der Kasse." Aber hallo! Das ist ein Superservice! Da kann der Fachhandel nicht mithalten. Ein normaler Fahrradhändler wird die Hände über dem Kopf zusammen schlagen, sollte ein Kunde nach über vier Wochen ein Fahrrad retournieren wollen. Für die Servicefreundlichkeit kriegt Aldi von mir eine eins plus. Besser geht es nicht. An der Kasse werden mir 299 Euro ausgezahlt.

Ich weiß, dass einige Leser diesen Punkt kritisch sehen und der Meinung sind, so ein Verhalten verteuere die Aldi-Produkte. Aber im Sinne der Wahrheitsfindung wollte ich die Sache investigativ durchziehen. Ergebnis: Aldi hält nicht nur sein Rücknahmeversprechen voll umfänglich ein, sondern zeigt sich sehr kulant.

Gesamtfazit: Für 299 Euro bietet das Cutis Cityrad einen guten Gegenwert. Das Rad taugt für typische Stadttouren aller Art, ist gut ausgestattet und fährt sich besser als ich dachte. Einzig die Materialqualität und der Rostschutz einiger Anbauteile sollte besser sein.

Weitere oder andere Erfahrungen bitte gerne per Kommentarfunktion posten. Gerne auch Kritik an meinem Test.

Early-Morning-Ride: Eine MTB-Tour in den Sonnenaufgang

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Bergauf in den Sonnenaufgang im Sachsenwald: Wer sagt denn, dass man für Mountainbike-Glück in die Alpen muss?
Vier Uhr! Der Wecker piept und nervt. Was habe ich da wieder zugesagt? Eine Mountainbike-Tour in den Sonnenaufgang! Theoretisch klingt das gut. Praktisch kostet das Überwindung. Zumindest beim Aufstehen. Und im Ziel bin ich froh, mich vorm Frühstück durch den Sachsenwald gekämpft zu haben.
Die Nacht war unruhig, zumindest meteorologisch. Grelle Blitze zuckten durchs Schlafzimmerfenster, dann lautes Gewitterkrachen. Über Hamburg entlud sich ein heftiges Sommergewitter. Na, hoffentlich hört das zum frühen Morgen auf. Es hört auf. Nach dem Wecker klingeln bin ich 20 Minuten später auf dem Weg zum meinen Freund Matthias, der die Idee mit dem Morgenride hatte. Im Osten glühen die Wolken. Bald geht die Sonne auf. Noch rund eine halbe Stunde.

Pünktlich sitzen wir auf unseren Rädern. Der frühe Morgen ist ruhig. Noch schläft alles. Dampfend steigt Feuchtigkeit vom Asphalt nach oben. Trotz Gewitter liegt weiterhin drückende Schwüle in der Luft - solche tage sind selten. 20 Grad zeigt das Thermometer - immer noch. Oder schon wieder? In einer tropischen Nacht kann man das nicht so genau sagen. Wichtig ist nur: Es ist warm. So warm das wir ganz leicht bekleidet auf die Strecke stechen können. Die führt uns heute durch den Sachsenwald und führt überwiegend über Forstwege. Und die haben wir um diese Zeit allein für uns - was will man mehr?
Um 5.30 Uhr haben die längsten Tage im Jahr einen besonderen Charme

Trockene Strecken vielleicht? Durch das Gewitter sind die Pisten heute sehr, sehr schlammig. An vielen Stellen zwingen uns tiefe Pfützen, umgestürzte Bäume und tiefer Matsch zu einer oft abenteuerlichen Anpassung der Ideallinie. Aber hey, ist es nicht genau das, warum wir uns aufs Mountainbike setzen. Fahrtechnik ist gefordert. Ein blitzschnelles Abtasten der Spur mit den Augen und reaktionsschnelle Umsetzung der überraschenden Infos von der Netzhaut. Links? Rechts? Oder ab durch die Mitte? Nach 10 Minuten sind die Füsse nass und unsere Trikots mit Schlamm bespritzt. Spielen im Dreck für große Jungs oder so ähnlich. Wenn doch nur das Material nicht so leiden würden. Von Antrieb und Bremsen kommen fürchterlich  mahlende Geräusche, fieses Knirschen und Knacken. Mountainbikesport ist Materialsport.

Hier und öffnet sich der Wald, gibt den Blick frei auf leuchtende Getreidefelder und feuchte Wiesen, über denen ein weisser Schleier wabert - wunderbar! Aber lange Geniesserblicke sind selten möglich. Die Sonne steht tief und blendet bei östlicher Fahrtrichtung. Äste Querrillen oder Schlammpassagen sind so schwer zu erkennen.
Früh morgens sind die Wege leer. Das Gewitter hat diese Birke gefällt

Trotz der schwierigen Bedingungen sind wir schnell unterwegs. Kilometer um Kilometer fliegen dahin. Nur wir unsere Räder und der Wald. Ganz klar: Frühe Morgenstunde sind ideale Mountainbikestunden.

Die Regenfälle und warmen Tage der letzten Wochen machen den sachsenwild stellenweise zu einem Dschungel. Meterhoch flankieren Brennesel den Singletrail. Hautkontakt ist unvermeidlich. Und als ob das wilde Hautbrennen an Beien und Armen nicht schon reicht, schlagen störrische Äste blutige Schrammen in die Waden. Mountainbikesport ist ein blutiger Sport.

Dann, nach 36 Kilometer, das Ziel. Rad abspritzen, Frühstück, Dusche und ab ins Büro. Ob am Telefon, vorm Computer oder im Meeting - der Morgen wirkt nach. Immer wieder muss ich heute an die Morgentour denken. Das Brennen der Brenneseln hält bis zum Abend an. Mountainbikesport ist ein geiler Sport.
Dicke Reifen contra Matsch: Die Räder siegten

Cyclassics mit dem Tandem: Warum schnell, wenn es auch schwer geht?

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Frisch und fröhlich: 60 Kilometer Tandemfahrt liegen hinter uns. 
Prolog: Und schon stehen wieder die Cyclassics ins Haus. Und mit ihnen die Frage: Welches Rad dieses Jahr!?  Seit 2013 fahre ich Deutschlands größtes Jedermannrennen nicht mehr nach maximaler Zeit-, sondern Spaßoptimierung. Die Rennen mit Schnittgeschwindigkeiten um 40 km/h habe ich irgendwie abgehakt. Schaffen würde ich so ein Tempo momentan ohnehin nicht. Darum habe ich umgesattelt: 2013 auf einen alten Stahlrenner, 2014 auf einem Moulton TSR und vergangenes Jahr mit dem Fatbike.

Und dieses Mal? Ein Tandem! Ein altes Tandem! Ein sehr schweres Tandem. Eigentlich ein unmögliches Rad  für ein Radrennen. Also genau richtig.
Warum schnell, wenn es auch beschwerlich geht? Klar, die Frage ist provokant. Radrennen fährt man mit Rennrädern. Basta! Doch ich erlaube mir, das anders zu sehen. Darum war dieses Jahr ein Touren-Tandem aus den 70er Jahren dran. Ein sauschweres Rixe. Ergonomisch ist das Ding eine Katastrophe. Aber wir sind angekommen. Und wir hatten Spaß.
Kurz vorm Start, so gegen 7.30 Uhr!

Mein Stolker ist mein alter Rennradfreund und Kollege Stefan. Ihm geht es wie mir: Bestenzeitenjagd war gestern. Er fährt inzwischen lieber entspannt. Oder macht Stand-Up-Paddling. Schnell waren wir uns einig: Lass uns eine lustige Winkfahrt aus den Cyclassics machen. Gesagt, getan. Luft aufs Rixe, Sättel auf maximale Höhe ausgefahren und wir sind startklar. Dass wir trotzdem beide gut fünf Zentimeter zu tief sitzen, nur mit angewinkelten Beinen pedalieren und irgendwie verkrampft auf dem alten Eisenhaufen kauern... - geschenkt. 60 Kilometer werden schon zu schaffen sein.

Los geht es aus Block H. Ziemlich weit hinten. Hier bist Du nicht in Gesellschaft (über)motivierter Möchtegern-Pros auf sauteuren Carbon-Hobeln, sondern im Feld der Schutzblechfans, Trekkingrad-Tretern, Klapprad-Piloten, Bonanzarad-Spinner, Fatbike-Fahrern, Trike-Chauffeuren, Kindern auf 24 Zoll-Rennrädern, Greisen auf Greismaterial und sonstigen Kuriositäten, die die Bikewelt so her gibt. Ach, ein paar echte Rennradfahrer stehen am Start auch um uns herum. Doch schon nach ein paar Kilometern sind fast alle weg. Wir sind langsam, klar. Wie langsam, keine Ahnung. Von hinten kommt zum Glück immer mal etwas Nachschub, so dass wir immer wieder anerkennende Kommentare kriegen. Prima, die Tandem-Entscheidung war richtig. Auch wenn schon nach zehn Kilometern beide Knie heftig schmerzen und sich der Hintern völlig taub anfühlt.

Unsere Anti-Aua-Strategie  ist einfach: Erst geht Stefan für hundert Meter in den Wiegetritt, dann ich. Das schafft kurz Entlastung für die schmerzenden Körperteile, auch wenn das Tandem jedes Mal schlingert wie ein Tanker in Seenot. Aber trotzdem machen wir irgendwie Strecke. Und haben einen schönen Blick auf Landschaft, Himmel und wer weiß was sonst noch alles. Noch nie bin ich die Cyclassics mit so wenig Windschatten gefahren: nämlich keinen. Sich an einen langsam Überholenden zu hängen verlockt zwar hier und da, doch wenn Du an seinem Hinterrad klebst und der Typ bremst, dann war es das. Denn bremsen ist mit dem Blei-Tandem so eine Sache. Vorn im Rad sitzt zwar eine amtliche Moped-Trommelbremse und hinten haben wir Rücktritt, aber das Ansprechverhalten der Verzögerungseinrichtung stammt auch eher aus der christlichen Seefahrt als aus dem Fahrradsport. Darum fahren wir fast alles ohne Vorderfrau oder -mann. Auch ist es sehr schwer, entsprechende Kandidaten zu finden, die unser eingebautes Speedlimit fahren. Immerhin: Hier und da überholen wir auch ein Rennrad. Hurra! Das entspannt ungemein.

Ach, wo wir bei der Technik sind: Das Rad hat drei Gänge; die gute alte F&S-Torpedo eben. In der Ebene kommt man damit so auf etwa 20 km/h Reisegeschwindigkeit; wenn man richtig reinhaut auch auf Tempo 30. Geht es abwärts, etwa nach einer Brücke, ist die Cadence schnell so schnell, das wir es uns ganz schnell weniger schnell wünschen. Merke: Das Rixe-Tandem ist der Antipol zum Rennrad.

In einer Ortsdurchfahrt macht der Moderator Stimmung: "Da, schon das vierte Tandem heute", sagt er ins Mikro. Aha, drei Gegner vor uns. Gut das die alten Renninstinkte noch funktionieren. Doch der Racemodus bleibt heute aus. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, das Tandem rollt, wir sind happy und Wedel kommt immer näher. Dort, an der Verpflegungsstelle, wollten wir planmässig eine Pause machen. Die ist bitter nötig. Knie und Po brauchen dringend Erholung von dem "Zu-niedrigen-Sitzen-Stress". Es gibt zu trinken. Es gibt Toiletten. Es gibt Kuchen. Es ist alles gut!

Los Stefan, weiter Richtung Mö. Fahrtzeit bislang: Etwas über eine Stunde. Macht dann doch so etwas wie einen 25er Schnitt - trotz Pause. "Was meinst Du", fragt Stefan. "Brauchen wir am Kösterberg den ersten Gang?" Die Antwort folgt ein paar Kilometer weiter: Ja, wir brauchen den ersten Gang heute erstmalig und definitiv. Langsam, Stefan hinten im Wiegetritt, erobern wir die beiden Steigungen Richtung Elbchaussee. Abwärts lassen wir rollen und blicken nach rechts auf die glitzernde Elbe. Mensch, was leben wir in einer tollen Stadt. Auf dem Rennrad werden Dir die Schönheiten der Strecke nie so bewusst.

Dann rollen wir schon die Königsstrasse runter. Eine letzte Anstrengung auf der Reeperbahn und plötzlich stehen wir vor der Musikhalle hinter einem Flatterband: Zwangsstopp! Gegenüber donnern die ersten 100 Kilometer-Fahrer ins Ziel. Da haben 60-Kilometer-Langsamtreter wir wir gefälligst zu warten. Wir tun das gerne und lächeln über die Duelle, die sich einige der Hobby-Racer da drüben liefern.

Die Mö, wie immer ein Glanzlicht. Tausende schreien und klopfen dich ins Ziel. Dieses Mal dauert die Jubelfahrt viel länger als sonst. Schneller geht einfach nicht.

War gut auf dem Tandem - Stefan und ich sind uns einig. Noch nie haben wir bei einem Radrennen so viel gequatscht und gelacht. Wunderbar!

Epilog: Am Nach-Renntag routinemässig ein Blick in die Ergebnislisten. Wir sind Vierte der 60 km-Tandemwertung. Fünf Tandems waren am Start. Wir sind also nicht die letzten. Unglaublich!!!

Märchenstunde mit Peter Lohmeyer oder: Wie geht es weiter mit der Fahrradstadt Hamburg?

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Drischner, Lohmeyer, Lohse und Schwarz diskutieren 
Zur Sache, Hamburg! Straßenkampf in der Hansestadt. An der beliebten Polarisierung Auto- kontra Radfahrer kommt auch die sonst so gelassene ZEIT nicht vorbei und lud heute zu einer öffentlichen Diskussion ins Bucerius Kunstforum. Auf dem Podium: die Redakteure Patrick Schwarz und Frank Drieschner, als Autofahrer-Sündenbock Taxi-Lobbyist Thomas Lohse und Schauspieler Peter Lohmeyer, das Zugpferd des Abends. Denn die "Fahrradpersönlichkeit 2016" erzählt genau das, was die Leute hören wollen: Autos raus aus der Stadt, mehr Rad, ÖPNV, Taxi und Carsharing. Aber ganz so einfach ist das leider nicht.
Klar, der Mann ist Schauspieler. Ein richtig guter sogar. Meisterhaft kann er sich auf sein Publikum einstellen, die Stimmung erspüren und dann die richtigen Worte mit rhetorischem Witz treffen: "Ich bin für die autofreie Stadt", sagt er. Und: "Die blöden SUV verpesten unsere Luft." Und: "Man muss radikal an das Luxusdenken rangehen." Applaus aus dem Saal. Was sonst?

Denn dort sitzt überwiegend das Bildungsbürgertum mit akademischen Hintergrund, ZEIT-Abo, HVV-Proficard und Brompton-Faltrad. Ja ich weiß, dass ich hier ganz tief in die Klischeekiste greife; aber was Wahres ist an der Beobachtung schon dran. Auch das hier und da vornehm an Weingläsern genippt wird passt da ganz gut ins Bild. Wir sind schließlich auf einer Veranstaltung der ZEIT. Und die ist als Medienmarke auf allen ihren Kanälen erfolgreich unterwegs. Auch der heutige Termin ist ein Hit: Gut 150 Interessierte füllen das Kunstforum - nicht schlecht für ein Randthema. Denn das ist es der Fahrradverkehr immer noch. In zehn Jahren soll der Velo-Verkehranteil an der Elbe von derzeit zwölf auf 25 Prozent steigen. Kann das klappen? Und wenn ja,  mit welchen Massnahmen und wie reduziert man die Konflikte mit Autofahrern? Das sind die zentralen Diskussionspunkte.

Hinter mir verteilt eine Frau kleine Flugblätter zur Unterschriften-Aktion "Kurs Fahrradstadt". Ihr geht das alles nicht schnell genug, wird sie später sagen. Die Stadt müsse noch viel mehr tun. Ein Herr bekennt, das er vom Auto- zum Radfahrer geworden ist, weil ihm das Autofahren in der Stadt einfach keinen Spaß mehr macht. Und so geht es munter weiter. Ein paar überzeugte Autofahrer mag es auch geben. Doch die bleiben gut in Deckung. Kein Wunder bei der mehrheitlichen Stimmungslage.

Dass Lohmeyer hier als bekennender Fahrradfan und -sammler  leichtes Spiel hat, liegt auf der Hand. Und einige im Publikum ihm zu Füssen. Hin und wieder fahre er E-Auto, manchmal auch Taxi, meistens aber Fahrrad. Applaus! Aber ohne Helm. Kein Applaus. Das E-Auto kriegt er gesponsort. Die meisten Taxifahrten sicherlich auch - da fällt die Argumentation leicht.

Ich mag den Mann, seine Art, seine Filme, seine Fußballleidenschaft und natürlich seinen Fahrradfimmel. Und mit seiner Einstellung zum Helm bin ich auch voll bei ihm. Darum halte ich ihn für einen Populisten der symphatischen Sorte, der hier und da zum Märchenerzähler wird. Natürlich ist eine Stadt ohne Autos lebenswerter, weil die Luft besser wird, es weniger Unfälle gibt und mehr Raum zum Leben frei wird. Nur dass das illusorisch ist, sagt er nicht, sondern er malt das Bild einer besseren Fahrradwelt. Aber vielleicht muss der Schauspieler auch hier spielen, überzeichnen, dramatisieren, damit sich schneller was bewegt.

Viel realistischer und bemerkenswerter finde ich die Analyse von ZEIT-Hamburg-Redakteur Frank Drieschner. Auch er ist Radfahrer, aber anders als Lohmeyer ist er analytischer, sachlicher, langweiliger, trocken und pessimistischer. Den massenhaften Umstieg vom Auto aufs Rad hält er für illusorisch. "Dafür ist das Auto eine zu große Suchtdroge" sagt Drieschner. Das Verlangen nach der Bequemlichkeit werde der Mensch nicht mehr los. Ich fürchte, da hat er recht. Applaus gibt es auch nicht. Die Wahrheit schmeckt eben oft bitter.

Den schwersten Stand des Abends hat Taxi-Mann Lohse. Auch er ein eher unemotionaler Realist. Tapfer, mit welcher Sachlichkeit er seinen Standpunkt vorträgt. Er plädiert für einen Ausgleich aller Interessen und gibt sich für einen Autobewürworter verblüffend fahrradfreundlich.

All das macht Mut. Hamburg ist für eine Groß- und Hafenstadt auf einem ganz guten Weg - auch wenn es einigen Aktivisten alles viel zu lange dauert. 50 Jahre autogerechte Verkehrspolitik lässt sich eben nicht handstreichartig rückgängig machen oder schlagartig Richtung Fahrradinfrastruktur abändern.

Und eines wird an diesem Abend auch ganz deutlich: Die Uneinigkeit der Rad-Befürworter. Rauf auf die Straße? Oder besser baulich abgetrennte Hochwege? Helm ja oder nein? Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet? Zu all dem gibt es unterschiedliche Positionen. Einfach gegen Autos zu sein greift da viel zu kurz. Die Problemlösung beginnt im Prinzip beim Wohnungsbau, hat mit Gentrifizierung zu tun und..., aber das ist dann doch ein anderes Thema.

Sladda im Test: Wie gut ist das Ikea-Fahrrad?

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Als Ikea im Frühjahr ankündigte, mit dem Sladda sein erstes Fahrrad auf den Markt zu bringen, stand für mich fest: Das Ding muss ich testen. Nicht das ich ein glühender Ikea-Fan bin, aber das, was der schwedische Möbelgigant da ins Angebot aufnimmt, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Offenbar sieht auch Ikea einen Trend zum Rad und verspricht sich mit dem Bike ein renditeträchtiges Geschäft. Sonst würde der gewinnorientierte Konzern das sicherlich nicht machen. Dass ein Fahrrad zudem das Image stärkt, ist ein guter Nebeneffekt - so etwa stelle ich mir die Motive vor, die zu der Entscheidung geführt haben. Bleiben einige Fragen: Wie gut ist Sladda? Ist Ikea in der Lage, ein gutes Fahrrad anzubieten? Ist das Preis-Leistungsverhältnis okay? Seit rund sechs Wochen nun besitze ich ein Sladda und gehe diesen Frage nach.

Gleich geklaut

Fangen wir mit gestern an: Sladda und ich und mein Freund Marco waren auf der Pionierinsel in Harburg, um dort die Getränkebestände der Inselklause leer zu trinken. Das Restefestival macht der Wirt immer zum Saisonende, weil Herbst- und Winterstürme seine urige Kneipe gerne unter Wasser setzen. Eine Rockband spielt Rock - laut, schmutzig, der Laden bebt. Überall Altrocker; viele besoffen, aber gut drauf.

Was hat das nun mit Sladda zu tun? Nun, während wir so ein Bier nach dem anderen kippen - kostet ja nur jeweils einen Euro - passiert es plötzlich: Ist das nicht? Das kann doch nicht sein? Gucke ich wirklich richtig? Ein Typ hat sich auf mein Sladda gesetzt und fährt zügig davon. Vor ihm ein anderer Radler, sein Komplize. Schocksekunde! War das echt mein Sladda? Kontrollblick zum Fahrradständer. Tatsächlich! Der hat das Ding gezockt. Ich Esel! Warum habe ich es nicht angeschlossen? Andererseits: Es parkte keine zehn Meter von unserem Tisch entfernt. Und den einzigen Weg von der Insel hatten wir permanent im Blick. Wie dreist ist das denn? Unter den Augen der Besitzer das auffällige Ikea-Rad zu stehlen...

Wertvolle Sekunden vergehen. Soll ich laufen? Quatsch! Marco schließt schnell sein Electra auf - der Mann weiß warum er es immer und überall sichert - und ich springe drauf und jage dem Dieb hinterher. Zu sehen ist er nicht mehr. Dafür zwingen mich ein paar torkelnde Kneipengäste in einen abenteuerlichen Slalom. Da! Da hinten leuchtet das Rücklicht des Komplizen. Es geht den Deich hoch. Meine Kondition ist dieses Jahr unterirdisch. Kann ich die Typen einholen? Na, wahrscheinlich sind sie voll. Das ist meine Chance. Ich komme näher. Die beiden stoppen auf der Deichkrone und nesteln am Scheinwerfer als ich die Szene erreiche. Stinksauer brülle ich den Dieb an: "Bis Du nicht ganz dicht? Was fällt Dir ein mein Rad zu klauen?" Der Ertappte ist verdaddert und eingeschüchtert. "Äh, tut mir leid. Echt jetzt. Sorry Mann", stammelt er rum. Kurz überlege ich, ob ich die Polizei rufen soll. Aber bist die da sind. Und dann schreiben die ein Protokoll. Und dann... Ich lasse es und werfe dem Deppen noch ein paar empörte Worte an den Kopf. Das Wichtigste: Mein Sladda habe ich wieder. Wie jedes Fahrrad ist auch das Ikea-Bike nicht gegen Diebstahl immun. Leider!

Ein langsamer Start

So kommt das Rad an: Sladda im Karton, geliefert von DHL
Sladda und ich haben nur langsam zueinander gefunden. Die Liason beginnt im Internet. Anfang August besuche ich gespannt die Ikea-Homepage. Ich suche Sladda. Aber sie ist nicht da. Obwohl lange angekündigt, ist das Rad noch nicht bestellbar. Was für ein Fehlstart! Also Anruf bei der Ikea-Hotline. Nach einer nervigen "Hej, willkommen bei Ikea-Ansage" und etlichen Warteminuten meldet sich eine Mitarbeiterin: Nein, Sladda gibt es noch nicht. Das Rad verzögere sich um zirka eine Woche.

Ich nehme die Frau beim Wort. Und tatsächlich: Eine Woche später tauchen zwei Fotos von Sladda auf den Webseiten auf. Das Rad ist in 26 oder 28 Zoll-Version erhältlich. Ich entscheide mich für die kleine Größe. Preis 779 Euro! Oder 479 Euro für Inhaber der Ikea Family Karte. Habe ich nicht und bezahle per Kreditkarte den vollen Preis. Das größere 28 Zoll Rad kostet jeweils 20 Euro mehr. Die Bestellung ist in fünf Minuten erledigt. Danach dauerte es aber gut zehn Tage, bis DHL mir den kompakten Sladda-Karton nach Hause liefert. Anhänger und Frontkorb hätte ich auch gerne. Doch auch die beiden Anbauteile machen sich rar: nicht bestellbar. Immerhin ist das Rad schon mal da. Den Rest kann ich ja später nachordern.

Sladda ist wie Billy: ein Bausatz mit kleinen Tücken

Typisch Ikea: Sladda Montage-Anleitung
ohne Text, dafür mit Bildern
Also ans Werk. Ikea-Produkte setzen ja ein ganz spezielles "Do-it-yourself-know-how" vorraus. So auch Sladda. Sattel, Pedale, Ständer, Lenker, vorderes Schutzblech und Vorderrad sind nicht montiert. Drei Imbus-Schlüssel liegen bei. Ebenso ein Vielzweck-Schraubenschlüssel für die Sechskant-Muttern. Doch zunächst ist das Rad von den zahlreichen mit Kabelbindern fixierten Schaumstoffpolstern zu befreien. Da türmt sich eine ordentliche Müllhalde auf. Dann folge ich der typischen Ikea-Bilderanleitung. Eigentlich narrensicher. Eigentlich. Denn ich mache trotzdem was falsch und montiere das Schutzblech falsch herum. So ziemlich der einzige Fehler den man machen kann. Und ich mache ihn. Beim Einsetzen des Vorderrades bemerke ich meinen Irrtum. Zum Glück kein großes Ding und das Blech ist ruckzuck gedreht und verschraubt. Dann flutscht auch das Vorderrad mit der Bremsscheibe schnell in Position und wird per Schnellspanner fixiert. Der Mittelständer wird mit einer dicken Imbusschraube montiert. Auch Sattel und Lenker geben keine großen Rätsel auf. In etwas über einer halben Stunde ist Sladda fahrbereit.

Da steht es nun in der Sonne und schreit nach einer ersten Designkritik. Wie sieht es aus? Stylisch? Zeitlos? Schlicht? Schwer zu beschreiben. Der Rahmen mit dem stark abfallenden, dann abknickende Oberrohr wirkt sehr robust. Am Sattelrohr ist eine massive Monostay-Strebe verschweißt, von der die beiden Sitzstreben abzweigen. Sladda gibt es übrigens in allen Farben so lange die Lackierung lichtgrau ist. Die dicken Alurohre kommen ohne auffällige Schriftzüge aus. Nur über dem Tretlager sitzt ein kleines gelbes Ikea-Emblem auf dem Sattelrohr. Ein unaufgeregtes, funktionales Rad steht da vor mir. Und genau das hatte wohl auch Designer Oskar Juhlin von Veryday im Sinn, als er Sladda für Ikea entworfen hat.

Trotz Zweibeinständer wackelig

Kettenabdeckung und Schutzbleche sind aus Metall. Das macht das Rad nicht leichter. Warum eigentlich kein Holz? Zum Ikea-Rad würden sehr gut Holzschützer für die Reifen passen; teuer sind die nicht. Eine gute Tuning-Idee. Auch der Zweibein-Ständer ist nicht optimal. Er sieht zwar sehr stabil aus, bietet aber zu wenig Auflagefläche und das Rad wirkt daher kippelig. Ein Sladda mit besetztem Kindersitz sollte man so nicht abstellen. Hej Ikea, ich dachte Ihr seit ein familienfreundliches Unternehmen. Bei montierten Heckkindersitz fällt ein zweites Manko auf: Der Schwerpunkt wandert nach hinten, Sladda kippt aufs Hinterrad und vorn verdreht sich das schwebende Vorderrad samt Gabel um 180 Grad jedes mal wenn das Rad auf dem Ständer geparkt wird. Das nervt tierisch. Die Entwickler haben vergessen, einen Lenkungsdämpfer einzuplanen. Ich habe einen für 7,50 Euro bestellt und werde ihn bald montieren.
Das Team von Velo 54 mustert das Sladda kritisch

Erster Eindruck: Im Detail leistet sich das Sladda ein paar gravierende Nachlässigkeiten, die nicht sein müssten. Das sollte Ikea schnell optimieren. Besonders auch die Vorbau-Konstruktion. Um das Rad möglichst für viele Körpergrössen anpassbar zu machen, ist Sladda mit einem höhenverstellbaren Vorbau ausgerüstet. Doch anders als der Rahmen wirkt dieser sowie der Alu-Lenker eher filigran und nachgiebig.

Ein Verdacht, der sich nach den ersten 200 Kilometern bestätigt. Wenn ich an den Lenkerenden drücke und ziehe, gibt die Konstruktion leicht nach und zeigt stets etwas Spiel. Nicht dramatisch, aber auch nicht schön. Das dürfte gern fester wirken. Vorbildlich solide dagegen ist die Tretlager-Muffe ausgelegt. Sie beherbergt einen Exzenter, der von unten mit zwei massiven Schrauben fixiert ist. So lässt sich die Riemenspannung einstellen wenn er sich lockern sollte. Ja, der Riemen ist sicherlich das Sladda-Highlight. Er stammt von Continental und arbeitet weitgehend geräuschfrei. Wartung? Ölen? Schmieren? Alles überflüssig! Muss er gewechselt werden, kann der Rahmen hinten rechts geöffnet werden. Vernünftige Riememräder kosten so ab 1000 Euro; so gesehen ist Sladda also ein günstiges Rad.

So sieht es auch das Team von Velo 54. Die Fahrradexperten bescheinigen dem Rad von Ikea ein ordentliches Preis-Leistungsverhältnis. Kritik gibt es für den eigenwilligen Zweibeinständer, eher Lob für Design und die robuste Ausführung des Rahmens. Was Supberbesonderes sei das Rad aber nicht. Aber das hat ja auch niemand erwartet.

Ein Vormund namens Automatix

Automatix von Sram schaltet bei 18 km/h
Nicht ganz so gut gefällt mit die Sram Automatix-Nabe. Sie arbeitet auch in meinem Pimp-Klappi und schaltet bei erreichen einer bestimmten Geschwindigkeit in den höheren der zwei Gänge. Das funktioniert beim Sladda stets bei 18 km/h - ob Du das willst oder nicht. Ich mag das nicht und möchte den Schaltpunkt lieber selber beinflussen. Darum würde ich die Sturmey Archer Kickshift-Nabe bevorzugen; die ist als Option aber nicht erhältlich - schade. Sie gleicht der seeligen F&S Duomatic und schaltet durch leichtes zurück pedalieren. So kann jeder schalten wann er will.

Versierte Schrauber sind in der Lage, die Fliehkraftfedern im inneren der Automatix-Nabe zu modifizieren, um den Schaltpunkt zu verlegen - aber das ist nur was für Fortgeschrittene. Ich wünschte mir den Gangwechsel lieber später, so etwa bei 20 km/h. Denn meistens bin ich mit dem Sladda um die 17 km/h unterwegs und dann schaltet die Nabe oft hoch, obwohl ich die höhere Kadenz des niedrigeren Ganges lieber hätte.

Das zusammengebaute Sladda im besten Herbstlicht
Ansonsten ist mein Fahreindruck durchaus positiv. Sladda fährt ordentlich ohne große Emotionen zu erzeugen. Ein funktionales Alltagsrad, das große Gefühle und Enttäuschungen ausblendet. Auch die mechanische Schibenbremse packt nach der Einbremsphase kräftig und gut dosierbar zu. weniger schön: Hin und wieder erzeugt sie ein lästiges Quitschen.

Inzwischen war ich mehrfach mit vorderen und hinterem Kindersitz samt Nachwuchs mit dem Sladda unterwegs. Der vordere Sitz - ein Römer Suky - zwingt mich dabei zwar in einen leicht O-beinigen Tritt, aber sonst funktioniert Sladda als Kindertransporter gut. Egal ob hinterer oder vorderer Kindersitz - dem Zweibeinständer traue ich nicht richtig über den Weg. Das Rad wirkt beim Aufsitzen meines kleinen Sohnes stets etwas zu instabil; eine sichernde Hand muss stets in der Nähe sein. Aber das ist sicherlich auch bei anderen Rädern angebracht.
Erste Testerfahrungen als Kindertranporter

Inzwischen hat das Sladda auch seine ersten Regenfahrten hinter sich. Zu bemängeln gibt es noch nichts. Alles funktioniert, geräusch- und problemlos. Zu geräuschlosarbeitet indes auch die in den Bremsgriff integrierte Klingel. Sie erzeugt einen sehr hellen, aber eher zu leisen Ton. Passanten hören die kleine Glocke leider meist zu spät. Gute, laute Fahrradglocken scheinen eine Wissenschaft zu sein.

Als erster Fahreindruck soll das reichen. Ich bin gespannt, wie Ikea mit Reklamationen und Reparaturen umgeht. Ich werde den Möbelgiganten und Neu-Fahrradanbieter auf die Probe stellen. Stay tuned!

Robin Williams's Bikes unterm Hammer: Sammlerstück gefällig?

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Colnago Pista, La Carrera, Futura 2000 aus der Williams-Kollektion (alle Bilder copyright paddle8.com)
Na, jemand 36 000 Dollar für ein Colnago-Bahnrad über? Denn so viel sind mindestens nötig, um den Zuschlag für den auffälligen Italo-Renner aus Stahl zu bekommen. Die Schönheit ist eine von knapp 90 Angeboten aus der Sammlung von Robin Williams, die bis morgen abend online versteigert wird. Der US-Schauspieler und Comedian  galt als depressiv und hatte sich 2014 selbst erhängt. Seine große Leidenschaft galt dem Radsport. Er besuchte mehrfach die Tour de France, zählte Greg Lemond und Lance Armstrong zu seinen Freunden. Und er sammelte Fahrräder, vor allem besondere Rennmaschinen. Diese kommen jetzt - zu teilweise abenteuerlich hohen Preisen - unter den Hammer.
36000 Dollar! In Worten: Sechsunddreißigtausend! Bei dieser Summe stand das Gebot für das Rad mit nur einem Gang: ein Colnago Pista mit Polkadot-Sonderlackierung. Ein wahrlich besonderes Rad zu einem wahrlich stolzen Preis, der offenbar auch das Online-Auktionshaus Paddle8 überraschte. Denn als Estimate hatten die Web-Versteigerer nur 10000 bis 15000 Dollar angegeben.
Lot 37: Trackbike von Cooper

Allein das Bike ist es natürlich nicht, das den Preis in die Höhe treibt. Ja, es ist ein besonders schöner Stahlrenner mit sehr auffälligen Design und hochwertigen Komponenten. Doch mehr noch dürfte es der Promifaktor von Ex-Eigner Robin Williams sein, der für viele und hohe Gebote sorgt. Und natürlich die Tatsache, das Robins Familie das Geld zwei wohltätigen Organisationen spenden wird.
Softride Triathlonmaschine von Zipp

Also, für mich wäre wie schon bei der Versteigerung der wunderbaren Embacher Sammlung auch etwas dabei. Aber auch die Gebotsstände der anderen Bikes waren am Montagabend schon viel zu weit für meine Verhältnisse nach oben geschossen. Nichts unter 2000 Dollar. Bei rund 90 Lots wird also eine stolze Summe zusammen kommen.

Aber auch wer nicht mitbietet, findet auf der Online-Seite viele spannende Infos zu den Rädern. Vor allem historisch interessierte Rennradfans dürfte Spaß an der Lektüre haben. Unter den Angeboten sind auch ein paar spannende Sonderfahrräder wie Cruiser und Chopper. Williams, unter anderem bekannt durch "Good morning Vietnam" - war wahrlich ein echter Bikenerd und aktiver Radsportler.
Schwinn Chopper Hog Roadster


Schrott wird flott: Zweites Leben für ein altes Kinderrad oder die Modelleisenbahn auf zwei Rädern

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Kalkhoff Kinderrad im Fundzustand: ein trauriges Bild

Wir kennen sie ja alle, die Story mit der Modelleisenbahn: Papa kauft Gleise, eine Lok, Anhänger, den Bahnhof und sagt: "Für den Kleinen. Zu Weihnachten. Wird er lieben." In Wahrheit befriedigt der Herr Vater damit nur seinen eigenen Spieltrieb; er wünscht sich die Eisenbahn eigentlich selber und hat mit dem Nachwuchs die perfekte Rechtfertigung, in das elektrische Spielzeug zu investieren. Auch wenn das Kind noch viel zu jung dafür ist. Genau so ist es mir jetzt mit einem alten Kinderrad ergangen. Mein Sohn ist noch keine zwei. Doch den Hinterhof-Fund musste ich ihm einfach restaurieren. Selbst wenn er damit frühestens in zwei Jahren fahren kann. Zu Weihnachten soll er es kriegen. Doch wenn ich ehrlich bin, ist es natürlich eher ein Geschenk für mich als für ihn. Und vielleicht mag er den feuerroten Fahrrad-Oldtimer gar nicht und will lieber ein giftgrünes Puky aus der aktuellen Kollektion. Oder noch schlimmer: Er will gr kein Fahrrad, sondern lieber eine Playmobilburg oder so. Oh je, nicht auszumalen! Aber vielleicht liest er auch diese Zeilen irgendwann. Und freut sich irgendwann über das Einzelstück, was ich ihm da zusammen gebaut habe.
Der 16 Zoll-Flitzer nach der Restaurierung
Mitleidserregend stand das kleine 16-Zoll-Kinderradbei einem Gebrauchtwaren-Höker auf dem Hinterhof. Ein Kalkhoff aus den 60er oder 70er Jahren. Total verrostet und runter gekommen. Ein echtes Schrottrad. Ein hilfloser Fall, eigentlich. Aber komplett. Und irgendwie klassisch vom Stil her: gute Proportionen, eleganter Stahlrahmen, ansehnliche Pedale, Klemmgepäckträger, Seitenständer -alles sehr solide ausgeführt.

Original Steuerkopf-Aufkleber
Der Händler wollte zehn Euro. Die habe ich ihm gerne bezahlt. Aber erst nach dem ich gut eine halbe Stunde mit mir gerungen habe, ob ich mir das schrottige Kinderrad wirklich ins Haus holen soll. Heute weiß ich: Eine gute Entscheidung. Die Restaurierung hat viel Spaß gemacht. Und entstanden ist aus dem Projekt ein echtes Unikat.

Der Vorteil von Kinderräder ist, das man sie an einer Hand tragen und problemlos in den Kofferraum werfen kann. Durch die kompakten Abmessungen konnte ich es auch an den neugierigen Augen meines Sohnes vorbei schmuggeln. Während er in der Kita spielte, habe ich das Kalthoff vor der Haustür in seine Einzelteile zerlegt. Das Steuerrohr entspricht der gängigen Ein-Zoll-Norm. Der Rest fällt eher ungewöhnlich klein aus, weswegen ich Tretlager-Teile, Kurbeln, Kettenschutz, Griffe und Schutzbleche besonders zaghaft abschraubte, denn Ersatzteile dürften schwer zu bekommen sein. Kalkhoff hat gute Qualität verbaut. Stahl und Chrom sind zwar teilweise stark an- und verrostet, aber die Substanz ist so, dass ich alles aufarbeiten kann.
Total verrosteter Kettenkasten

Besonders mitgenommen wirkt der Kettenkasten aus Blech. Er ist mit einer dicken Rostschicht überzogen - da steckt viel Arbeit drin: entrosten, säubern, grundieren und neu lackieren. Das ist der Plan. Nicht nur für den Kettenschutz, sondern fürs ganze Rad. Chromteile wie Lenker, Pedalarme, Zahnkranz, Bremse und Sattelstütze kriege ich mit der Drahtbürste und Schleifpapier wieder hin. Den vollen Glanz bekommen die Teile zwar nicht zurück, dafür aber eine nette Patina.

Dem restaurierten Rad soll man ruhig ansehen, dass es eine Vorgeschichte hat. Wer mag damit wohl früher unterwegs gewesen sein? Wie viele Kinderpopos sind auf dem braunen Plastiksattel hin und her gerutscht? Was hat das Rad wohl neu gekostet? Kinderräder - so habe ich mal gehört - waren früher fast so teuer wie die für Erwachsene. Darum sollen sie selten sein - besonders wenn sie aus der Vorkriegszeit oder den 50er Jahren stammen.

Entlastung des Rahmens
Besonders anstrengend und langwierig ist die Entlackung des Rahmens. Erst habe ich ihn mit der Stahlbürste angeraut, dann mit Abbeizer aus dem Baumarkt angestrichen. Das Ergebnis ist mäßig. Nur wiederwillig kommt der rote Metallic-Lack vom Stahlrahmen herunter. Ein Indiz für die hohe Verarbeitungsqualität. Deshalb müssen Zopfbürste und Bohrmaschine ran. Aber auch das dauert. Irgendwann ist der kleine Rahmen blank. Ein Herrenrad dürfte deutlich länger dauern.

Nun beginnt der spannende Teil: Konservierung, Lackierung, Verschönerung und Wiederaufbau. Obwohl ich bezweifle, dass der Rahmen jemals durchrosten kann, spüle ich das Rahmenrohr mit Cola aus. Denn die enthält Phosphorsäure, die wiederum Rost angreift und löst. Dann lasse ich den Rahmen austrocknen. Anschließend kommt Hohlraumkonservierer aus der Dose mittels Spühschlauch ins Rohr. Jetzt hält er 1000 Jahre.
Hohlraumschutzwachs für ein ewiges Leben

Dann schleife ich den Rahmen nochmals mit 280er Sandpapier an, wische ihn mit Waschbenzin sauber und spritze zwei Schichten rote Grundierung auf. Nach dem diese getrocknet ist, wird die Oberfläche nochmals zart angeschliffen. Nun kommt meines neueste Entdeckung dran: Spray Bike. Das ist ein pulverartiger Lack, den man aus großer Nähe aufbringen muss und der dadurch wenig Sprüverluste erzeugt. Bei normalen Dosenlack gehen geschätzt zwei Drittel der Lackmenge daneben und wer nicht aufpasst, erzeugt hässliche Lacknasen. All das funktioniert mit Spray Bike besser. Die Deckkraft des Lackes ist verblüffend. Eine Dose reicht, um das Kalthoff-Kinderrad mit zwei satten Farbschichten zu versorgen. Meine gewählte Farbe nennt sich Redbridge und wirkt im Ergebnis wie ein Feuerrot - sehr intensiv und auffällig.
Rahmen nach der Lackierung mit Spray Bike

Als Finish sprühe ich noch zwei Schichten Klarlack - auch von Spray Bike wegen der Verträglichkeit der Farben - oben drauf. Das Ergebnis ist buchstäblich glänzend. Nur so hart wie eine Profi-Pulverbeschichtung ist der Do-It-Yourself-Lack leider nicht. Beim Entfernen aus dem Schraubstock stosse ich mit dem Tretlager leicht an und verursache so ein ersten Lackabplatzer - wie ärgerlich. Was macht eine Werkslackierung nur so viel widerstandsfähiger als die Farbe aus der Dose?

Kettenkasten
Den lackierten Rahmen spanne ich in meinen Fahrrad-Montageständer ein, in dem der keine Rahmen verloren wirkt. Durch die gute Arbeitshöhe geht der Wiederaufbau schnell von der Hand. Gabel rein, Steuersatz mit den gereinigten und gefetteten Lagern bestückt und verschraubt; es folgen Vorbau und Lenkstange. Als die gesäuberten Schutzbleche montiert sind, fällt meiner Frau auf, dass die roten Linierungen nicht mehr schön sind. "Die musst Du nachmalen", meint sie. Also auf zum Bastelladen und matten Acryllack und einen feinen Pinsel besorgt. Dann die Schutzbleche mit Moltoband abgeklebt und den Picasso gegeben. Und tatsächlich: Die frische Farbe werte die ansonsten etwas angeschossen Schutzblech sichtlich auf. Gabel und Kettenschutz habe ich übrigens in Schwarz glänzend lackiert und dabei eine ganze Dose verspritzt.

Für alle Befestigungen benutze ich übrigens Edelstahlschrauben und Muttern, damit hier ja nie wieder was rostet. Es sind vor allem diese kleinen Details, die das Rad aufwerten. Leider sind sie die Felgen nicht mehr rettbar - zu viel Korrosion. Darum kaufe ich extra ein weitere Kinderrad mit blanken Stahlfelgen auf einem Flohmarkt. Sie lassen sich gut polieren und bekommen zwei neue Mäntel in braun. Als Quelle hierfür empfehle ich den Hollandbike-Shop. Hier findet man auch seltenere Teile.

Zu guter Letzt: Steuerkopfschild aufkleben
Ruckzuck ist auch die überholte Bremse mit neuem Zug, Hülle und Belegen montiert. Mir geht das fast zu schnell; irgendwo muss doch noch eine Falle lauern.

Tut sie aber nicht. Der Oldtimer lässt sich spielend montieren - eine echte Freude. Nur das Vorderrad will nicht so leicht in die Gabel flutschen. Die Einbaubreite meines Ersatzrades ist offenbar etwas breiter als die Gabel. Doch mit Kraft und Geduld ist auch das Problem gelöst. Es folgen Kette und Kettenkasten. Und dann, nee - das Rad ist schon fertig. Ganz zum Schluss noch ein Kalkhoff-Steuerkopfschild als Zierde an den Rahmen - und mein Geschenk glänzt im Wohnzimmer. Blöd nur, dass ich noch rund zwei Jahre warten muss, bis Sohnemann damit seine ersten Meter macht. Und das ist dann auch gleich der Unterschied zur Modelleisenbahn. Ich kann mit den 16-Zoll-Rad nicht fahren. Schade eigentlich.







Geheimtipp: Ein Teileparadies für Fahrradschrauber

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Ein buntes Sammelsurium an Vintage-Fahrradteilen zu günstigen Preisen
Normalerweise geben Fahrradschrauber und -sammler Quellen für Bikes und Teile ja nicht preis, sondern hüten sie wie einen heiligen Gral. Doch manche Geheimtipps sind so gut, dass sie veröffentlicht gehören, weil sie einem guten Zweck dienen. Genau so eine Insideradresse habe ich in Bad Oldesloe etwas nördlich von Hamburg entdeckt und ich wünsche mir, dass der Geheimtipp nicht länger so geheim bleibt wie er mir momentan erscheint. Denn wer hier Fahrräder und -teile kauft, kann sich nicht nur über Vintageteile und schöne "New Old Stock" (NOS)-Raritäten freuen, sondern tut damit auch gleich etwas für den guten Zweck. Und der hat ja besonders in der Vorweihnachtszeit Hochkonjunktur.
Kaufhaus Mehrwert mit Siebensitzer auf dem Dach

Das "Kaufhaus Mehrwert" versteckt sich in einem Gewerbegebiet im Südwesten der Kreisstadt Bad Oldesloe. Wer in der Straße Rögen landet, fährt Lkw, ist Vertreter, Lieferant, Abholer, Handwerker oder hat sich verfahren. So wie ich. Durch Zufall bleibt mein Blick an einem Fahrrad mit sieben  Plätzen hängen, das auf dem Dach eines verglasten Industriegeländes steht, hängen. Was ist das bitteschön? Wie kommt das Siebensitzer-Fahrrad dahin?

Ich bin neugierig und parke vor dem Gebäude. In dem stehen weitere Fahrräder. Es handelt sich um das Kaufhaus Mehrwert und gehört zu den Förderwerkstätten Forsthaus, also zu einer Einrichtung für behinderte Menschen. Das macht die Sache doppelt interessant: Fahrradteile shoppen und damit gutes tun. Also schnell rein in den Schuppen. Was ich im Inneren entdecke ist ein großes Sortiment an Ersatz- und Anbauteilen für Fahrräder aller, aber meist älterer Art. Da gibt es einen großen Vorrat an Neuteilen aus längst vergangenen Zeiten. Alte Union-Lampen, hängen neben Campa-Pedalen und Bonanzaradspiegeln, darüber jede Menge Schutzbleche und Streben. Ein Gang weiter unzählige  Reifen in ungewöhnlichen Größen, dazu uralte Schläuche von Conti und Phönix. Und das Schönste daran: Die Preise sind meist okay.

Etwas weiter hinten finden sich Gabeln, Züge Halterungen für Kindersitze wie den längst aus dem Programm verschwundenen Römer Sulky. Mein Sammlerherz schlägt immer schneller und es dauert sehr lange, bis ich das Angebot einigermassen gesichtet habe. Was brauche ich wirklich, was ist überflüssig - wie immer eine schwierige Frage. Ich stelle mir ein buntes Sammlersammelsurium zusammen und eile kurz vor Ladenschluss zur Kasse. Von dem freundlichen Mitarbeiter erfahre ich, dass das meiste Material aus Ladenauflösungen stammt und der Erlös der Behinderten-Einrichtung zu Gute kommt.

Geöffnet ist von Montag bis Freitag zwischen 8 bis 18 Uhr. Adresse: Rögen 18, 23843 Bad Oldesloe. 
Preiswerte fahrradreparaturen gibt es auch



Squire Snaplok: Originelles Fahrradschloss mit Stil

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Firmen, die nach vorne denken, verlassen gerne gewohnte Pfade und wenden dich mit neuen Produkten zunehmend an Blogger. So ist es mir jetzt mit dem Fahrradschloss von Squire ergangen. Die britische Firma fertigt schon seit 1780 Schlösser. Nun möchten die Engländer mit einem besonders coolen Fahrradschloss in der Form eines Karabinerhakens punkten. Mir wurde ein Probeexemplar geschickt. Der Kurztest fällt durchwachsen aus.
Zwei Dinge stören mich als Radfahrer am meisten: schlechtes Wetter und die Notwendigkeit, Fahrräder fast überall ab- und anschließen zu müssen. Ich empfinde dicke und schwere Fahrradschlösser als echte Abturner - ja, als so schlimm, dass sie einem den Spaß am Radfahren nachhaltig verderben oder erst gar nicht aufkommen lassen können. Und über Fahrradklau will ich an dieser Stelle erst gar nichts sagen. Es soll Leute geben, die deswegen das Radfahren aufgegeben haben. Darum: Fahrradschlösser - oder besser Fahrradsicherungssysteme - sind eine hochrelevante Materie.

Wie einfach ist das doch beim Auto: Ein kurzer Druck auf den Schlüssel und klack, schon ist die Kiste per Funk verschlossen. Ach, wie schön wäre das, wenn der Radfahrer auf solchen Komfort zurückgreifen könnte! Kann er aber nicht. Die Realität sind dicke, fette und schwere Ketten, Seile oder Stahlbügel. Design? Nee, steht meist definitiv nicht an erster Stelle. Sondern Sicherheit! Die wird bei Fahrradschlössern in verschiedenen Klassen angegeben und gemeinhin als kaufentscheidend dargestellt. Nach Optik kaufen hier und da ein paar Hippster und Designfreaks. Und das auch nur zähneknirschend. Denn schöne Fahrradschlösser gibt es eigentlich nicht.

Das möchte die Firma Squire gerne mit ihren Snaplock ändern. Das Schloss sieht aus wie ein großer Karabinerhaken. Es öffnet an einer Seite. Der Zahlenschlossmechanismus verschiebt sich dazu als Einheit und lässt sich dann nach außen klappen, wie ein Karabiner eben. Das macht das Teil ungewöhnlich und hebt es positiv von anderen Bügelschlössern ab.

Im Alltagseinsatz bleib bei mir ein zweischneidiger Eindruck. Einerseits mag ich die Gestaltung und die Kompaktheit des Snaplocks, andererseits nervte mich die Bedienung mal mehr mal weniger. Hauptnachteil des Snaplocks ist der geringe Bügeldurchmesser von nur rund 26 Zentimetern. Das schränkt vor allem die Abschließmöglichkeiten an Fahrradständern, Lichtmasten und anderem Stadtmöbiliar stark ein. Das Rad muss sehr nah am zu befestigenden Gegenstand geparkt werden. Und dieser sollte seinerseits eher dünn und filigran sein. Straßenlaterne? Vergiss es! Das Snaplock sucht eher Anschluss an schmale Rohre.

Selbst dann will der Umgang mit dem Schlosskarabiner geübt sein. Mann sollte schon genau wissen, mit welcher Seite und welcher Drehbewegung man den geöffneten Bügel ums Rad und beispielsweise Treppengeländer führt. Wer dabei vergisst, die richtige Seite für die Einstellung der Zahlenkombination nach oben zu legen, wird besonders im Dunkeln fluchen weil er sich zur Eingabe des Öffnungscodes heftig verrenken muss.  Also merke: Einstellmarkierung immer oben und gut sichtbar positionieren.

Ansonsten ist das Schloss solide und handlich. Vor allem der Drehmechanismus für die Zahlen wirkt hochwertige und arbeitet mit satten Klickgeräuschen - das hat was von einem Tresor. Den Code kann man übrigens mit zwei mitgelieferten Werkzeugen beliebig selber einstellen.

Und: Mit dem dazugehörigen Kunststoffhalter am Rahmen befestigt sieht es auch gut aus. Das kann man nicht von besonders vielen Fahrradschlössern behaupten. Mit einem Verkaufspreis um 60 Euro allerdings gehört das Schloss auch zu den teureren Vertretern seiner Art.

Kaufen ja nein? Ja und nein! Ja, wenn mit dem Snaplock ein Vintage-Rennrad oder Singlespeed mit dünnen Stahlrohren gesichert werden soll. Nein, wenn das Schloss an dickrohrigen Mountainbikes, Pedelecs oder modernen Trekkingrädern zum Einsatz kommt. Für diesen Zweck zeigt es sich zu unflexibel und gibt sich sperrig beim Handling.

Fahrradkalender für Genießer: Der gehört an die Wand oder "Wer mag schon Katzenkalender?"

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Verflucht, schon 4. Januar und eigentlich wollte ich diesen Post schon vor Weihnachten schreiben. Mir ist eine Kleinigkeit dazwischen gekommen... Trotzdem: Was nun folgt, ist eigentlich ein ideales Geschenk: ein Kalender! Aber was heißt hier schon Kalender. Ist es ist der Kalender. Zumindest wenn man auf alte und schöne Fahrräder steht. Name: One year of bicycles. Wer ihn nicht kennt, sollte unbedingt weiter lesen. Oder das Ding gleich bestellen. Denn für das Meisterwerk ist es nie zu spät. Auch wenn schon 4. Januar ist. Hinter dem Projekt stecken Nico Thomas vom Altonaer Bicycle Club und Fotograf Peter Rüssmann. Achtung, natürlich bin ich nicht objektiv. Ich kenne beide. Und ich schätze beide. Darum mag ich auch ihren Kalender. Und darum ist dieser Beitrag auch sehr positiv. Nicht, weil ich ein Exemplar geschenkt bekommen habe, sondern weil knallharte Kritik an so einem Herzensprojekt unmöglich ist. Darum: Dieses Ding gehört bei jedem Fahrradfan an jede Wand.




Kalender gibt es ja viele. Hundekalender, klar. Boote, Berge, Bauwerke, logisch. Und natürlich Autos- Sportwagen, Oldtimer, E-Autos... you name, we have it. Inzwischen gibt's die waldreduzierende Massenare wahrscheinlich auch im Schlussverkauf zu Dumpingpreisen. Mit Fahrradkalendern sieht das schon anders aus. Ein richtig großes Angebot ist nicht vorhanden. Echte Perlen noch viel weniger. Dieser hier ist eine. Die Auswahl der Fahrräder und ihre Darstellung ist einfach richtig gut gelungen. In ästhetischer wie technischer Hinsicht bietet er dem Auge jeden Monat ein Fest. Da kann man jeden Tag länger drauf gucken, ohne das es langweilig wird. Ein echtes Kunstwerk eben.

Nur Vorsicht, wer technische Faszination nur über Carbonrahmen und elektronische Kettenschaltungen definiert, wird sich in der stählernen Welt von vorgestern möglicherweise wie im falschen Film vorkommen. Interesse an Details und solider Mechanik sollten schon vorhanden sein, um mit diesem Werk den vollen Genuss zelebrieren zu können.

Schon mal von einem Diamant gehört? Oder einem Crescent? Klar, der Kenner nickt zustimmend und diskutiert fröhlich mit über ostdeutsche Sporträder und unverwüstliche Velos aus Schwedenstahl. Aber was ist mit einem Tandem von La Perle? Oder das Gladiator Damenrad? Oder der Stadion Halbrenner?

Schon diese Namen machen neugierig. Und was dann lichttechnisch meisterhaft von der Wand strahlt, fesselt den Blick mit fast magischer Kraft. Besonders Hintergrund, Lichtstimmung und Schärfe der Motive sind von überragender Qualität.

Da gibt es absolut nichts zu meckern. Doch wenn ich mir von Nico und Peter etwas wünschen dürfte, dann das: Wer sind die Typen hinter den Rädern? Wem gehören oder gehörten sie? Wer hat sie restauriert, gefunden oder gekauft? Will sagen: Wenn bei "One year of bicycles 2018" mehr Leben in die Bude kommt, dann wird aus der glatten eins eine eins plus mit Sonnenschein und fünf Sternen. Macht weiter so Jungs.

Und wer das gute Stück jetzt bestellen will, finde diese Möglichkeit hier. Der Kalender kostet 39,95 und 5,95 Euro Versand. 

Fahrrad-Café Hamburg: Tolles Service auf St. Pauli

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Willkommen: Der Eingang zum Fahrrad-Café
FCSP - dieses Kürzel steht eigentlich für den Fußball-Kultclub FC Sankt Pauli. Direkt um die Ecke vom Millerntorstation, dem Freudenhaus der 2. Liga, gibt es aber eine weitere Pilgerstätte, die mit den vier Buchstaben lockt: das Fahrrad-Café St. Pauli! Gehört hatte ich von diesem Café schon öfter; nun war ich zum ersten Mal da. Und sehr angenehm überrascht.



So muss es sein: Eine junge Radlerin schiebt ihr Peugeot-Vintagerennrad durch die Tür und wird freundlich von Razak begrüßt: "Na, was hast Du für Sorgen", fragt er. Razak ist Chef des Cafés und möchte bei seinen Kunden vor allem mit gutem und schnellem Service punkten. Das scheint ihm heute gut zu gelingen. Draußen regnet es und vom Peugeot-Renner fallen ein paar Wassertropfen auf den Boden. Für Razak kein Problem. Freundlich widmet er sich der Peugeot-Fahrerin. Sie steht direkt vorm Tresen, auf dem leckere Crossaints in einer Etagere locken.
Einen Fahrradverleih bietet das FCSP auch. Kosten: 10 Euro pro Tag

Genau so stelle ich mir ein gutes Fahrrad-Café vor: leckeres Essen und Schrauberservice unter einem Dach! "Mit dem Reifen stimmt was nicht", sagt die Peugeot-Frau. Raza erkennt das Problem sofort. Der Schlauch hat sich beim Aufpumpen zwischen Decke und Felgenhorn verklemmt und bildet dort einen störenden Wulst. Ab in die Werkstatt damit. Die liegt direkt neben dem Cafébereich. Schrauberabteilung und Gastrobereich bilden eine gelungenen Einheit. Während der Kunde sein Rad repariert bekommt, kann er mit Sichtkontakt zum Monteur einen Kaffee trinken. In diesen Genuss kommt die Rennrad-Dame heute nicht, denn das Peugeot-Problem ist blitzschnell gelöst und sie kann wieder raus, um durch den Hamburger Bindfaden-Regen zu strampeln. Durch das Wetter ist es heute auch relativ ruhig in Razaks Laden. Zehn Minuten dauert es, bis eine Kundin ihren Beachcruiser ins FCSP schiebt. Ein Platten am Hinterrad. Lässt sich schnell machen, aber die Pannenpilotin will nicht warten und lässt das Rad für die Reparatur in der Werkstatt.
Liebevolle Tischdeko im Fahrradcafé St. Pauli

Der Reparaturbetrieb scheint gut zu laufen. In der Caféabteilung bin ich heute der einzige Kunde. "Die Speisekarte wird gerade überarbeitet", erklärt mir Razak. "Ich entwickle ein neues Konzept." Mehr mag er momentan nicht verraten. Aber ich bin gespannt. Auch ohne Mittagstisch finde ich seinen Ansatz gelungen. "Pick-Up-A-Coffee" und "Grap-A-Beer" steht auf seinen Flyern. Genau das richtige für einen Zwischenstopp, wenn Du mit dem Fahrrad auf dem Kiez unterwegs bist. Und natürlich gibt es auch Ersatzteile: Ob Abus-Schloß, neue Kette oder Kleinteile - an einer Verkaufswand hängt, was der gemeine Alltagsbiker so braucht. Über der Ladentür hängt außerdem ein altes Hercules-Rennrad, im Übergang zur Werkstatt ein grünes Peugeot-Mixte aus prominenten Vorbesitz. "Hat mal einem hochrangigen Mitarbeiter der ZEIT gehört", erklärt Raza. Auch das mag ich: Kleine Storys rund um die schönen Räder, die ich hier sehe. Was will man mehr?
Razak Steinbrich ist Chef des FCSP

Standort, Konzept, Inneneinrichtung, Service - all das finde ich sehr gelungen. Für meinen Geschmack fehlen nur spezielle Fahrradrariäten. Das wäre das I-Tüpfelchen für Hamburgs einziges und echtes Fahrradcafé.


Die Werkstatt liegt direkt neben dem Café

Lastenrad-Service von Ikea: Saubere Sache, aber saulangsam

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Einkaufen bei Ikea. Ein Klassiker. Gehasst, geliebt, viel diskutiert. Und es passiert fast immer mit dem Auto. Auch bei mir sieht das in der Regel so aus: rein in die Karre, zwölf Kilometer zur Ikea-Filiale in Hamburg-Allermöhe dirket an der Autobahn. Rauf auf die riesigen Parkplatz. Oder hoch in den runden Stellplatz-Silo. Anschließend ab in die Ausstellung. CO2-Bilanz der Aktion mit einem Mittelklasse-Kombi: rund 3500 Gramm Kohlendioxid in die Atmosphäre gepustet. Auch mit einem gecarsharten Smart sieht der Umweltaspekt nicht viel besser aus. Aber es geht auch anders. In der noch recht neuen City-Filiale Hamburg Altona bietet Ikea eine kostenlose Lastenrad-Ausleihe an, um gekaufte Waren nach Hause zu transportieren. Ein Selbstversuch.
Malm soll es sein. Zwei weiße Schubladen-Kommoden mit hochglänzenden Fronten. Das jedenfalls hat meine Frau entschieden und beginnt am PC die Online-Bestellung zu bearbeiten. Ich rufe: "Halt. Stopp. Warte mal! Die hole ich selber mit dem Lastenrad aus Altona ab." Schon lange wollte ich wissen, wie gut dieser Gratis-Service von Ikea funktioniert. Was für Cargobikes stehen zur Wahl? Wie funktioniert das Ganze? Computer aus! Malm kommt per Cargobike und Muskelkraft ins Wohnzimmer, nicht mit Sprinter, Miet-Smart oder eigenem Pkw.

Altona ich komme. Mit der S-Bahn. Auch das schont die Umwelt. Ikea ich komme. In rund 20 Minuten bin ich von meinem Wohnort in Wilhelmsburg da. In der Wohnzimmer-Ausstellung spreche ich eine gelbgestreifte Ikea-Beraterin an: "Wo ist Malm? Glänzenden Fronten bitte! Und wo finde ich das im SB-Hochregallager?" Die Frau schreitet souverän zu einem Rechner, tippt was in die Tastatur und druckt ein DIN A4-Blatt aus: "Regal 13, Platz 09", steht da. Prima, alles klar. Ab in die SB-Halle. Und tatsächlich: Das Zeug liegt genau am beschrieben Platz. Rauf mit den zwei Pakten auf den Einkaufswagen und zur Kasse, zahlen und dann wird es spannend. Wo ist der Lastenrad-Transportservice?

Neben Transportern für Selbstfahrer und Lieferservice gibt es auch eine  Kurierdienst per Cargobike. Preis: ab 9,90 Euro. Nicht schlecht. Aber ich will ja selber fahren. Rechts neben der Warenausgabe warten sieben Lastenräder. Am Schalter zeige ich meinen Personalausweis, muss einen leihvertrag unterschreiben und schon schiebt mir eine Ikea-Mitarbeitern ein dreirädriges Lastenrad vor die Füße. Das war einfach. Ab jetzt wird es schwer. Denn mein Einkauf wiegt etwa 90 Kilo. Zum Einladen entferne ich die Stirnwand, wuchte die beiden Pakete auf die Ladefläche und scheibe die hölzerne Stirnwand wieder in ihre Position. Fertig. Durchatmen. Ein Foto machen.

Ich mustere das Bike und entdecke Aufkleber der Firma Ahoi-Velo. Sie ist Lieferant der Ikea-Transporträder vom Typ Vanandel. Fünf Minuten später habe ich die Fuhre durch die geflügelte Glastür auf die Große Bergstrasse geschoben. Durchatmen! Jetzt geht es los Richtung Wilhelmsburg. Doch schon nach wenigen Metern merke ich: Das wird eine langsame Tour. Das Cargobike-Trike bewegt sich nur sehr langsam zur Palmaile. Trotzdem gönne ich mir eine kurzen Abstecher zum Altonaer Balkon. Das Panorama auf Elbe und Hafen ist immer wieder geil.

Dann stürze ich mich den Elbhang hinunter. Bei 20 km/h wird mir mulmig und ich ziehe die Bremsen. Dreiräder können sehr tückisch werden. Abfahrten mit dem Ding sind keine Freude. Steigungen noch viel weniger. Quälend langsam geht es im ersten Gang voran. Etwa Schrittgeschwindigkeit; vielleicht sogar einen Tick langsamer. Wie ein langsamer Geher eben. Aber wie langsam würde ein Langsamer Geher mit 90 Kilo Last auf den Schultern wohl gehen? es sind solche Gedanken, die mir über die nächste kurze Steigung am Fischmarkt helfen. In der Ferne sehe ich schon das Kuppelgebäude des Elbtunnels. Zehn Minuten später bin ich da und teile mir mit einem weiteren Radfahrer den Personenaufzug. Das Lastenrad passt von der Breite her gerade so rein.

Im Tunnel muss ich schieben. Warum nur bin ich immer zur falschen Uhrzeit hier? Immer nur schieben. Nordwärts kommen mir paar Fahrradfahrer entgegen. Die haben es gut. Die haben die richtige Richtung zur richtigen Uhrzeit. Morgens wird Richtung City geschoben, abends Richtung Wilhelmsburg. Ich schiebe irgendwie immer. Und heute kommt sogar noch gegenverkehr in Form von ein paar Autos dazu, was mich auf den rechten Gehweg zwängt, der so gerade für Dreirad ausreicht.

In Steinwerder wieder rauf auf den Sattel. Noch nie kam mir die Argentinienbrücke so steil vor wie heute. Ich rolle vorbei an der alten Zollstation an der Ernst-August-Schleuse und biege nach links ab in die Fährstrasse. Kurzer Zwischenstopp in der Kaffeeklappe. "Du hast einen roten Kopf", sagt Lena, die hier wohnt und mich kennt, wenn ich keinen roten Kopf habe.

Roter Kopf auf dem Cargobike. Und nun bin ich schon rund eine Stunde unterwegs. kein Zweifel: Das Ikea-Lastenrad ist für Kurzstrecken bis maximal, sagen wir mal sieben Kilometer, gemacht. Alles was weiter weg ist, macht die Sache anstrengend. Besonders wenn viel Zuladung in der Kiste das Bike kräftig zum Erdmittelpunkt drückt.


Noch fünf Kilometer bis nach Hause. Die schaffe ich irgendwie. Rumpelnd poltert das Cargobike über den ruppigen Radweg der Georg-Wilhelm-Strasse. Noch einmal links, dann recht auf den Loop, links, wieder rechts über die Ampel und - geschafft. Schnell die schweren Malm-Pakete in die Wohnung und zurück mit dem Leihbike zu Ikea. Es ist 18.15 Uhr. Dann könnte ich doch S-Bahn fahren. Die Rush-Hour ist durch. Und in den HVV-Beförderungsbedingungen steht nicht von einem Lastenrad-Verbot.

Leider ist der Aufzug am S-Bahnhof Wilhelmsburg gut zwei Zentimeter zu schmal für Cargobike. Auch mit zweisitziger Croozer-Trailer will hier nicht durch passen. Was für eine Fehlplanung. Doch über die Rolltreppe geht's. Auch in die S-Bahn passt es prima. Zwar nimmt es im Türbereich viel Platz weg, doch die Wagons sind relativ leer. Das Ding stört niemanden. Ich hätte auch mit dem Malm-Gepäck die S-Bahn nehmen sollen. Das geht besser als gedacht.

Im Bahnhof Altona bringen mich zwei Fahrtreppen wieder ins Freie. Noch ein paar Pedalumdrehungen durch die Fußgängerzone, schon schiebe ich das Lastenrad wieder durch die die Ikea-Tür.  "Alles klar", sagt die Mitarbeitern. "Sie haben das Zeitlimit zwar leicht überzogen, aber das ist okay". Drei Stunden sind kostenfrei. Jeder weitere kostet fünf Euro. Eine wirklich tolle Sache. Wenn die Ikea-Leihlaster doch nur nicht so langsam wären.

Hej Ikea! Wie wäre es mit ein paar Bullits oder Omniums?

Fietsenbörse: Fahrrad-Schnäppchen oder überteuerte Hippster-Bikes?

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Starrender mit Eintage-Charme gab es jede Menge auf der Fietsbörsen
Das war ja nur eine Frage der Zeit: Endlich hat auch Hamburg einen professionell organisierten Marktplatz für Gebrauchträder. In Köln, Aachen und anderen NRW-Städten haben sich ähnliche Handelskonzepte schon seit Jahren etabliert. Nun mischt das Start-Up Fietsenbörse aus Münster die Szene auf. Ich habe mich mal probeweise als Verkäufer versucht.

Auch Kinderräder waren zahlreich im Angebot
8.30 Uhr am Sonntagmorgen. Ein wunderschöner Frühlingstag auf St. Pauli. Die Sonne lacht vom Himmel. Und der Spielbudenplatz steht rappelvoll mit Fahrrädern: Mountainbikes, Rennräder, Vintage-Velos, Kinderräder... alles da. Dazwischen jede Menge Menschen: Nerds mit Kennerblick, Studenten mit schmalem Geldbeutel, Familien..., auch alles da. Oder anders ausgedrückt: ein perfekter Marktplatz. Angebot und Nachfrage in Reinkultur. Hamburg kann so etwas gut gebrauchen. Deutschlands zweitgrößte Stadt ist schließlich selbsternannte Fahrradstadt - mit großem Bedarf an günstigen Gebrauchträdern und einem ebenfalls beachtlichen Angebot.

Bislang waren die seltenen Fahrradflohmärkte des ADFC, im Haus 3 Altona, auf dem Velodrom Stellingen und bei Fahrrad-Marcks in Bergedorf die einzigen Märkte, auf denen sich ein Fahrrad-Schnäppchen machen liess. Die meisten Bikes aus zweiter Hand werden sicherlich bei E-Bay-Kleinanzeigen gehandelt. Aber ein realer Gebrauchtmarkt ist das ebenso wenig wie die digitalen Marktplätze von Bikesale und Deal-my-wheel.

Ob der Spielbudenplatz eine ideale Fahrrad-Flohmarktlocation ist,
möchte ich stark bezweifeln
Wie ist der Markt organisiert? Wie sind die Erfolgsaussichten als Verkäufer? Schnell habe ich in meiner Fahrradsammlung zwei Kinderräder (von Kettler sowie ein 70er Jahre Oldie von Puky) und ein 24er-Klapprad von Patria gefunden die weg müssen. Am Eingang zu Fiestenbörse liegen DIN A4-Zettel aus, die auszufüllen sind: Name, Adresse, Preis, Peso-Nummer, Unterschrift. Ruckzuck fülle ich das Blatt aus, das bei erfolgreichem Verkauf als Vertrag gilt

Entgegen genommen wird er von einem Typen, der die Ruhe trotz der Markthektik weg hat. Ich glaube es ist der Chef und Erfinder des Marktes persönlich. Mit viel Routine befestigt er ein Preisschild am Lenker. Der Vertrag wandert von einer Plastikhülle geschützt jeweils ans Unterrohr. Jetzt muss ich die Räder selbst auf der Marktfläche platzieren. Gar nicht so einfach. Professionelle Händler haben große Teile des Spielbudenplatzes schon sehr früh am Morgen in Beschlag genommen. Freie Flächen gibt es kaum noch.

Der Eingang: Hier müssen alle rein und raus
40 Euro will ich fürs Kettler-Kinderrad haben. Fürs Vintage-Puky sind 70 Euro announciert, Am Patria hängt der gleiche Preis; davon gehen bei Verkauf jeweils 17 Euro an die Fietsenbörsen-Betreiber. Das ist eine stolze Provision, aber der Laden macht ja auch einiges an Werbung und stellt eine Infrastruktur. Leider fehlen aber Fahrradständer und die windige Umfriedung des Spielbudenplatzes mit einem grünen Pseudozaun wirkt eher hemdsärmlig.


Egal, meckern ist immer leicht. Insgesamt machen Orga und Abwicklung einen guten Eindruck. Der besonders Reiz des Marktes ist, dass man als Anbieter seine Räder anpreisen und erklären kann. Es aber nicht muss. Ich wähle die bequeme Variante, stelle meine Räder ab, mache einen kurzen Rundgang um mir einen Überblick zu verschaffen und fahre anschließend mit meiner Familie auf den Spielplatz. Erst um 15 Uhr bin ich zurück auf dem Markt. Große Spannung: Wird eines meiner Bikes verkauft sein? Vielleicht sogar alle drei? Oder keines?

Ein holländisches Sparta mit Stahlpress-Rahmen. Für 295 Euro
in meinen Augen aber leider überteuert
Immer noch herrscht viel Betrieb auf der Fietsenbörsen. Der Platz wirkt aber deutlich leerer. 70 Prozent, so heißt es seitens des Veranstalters, werden in der Regel verkauft. Das ist viel. In den anliegenden Straßen und vor der Davidswache flitzen Kaufinteressenten auf angebotenen Rädern auf und ab

Von meinen drei Rädern finde ich nur eines wieder: das Kettler. Das Patria und auch das Vintage-Puky sind verkauft, für jeweils 70 Euro. Das macht abzüglich Provisionen 106 Euro - eine gute Einnahme, aber auch ein Grund zur Freude für die beiden Erwerber. Denn beide Räder waren gut in Schuss und sofort fahrbar.
Tausende strömten zur Fietsenbörse

Vielleicht hätte ich bei E-Bay mehr erzielt. Aber so ein realer Markt macht irgendwie mehr Spaß. Die Fietsenbörse schließt in Hamburg offenbar wirklich eine Marktlücke. Störend fand ich nur die relativ große Anzahl an Händlern, die mit ihren Riesenangebot den Markt quasi überfluten. Privatanbieter mit nur einem Bike waren scheinbar die große Ausnahme. Bemerkenswert ist das große Angebot an Stahlrennrädern, von denen aber viele stehen blieben. Lag's an zu hohen Preisen? Normalerweise ist diese Vintage-Ware stark gefragt. Wenig vertreten waren höherwertige Rennräder und MTB. Oldtimer und Kuriositäten waren sehr rar. Das Gros waren simple Gebrauchsräder unterschiedlichster Couleur. Und die treffen zu recht ja auch das Gros des fahrradsuchenden Publikums.

Ach, bleibt ja noch eine Frage unbeantwortet: Fahrradschnäppchen oder überteuerte Hippster-Bikes? Ganz klar: beides.

Ich werde die nächste Fietsenbörse am 21. Mai gerne wieder besuchen. Dann vielleicht als Testkäufer und investigativer Beobachter.










Tatort Radweg: Versuchte Vergewaltigung von Velo-Fahrerinnen - eine Spurensuche

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Versuchte Vergewaltigung auf Radfahrerinnen: Markierungen der
Kripo am Tatort

Wie sicher sind eigentlich Radwege? Nein, nicht die Verkehrssicherheit ist gemeint, sondern die Wahrscheinlichkeit, auf einer Veloroute als Radfahrer Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Seit ein paar Tagen beschäftigt mich diese Frage intensiv, weil es in der Nähe meiner Wohnung in Hamburg-Wilhelmsburg zu zwei versuchten Vergewaltigungen gekommen ist - auf einem Radweg, den ich mehrmals wöchentlich befahre, noch öfter meine Frau und in Zukunft wahrscheinlich auch meine Kinder. Besonders besorgniserregend: Der Tatort ist keine dunkle Piste im Wald, sondern die zwei Täter schlugen auf dem "Loop" zu - einem ausgeleuchtetem Vorbild-Radweg, der 2014 sogar mit dem deutschen Fahrradpreis in der Kategorie Alltagsmobilität prämiert wurde. Also ausgerechnet ein infrastrukturelles Muster-Projekt wirft die Frage auf, wie sicher wir uns als Radfahrer vor kriminellen Übergriffen fühlen dürfen.

Bislang war das für mich nie ein Thema. Im Gegenteil: "Komm rüber", so wirbt der offizielle Slogan der Stadt Hamburg für einen Sprung über die Elbe. Natürlich gerne mit dem Fahrrad. Doch für zwei Frauen - 26 und 30 Jahre jung - wurde der Ausflug nach Süden nun zum Verhängnis. Nur ihre Hilferufe verhinderten Schlimmeres. Ein Tatortbesuch mit Spurensuche und ein paar Spekulationen.




So viel vorweg: Ich bin kein Kriminalitätsexperte. Ich schaue fast jeden Tatort in der ARD. Und ich habe Phantasie. Polizeiermittler werden nun sicherlich müde lächeln: Was will der Amateur? Kommissar spielen oder was? Ja genau. Genau das habe ich getan. Weil ich mich persönlich betroffen fühle. Weil ich den Platz des Verbrechens gut kenne. Weil ich einfach wissen möchte, wie so etwas passieren kann. Und weil ich mir Gedanken mache, wie man so eine Gewalttat verhindern kann.
Ausschilderung des "Loop"
Richtung Süden

Darum habe ich mir nicht nur den Tatort genau angeschaut, sondern auch die Umgebung und mögliche Wege der Täter. Wo können die her gekommen sein? Wohin sind sie geflüchtet? Woher stammen sie? Wer könnte sie gesehen haben? Und überhaupt: Wie waren die Umstände, die zu der Gewalttat geführt haben.

Die Nacht auf den 11. Juni 2017 ist das, was der Hamburger unter einer lauen Sommernacht versteht. In der Luft liegt auch am frühen Sonntagmorgen noch eine milde Schwüle. Eine ideale Partynacht, in der es viele junge Menschen nach Wilhelmsburg zieht. Über den Alten Elbtunnel und die Elbbrücken ist die Flussinsel gut mit dem Fahrrad zu erreichen. Seit ein paar Jahren wird der einstige Schmuddelstadtteil, der 1962 fast komplett überflutet wurde, zum Szenenquartier stilisiert. In den 70er-Jahren sorgte die Giftmülldeponie Georgswerder für negative Schlagzeilen, weil hochtoxisches Dioxin ins Grundwasser sickerte. Im Jahr 2000 wiederum biss ein zur Kampfmaschine dressierter Pitbull-Terrier den kleinen türkischen Jungen Volkan in der Nähe der S-Bahnstation Wilhelmsburg tot. Kein Zweifel: Lange stand der Stadtteil eher für Gewalt als für Glamour. Bis vor vier Jahren.
Der Tatort liegt an den vielbefahrenen Veloroutren 6 und 11 und
ist Teil des "Loops". Der gewann 2014 den Fahrradpreis

2013 wandert Wilhelmsburg quasi in den Mittelpunkt der Hamburger Landkarte. Die Stadtväter suchen Flächen für neuen Wohnraum in der rasch wachsenden Metropole. Ihre zentrumsnahe Lage prädestiniert die Elbinsel zum neuen Entwicklungsgebiet. Internationale Bauausstellung (IBA) und die anschließende Internationale Gartenschau (IGS) sollen das schlechte Image Wilhelmsburgs nachhaltig aufpolieren. Aus der Giftmülldeponie wird ein Energieberg mit LED-verzierten Höhenrundweg auf Stelzen. Daneben drehen sich Windmotoren und eine große Foto-Voltaikanlage verstromt die Sonne,  die nun nicht nur aus dem Himmel auf Wilhelmsburg scheint. Im einst grauen Flakbunker eröffnet ein Aussichtscafé und das schmuddelige Reiherstiegviertel wird zur neuen Schanze erklärt. Besonders offenkundig wird der Wandel in der neuen Mitte Wilhelmsburg. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt bezieht einen bunten Neubau; gegenüber protzen experimentelle Wohnhäuser für Besserverdiener. Ein schickes Quartier für die urbane Avantgarde. Wilhelmsburg wird zur Hochburg für Gentrifizierer. Und genau diese sollen natürlich auch den neuen Multifunktionsradweg zu ihren Büros in der Hafencity und Alsternähe nutzen.
Zeitweilig führt der Radweg direkt an der Wilhelmsburger
Reichsstrasse entlang, die hier in die BAB 252 mündet.
Hinter der Kurve wird es unübersichtlicher

Im größten Hamburger Stadtteil südlich der Elbe herrscht Festivalstimmung: Die Veranstaltung "48 Stunden Wilhelmsburg" lockt jede Menge musikbegeisterte Menschen auf die Elbinsel. Seit ein paar Jahren ist der parallel zur Wilhelmsburger Reichsstraße verlaufende Honartsdeicher Weg ein Teil des vielgelobten "Loop" - eine Art Radschnellpiste, die eine zügige Fahrt zwischen der neuen Mitte Wilhelmsburgs und der Veddel ermöglicht. "Eine vorbildhafte Wegeverbindung", nennt sie die Jury des deutschen Fahrradpreises, den die beliebte Route 2104 gewonnen hat. Was kann hier schon schief gehen? Das werden sich wohl auch die beiden 26- und 30-jährigen Frauen gedacht haben, die laut Bericht der Kripo kurz nach ein Uhr den "Loop" in südlicher Richtung mit ihren Fahrrädern befahren. Kamen sie aus dem Stadtzentrum? Oder vom nahen S-Bahnhof Veddel? 

Wo wollten die Frauen zu dieser Zeit hin? Ihr Ziel scheint mir einigermassen wahrscheinlich: eine Party in einem Kleingartenverein in der Nähe vom Ernst-August-Kanal. Nur wenige Stunden zuvor bin ich exakt diese Strecke gefahren, musste ein paar Feierwütige umkurven und freute mich über die ausgelassene Stimmung. Nie hätte ich gedacht, dass es hier gefährlich sein kann. Dass im Grünstreifen möglicherweise Gewaltverbrecher lauern. Der Loop hat Lampen, ist breit ausgebaut und wird von vielen Rad- und Mofafahrern genutzt - auch mitten in der Nacht. Trotzdem schlugen um 1.18 Uhr zwei Täter zu. Im Polizeibericht liest sich das so: "Sie kamen den Geschädigten zu Fuß entgegen, machten ihnen zunächst Platz für die Durchfahrt. Bei der Vorbeifahrt griffen sie die Geschädigten dann unvermittelt an, woraufhin diese zu Boden stürzten. Die beiden Männer schlugen auf die am Boden liegenden Geschädigten ein und zerrten sie in einen Grünstreifen. Die weiteren Handlungen der beiden Täter waren offensichtlich sexuell motiviert. Sie ließen erst von den Frauen ab, als ein Zeuge durch die Hilferufe der Geschädigten auf die Situation aufmerksam geworden war. Die Täter flüchteten daraufhin in Richtung AS Georgswerder/Georgswerder Bogen."
Der schreckliche Vorfall ist nicht nur ein Rückschlag fürs Sicherheitsempfinden für radfahrende Frauen, sondern auch fürs gesamte Image des lange verrufenen Stadtteils. Flut, vergiftete Flächen, Volkan, Vergewaltigungsversuche... - irgendwie bleibt Wilhelmsburg doch die Bronx der Hansestadt.
Die Opfer fuhren durch diese Kurve gen Süden. Der Tatort liegt auf der linken Seite
im Gebüsch.
Rund 300 Meter hinter dem S-Bahnhof Veddel zweigt in südlicher Fahrtrichtung links eine kleiner Weg ab. Er ist nur etwa zehn Meter lang, steigt leicht an und endet an der Ampelkreuzung Veddeler Straße/Georgswerder Bogen. Wer auf dem Loop bleibt, fährt nun vor Erreichen der Eisenbahnunterführung eine ganz leichte Rechtskurve. Um Autos die Durchfahrt zu verhindern, sind rotweiße Pollenstangen im Boden eingelassen. Der Belag ist an dieser Stelle holprig. Rechts hat der Kleingartenverein Hoffnung von 1931 sein Vereinsheim. Auf dem Dach ist eine kleine Videokamera installiert, die den Parkplatz der Schrebergärtner überwacht. Ein entsprechendes Schild weist am grünen Metallpfleiler der Zufahrt darauf hin. Hat die Kamera auch den Loop im Blick? Wahrscheinlich nicht. Sie zielt nur auf den Parkplatz. Alles andere widerspricht wohl möglich Datenschutzbestimmungen.
Hinweisschild am Kleingartenverein
Hoffnung

Weniger als einen halben Kilometer illuminiertes Asphaltband trennt die Radfahrerinnen von ihrem mutmasslichen Ziel. Sie sollten es leider nicht erreichen. Noch vor der sanften Rechtskurve fallen die Frauen ihren Peinigern in die Hände. Der Radweg kurz vorm Hoffnung-Clubheim wird völlig unvermittelt zu einem Ort der Verzweiflung. Auf der linken Loop-Seite weitet sich das Begleitbepflanzung der Autobahnanschlussstelle Georgswerder zu einem breiten Grünstreifen. Ein kleiner Trampelpfad führt ins Dickicht. Auf dem schwarzen Boden liegen übereinander getürmt ein paar Äste. An ihnen kleben Zahlen der Spurensicherung. Hier also ist es passiert. Auch in Zweigen sind die Ziffern der Kriminaltechniker zu entdecken - keine drei Meter vom Radweg entfernt.
Das Material der Spurensicherung
liegt noch im Grünstreifen

Absolute Sicherheit gibt es nicht. Auch der beste Radweg durch Grünanlagen lässt sich offenbar nicht komplett überwachen. Verkehrsplanern und Behörden kann man keinen Vorwurf machen. Der Loop ist so gut oder schlecht wie jeder andere Radweg auch, der durch begleitende Vegetation hier und da unübersichtlich wird. Baulich gibt es da wenig Chancen - zumindest auf vertretbarem Niveau. Etwas anders schätze ich allerdings die präventiven Möglichkeiten ein.
Illegal errichtetes Zelt neben der Eisenbahn-
Unterführung

Matratzen wenige Meter neben der Tatstelle
Wenige Schritte von den Tatortmarkierungen liegen ein paar Matratzen im Gebüsch. Nur Müll? Oder eine Schlafstätte? Mitten im Geäst hängt ein blauer Sack, vollgestopft mit leeren Schnapsflaschen  Darunter eine braune McDonaldstüte mit Fastfood-Resten. An der Eisenbahnunterführung hat jemand ein kleines Zelt aufgebaut. Dahinter türmt sich illegal entsorgter Unrat. An verschiedenen Stellen sind Trampelpfade ins Unterholz zu entdecken. Wer geht hier lang? Wohin führen diese Wege?

Wilhelmsburg hat ein Müllproblem. Leider! Grünanlagen werden viel zu oft als Entsorgungsstellen missbraucht. Eine effektive Überwachung, Fahndung und Bestrafung findet nicht statt. Das beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl. So viele Kühlschränke, Möbel und vollgestopfte Plastiksäcke finden sich in keinem anderen Stadtteil. Kein Wunder, denn Wilhelmsburg hat viele versteckt liegende Grünstreifen und Brachflächen, Müllsünder treiben unbehelligt ihr Unwesen. Ganz klar: Schlecht gepflegte Flächen mit hohem Bewuchs, uneinsichtigen Trampelpfaden und illegalen Müllentsorgungsverstecken begünstigen Straftaten. Hier sollte man ansetzen.
Tatort: Auf diesen Zweigen entdeckte die Polizei Spuren der
versuchten Vergewaltigung

Zur Täterbeschreibung heißt es im Polizeibericht: "Die Täter konnten von den Geschädigten wie folgt beschrieben werden: - 1,70 m bis 1,75 m groß - "südländisches" Erscheinungsbild - schlanke Figur - kurze, dunkle Haare - einer der Täter war mit einer hellen Oberbekleidung bekleidet. Die Bekleidung der beiden Täter war nach der Tat möglicherweise blutverschmiert. An den sofort eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen waren insgesamt fünf Funkstreifenwagen und der Polizeihubschrauber "Libelle 2" beteiligt. Die Fahndungsmaßnahmen führten allerdings nicht zur Festnahme der Täter.
Fluchtwege gibt es in dieser Gegend leider viele. Auf der anderen Seite der Kreuzung verläuft ein unbefestigter Weg unter der BAB 252 hindurch und verschwindet in einer weiteren Kleingartensiedlung mit einer Abzweigung zum Niedergeorgswerder Deich. An dem wiederum liegt der Georgswerder Ring, eine Siedlungsstraße die wahrscheinlich deutschlandweit einmalig ist. Die Kripo wird sicherlich auch hier ermittelt haben. Und bestimmt auch auf dem LKW-Rasthof an der Shell-Tankstelle im Georgswerder Bogen. Neben LKW-Fahrern übernachten hier auch gerne Wanderarbeiter aus dem Balkan in ihren Autos.
So sieht der Radweg Richtung Norden aus, als die Blickrichtung
der Täter

Etwas abseits parkt ein silberner Passat mit bulgarischen Kennzeichen. Neben der geöffneten Beifahrertür steht der korpulente Fahrer mit freiem Oberkörper und uriniert ins Gras. Für den Parkplatz werden Gebühren erhoben und er wird bewacht. Aber ein hohes Sicherheitsgefühl vermittelt er dennoch nicht. Haben hier in der Tatnacht verdächtige Fahrzeugbewegungen statt gefunden? Auch das wird die Polizei recherchiert haben. Zu Festnahmen kamen es aber leider nicht.

Kann man sich gegen gewaltsame Übergriffe auf Radwegen schützen? Und wenn ja wie? Mir fallen dazu folgende Strategien ein:
-Nähert man sich auf dem Fahrrad von hinten dubios erscheinenden Gestalten, besser lautlos bleiben statt zu klingeln und die Personen möglichst zügig mit Überraschungsmoment überholen.
-Sind potentielle Gefährder in der Gegenrichtung unterwegs, haben diese Zeit die Situation zu analysieren. Das erscheint mir als besonders gefährlich und war ja auch in diesem Fall so. Dann hilft wahrscheinlich eine Tempoerhöhung und möglichst entschlossenes Auftreten. Im Zweifel sollte man vielleicht sogar auf die möglichen Täter zuhalten und erst im letzten Moment ausweichen.
Die beiden Täter sollen über die BAB-AS Georgswerder
geflohen sein
-In jedem Fall finde ich einen möglichst hellen Scheinwerfer und einen lauten Alarmbuzzer hilfreich. Ein Freund von mir rät seinen Töchtern, stets Pfefferspray griffbereit in der Tasche mitzuführen.

Dass es am Ende nur bei der versuchten Doppelvergewaltigung blieb, ist ein schwacher Trost. Ein Zufall oder die Nähe der Kleingarten-Party sorgten dafür, dass ein Zeuge die Hilferufe der Frauen vernahm. Sie ließen von ihnen ab und flüchteten. Wie es in den beiden Opfern aussieht, kann man nur erahnen. Werden sie wieder unbeschwert Radfahren können? Auch nachts? Oder bleibt ein Trauma?
Kreuzung Veddeler Straße/Georgswerder
Bogen: Wohin sind die Täter geflohen?

Bis zum 14. Juni sind keine weiteren Ermittlungsdetails bekannt geworden. Auch Phantombilder und einen Fahndungsaufruf konnte ich bislang nicht entdecken. Bleibt zu hoffen, dass die Polizei die flüchtigen Täter ausfindig macht und per DNA-Spuren überführt. Vielleicht nützt ja auch ein Bericht in der beliebten Sendung "Aktenzeichen xy ungelöst".




Wer hat was zur Aufklärung beitragen kann, meldet sich hier:Polizei Hamburg, Telefonnummer 040/4286-56789.

Longtail-Lastenrad im Test: Das Beste kommt zum Schluss

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Bicicapace: eine eierlegende Wollmilchsau
Cargobikes für Kinder? Logo, das bedeutet Bakfiets, Christiana, Nihola, Bullit und wie sich nicht alle heißen. Sportliche Fahrer entscheiden sich meist für ein Einspurmodell, wer's gemütlicher mag, kauft eine dieser lenkbaren Kisten mit zwei Vorderrädern - neuerdings gerne auch mit Neigetechnik und E-Motor. Die so genannten Longtailbikes haben dagegen in Deutschland nur wenige Lastenradkäufer auf dem Radar. Völlig zu Unrecht, wie ich durch einen mehrwöchigen Alltagstest erfahren habe. Seit vier Wochen nutzen meine Frau und ich ein Bicicapace Justlong und sind nach anfänglicher Skepsis total begeistert von dem einfachen, aber enorm praktischen Longtail-Bike aus Italien.
Das Justlong von Bicicapace aus Mailand ist ein echter Geheimtipp und hierzulande (noch) extrem rar. Kein Wunder: Deutsche Lastenradkäufer schauen in der Regel auf unsere Nachbarländer Holland und Dänemark. Und dort werden Kinder und Fracht fast ausschließlich vorm Fahrer in einer Holzkiste kutschiert; entweder mit zwei Rädern, oft aber auch als Trike mit zwei Rädern an der Vorderachse. Ganz anders in Amerika: Dort hat offenbar die Pick-Up-Autokultur (das meistverkaufte Wagen in den USA ist seit vielen Jahren der Pritschwagen Ford F 150) dazu geführt, dass auch bei Fahrrädern Lasten auf dem Heck befördert werden. US-Hersteller wie Surly und Yuba exportieren auch nach Europa, ihre Longtails sind aber eher Exoten im Lastenradsegment.
Für Kurzstrecken ideal: Heckbank für den Nachwuchs

In diesem mischt nun auch der italienische Hersteller Bicipace mit. Das Justlong rollt auf dicken 20-Zoll-Reifen, hat einen soliden Rahmen aus Stahlrohren, tiefen Durchstieg und eine schmale, lange Ladefläche über dem Hinterrad, die als Sitzbank für bis zu drei Kinder oder für Lasten aller Art verwendet werden kann. Unser Testbike hat eine umlaufende Alureling und ist damit ideal für den Kindertransport. Eine Sitzbank war nicht montiert. Die haben wir aus einer Decke selbst gebaut und mit Kabelbindern fixiert - klar, nur eine Notlösung. Aber eine, die überraschend gut funktioniert.

Preisfrage: Wie wird unser zweieinhalbjähriger Sohn Henry auf das Rad reagieren. Er ist Bikeprofi, kennt Anhänger genau so wie Front- und Hecksitze, ist schon in Bakfiets und verschiedenen Dreirädern chauffiert worden. Wenn er eine Meinung zu einen Fahrrad hat, dann sollte man die ernst nehmen.
Bike-Laster: ein Umzugskarton passt perfekt auf die Ladefläche

Neugierig nähert sich Henry dem Testobjekt und erkennt die improvisierte Heckbank sofort als seinen Sitzplatz. Links und rechts lassen sich für den Kindertransport zwei große Trittflächen runterklappen. Nach dem das geschehen ist, versucht Henry von unten durch die Albreling auf die Sitzbank zu klettern - vergeblich, zumindest mit aufgesetztem Helm passt sein Kopf nicht durch den Zwischenraum. Also muss ich ihn von oben auf der Rückbank platzieren. Instinktiv greifen seine Hände nach der Reling. Er hält sich fest, blickt nach vorn und sagt: "Los geht's!" Gibt es ein überzeugenderes Argument für dieses Bike?

Erkenntnis Nummer eins: Der Nachwuchs kann das Bicicapace aus eigener Kraft be- und entsteigen. Das ist ein großer Komfortgewinn gegenüber dem klassischen Fahrradkindersitz. Den Helm muss man Kinder aufsetzen oder abnehmen wenn sie auf Bank sitzen.
Maxicosy gegen die Fahrtrichtung und mit Spannbändern sicher fixiert. Der
größere Bruder dahinter passt aufs Baby auf

Nun, Sicherheitsapostel werden fragen, ob man ein Kleinkind ohne speziellen Kindersitz transportieren sollte. Meine Antwort: Ja, denn das wirkt sicherer als es auf den ersten Blick erscheint. Denn Kinder sitzen auf dem Bicicapace ausgesprochen gut und seitlich geschützt. Sie halten sich intuitiv an der Reling fest und genießen die Aussicht. Bei einem Sturz, Aufprall vorn oder von hinten sind sie natürlich weniger geschützt als in einer klassischen Kunststoffsitzschale. Wer diese Sicherheit möchte kann zwei Kindersitze von Yepp auf dem Bicicapace montieren. Nur mit der Bank finden aber sogar bis zu drei Kindern Platz.

Außerdem ist es möglich, eine Babyschale sicher in der Reling zu verzurren. So lassen sich sogar Säuglinge gegen die Fahrtrichtung transportieren, während der ältere Bruder dahinter nach vorne schaut.

Überhaupt ist das Bicicapace ein Transportwunder. Mit Frontsitz und Anhänger erweitert sich die Passagierzahl sogar auf bis zu sechs Kinder - welcher SUV schafft das schon?
Bicicapace: ein perfektes Geschwisterrad

Auch als kombinierter Kinder- und Frachttransporter macht das Bike eine gute Figur. So habe ich aus dem Getränkemarkt drei Kisten Bier abgeholt, während Henry vorne in seinem Römer Sulky die Aussicht genoss.

Last not least ein Wort zum Fahrgefühl: Das liegt klar auf der gemütlichen Seite. Das Bicicapace fühlt sich an wie ein Hollandrad. Die Sitzposition ist sehr aufrecht und nichts für lange Touren. Gleiches gilt für die Shimano-Dreigangnabe. Ihr Übersetzungsspektrum reicht von sehr leicht über leicht bis Cruising-Tempo, das maximal etwa um 15 km/h liegen dürfte - ein Bike also für gemütliche Kurztrips zur Kita oder zum Supermarkt.
Kind und drei Getränkekisten, kein Problem fürs Bicicapace

Dabei fällt angenehm auf, dass Einlenkverhalten und Wendekreis sich kaum von einem normalen Fahrrad unterscheiden. Das Rad fühlt sich überraschend wendig und agil an; eine Ein- und Umgewöhnung ist kaum nötig. Wer Kinder transportiert gewöhnt sich ohnehin eine vorausschauende Fahrweise an. Dann fallen auch die beiden eher mässig verzögernden Rollerbrakes nicht negativ ins Gewicht. Das Bremshebelgefühl ist teigig, der Anhalteweg besonders mit hoher Zuladung ziemlich lang, aus zehn bis 15 km/h aber in der Regel unproblematisch. Befindet sich Fracht auf der Ladefläche neigt das Bicicapace ab etwa zwölf km/h zu Rahmenflittern, wenn der Fahrer die Hände vom Lenker nimmt. Dieses Schicksal teilt es aber mit vielen anderen Fahrrädern.

Cyclassics 2017: kleine Räder, großes Rennen

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Der Anruf kam kurzfristig: "Fahren wir die Cyclassics", fragt mein Freund Matthias wenige Tage vor der diesjährigen Veranstaltung. Eigentlich wollte ich nicht. Und eigentlich sind 92 Euro für die 60 Kilometer-Strecke eine Frechheit. Aber dann standen wir Sonntag um acht Uhr doch am Start. Wie es dazu kam, ist einigermassen kurios. Und dann war da ja auch noch die Frage: Womit fahre ich dieses Jahr?
Nach Vintage-Rennrad, modernes 20 Zoll-Moulton ZerlegbikeFatbike und vergangenes Jahr 70er Jahre Touren-Tandem sollte es dieses Mal natürlich wieder etwas Besonderes sein. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich für mein Moulton Deluxe -  ein legendäres englisches Fahrrad, das für ein Jedermann-Radrennen einige Spezialitäten zu bieten hat. Leider gibt es bei den Cyclassics ja nur eine Tandem-, keine Spezialrad-Wertung. Mit der Laufradgröße 16 Zoll - eigentlich ein Mass für Kinderräder - bin ich aber nicht der einzige Exot im Feld, wie ich später im Ziel feststelle. Ein Brompton mit Startnummer rollte an mir vorbei.  Sein Fahrer ist ebenfalls auf den kleinen Laufrädern bei Deutschlands größtem Jedermann-Rennen angetreten.

Wer wohl die 16 Zoll-Wertung gewonnen hat? Ein Alleinstellungsmerkmal sind meine 16 Zoll Reifen also nicht. Bessere Chancen für meinen Einzeltäter-Anspruch dürfte das Baujahr meines Rades liefern: 1964! Ein echter Oldtimer also. 53 Jahre alt. Antiquierteres Material habe ich nicht gesehen. Eine Statistik führt der Veranstalter nicht - sehr schade.

Dass ich zusammen mit Matthias, Jens und Andre am Start stehen konnte, war dann übrigens pures Glück. Zu einer reguläre Nachmeldung für 92 Euro mochten wir uns nicht durchringen. Darum haben Matthias und ich an einem Gewinnspiel teilgenommen und tatsächlich vier Startplätze gewonnen - was für ein Zufall.

Kurz nach acht rollen wir vier durch den Startbogen vorm Dammtor-Bahnhof und nehmen Fahrt auf. Auf der Fruchtallee der erste Tempotest: Bei rund 35 km/h komme ich an meine Grenze. Viel schneller geht nicht. Die Viergang-Sturmey-Archer-Nabe gibt nicht mehr her, links ziehen die flotten Rennräder vorbei. Aber auch rechts fahren Rennräder, etwas langsamer als wir. Ein schönes Gefühl.

Nach gut zehn Kilometern vermeldet Matthias beim Blick auf seine Roadbike-App: "Das könnte ein 30er Schnitt werden." Nun ja, sind ja noch 50 Kilometer bis ins Ziel. Mal sehen, ob wir das Tempo tatsächlich halten können. Können wir! Wir hangeln uns durch die Gruppen, suchen stets den richtigen Windschatten, dadurch geht es zügig voran.

Manchmal drehen sich Mitfahrer irritiert um. Das liegt an meinem Seitenständer, der auf Unebenheiten komisch klappert. Scheint auf einige bedrohlich zu wirken. In Schulau am Willkommenshöft bläst uns kräftiger Wind ins Gesicht. Hier stellen Jens und ich auch fest, dass wir Andre und Matthais verloren haben. Ursache: Andre war die Kette abgeflogen. Wieder an unsere Gruppe zu kommen, fordert die beiden mächtig.

Und dann ist er schon da, der leidige Kösterberg. Es wird eng. Es wird langsam. Es wird gestöhnt. Aber nur kurz. Dann geht es flott runter zum Blankeneser Bahnhof und auf die Elbchaussee. Noch kurz die Reeperbahn rauf, schon naht das Ziel. Mit lauter Anfeuerung und Bandengeklatsche geht es durch den Zielbogen. Geschafft, mit 16 Zoll Reifen auf einem englischen Oldtimer-Exoten. Das alles übrigens bei Sonnenschein und Rückenwind. Viel schöner kann ein Jedermann-Rennen nicht werden. Gut, dass wir gestartet sind.

Und unserer Durchschnittstempo kann sich sehen lassen: 30,56 km/h! Matthias hat uns sogar noch etwas schneller mit seiner App gemessen.

Kinder-Anhänger statt Cargobike: Wenn das Fahrrad zum Zug wird

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Anhänger-Trio: Endlich ein Ende der Transportprobleme
Nicht erst seit ich Kinder habe, sind Fahrradanhänger für mich eine große Sache. Sie erweitern die Einsatzmöglichkeiten des Fahrrades erheblich und empfehlen sich als Alternative zum Lastenrad. Besonders die Kinderanhänger von Firmen wie Croozer machen den Alltag mit dem Nachwuchs leichter, weil sie neben den Kids auch viel Gepäck aufnehmen, sehr guten Wetterschutz bieten und zum joggen geeignet sind. Nur wenn mehr als zwei Kinder transportiert werden sollen stossen sie an Grenzen. Oder was tun, wenn zusätzlich zu Geschwistern noch Laufrad, Bagger, Eimer, Schaufeln, Bälle mit müssen? Darum bin ich auf die Idee gekommen, mehrere Anhänger hintereinander zu staffeln. Ja, das ist erlaubt oder zumindest nicht ausdrücklich verboten. Und sicher fährt sich so ein kleiner Fahrrad-Zug auch.
Rund sechs Meter Länge machen den Fahrrad-Zug etwas ungelenk
"Guck mal! Wie cool ist das denn?", die Verwunderung der Spaziergänger im Wilhelmsburger Inselpark ist nicht zu überhören. Hinter meinem Rad wehen gleich drei Signalwimpel im Wind. Sie gehören zu drei Anhängern, die ich hinters Bike gespannt habe. Das erzeugt neugierige Blicke und viele Kommentare. Und löst ein gängiges Problem: Wie transportiere ich mehrere Kinder plus Gepäck mit dem Fahrrad?
Ob die Ausbilder des Fahrrad-Nachwuchses mein Gespann gut finden, war nicht zu erfahren

Schon als ich unseren einsitzigen "Alt-Croozer" hinter den neuen "Croozer Kid plus 2" kopple, umrundet unserer älterer Sohn unruhig das Gespann. Was macht der Papa da nur? So oder so ähnlich muss es in seinem Kopf zugehen. "Da rein", ruft er laut und zeigt auf den Einsitzer. In dem hat er viele Kilometer in seinen ersten beiden Lebensjahren zugebracht. Nun sitzt er fast täglich rechts neben seinem jüngeren Bruder (8 Monate) im Doppelsitzer. Ob er sich an seine Alleinfahrer-Zeit erinnert? Oder ist es die Neugier, die ihn in das veraltete Modell treibt? Keine Ahnung! Auf jeden Fall nimmt er grinsend Platz und freut sich auf die ungewöhnliche Testtour.

Diese führte uns mehrere Kilometer über die Elbinsel Wilhelmsburg, vornehmlich auf breiten Wegen durch den Inselpark. Reaktionen siehe oben. Damit dass alles nicht allzu statisch rüber kommt, gibt es das Ganze auch in bewegten Bildern:


Zwei Anhänger hinter Lkw
Anhänger-Duos aren in den 50ern gängig
Die Idee, mehrere Anhänger hinter ein Zugfahrzeug zu hängen, ist nicht neu. Zur Erntezeit sind oft Traktoren zu sehen, die zwei große Anhänger ziehen. In den 60er Jahren war das auch bei Lkw üblich. Und die Firma Westfalia rüstete in den 50ern ihre Pkw-Anhänger mit einer Kupplung aus, um dahinter weitere Trailer zu staffeln. Hauptgrund dafür war aber, die Anhänger zeiteffizient vom Werk zum Bahnhof in Wiedenbrück zu transportieren.

Foto: Brezelfenstervereinigung Sechs Westfalia auf dem Weg zum Bahnhof
In den USA und noch mehr in Australien sind motorisierte Zugfahrzeuge mit meheren Anhängern noch heute üblich - Down Under nennt man das dann "Roadtrain".
Roadtrain in Australien

In Deutschland ist so etwas im normalen Straßenverkehr tabu. Für Fahrradgespanne gibt es aber zum Glück keine Einschränkungen für zwei, drei oder noch mehrere Anhänger hinterm den Zugrad - zumindest so lange die Gesamtlänge von zwölf Metern nicht überschritten wird.

So weit die Theorie. Doch wie sicher und gut ist so etwas in der Praxis? Versuch macht klug. Da ich neben unserem ersten Croozer für ein Kind neuerdings auch einen Doppelsitzer zur Verfügung habe, waren die beiden Kinderanhänger nach einer Stunde Bastelei solide hinter dem Zugrad verankert. Und um das Experiment komplett zu machen, spannte ich als Sahnehäubchen noch den Ikea-Trailer als dritten Anhänger ans Ende des kleinen Fahrrad-Zuges.
Mit voller Beladung: zwei Kinder plus Transportgut im Alltag

Schon im Stand sieht das einigermassen imposant aus. Dann Kinder rein, Gepäck auf den Sladda-Trailer, rauf aufs Rad und los. Und siehe da: Der kombinierte Personen-Gütertzug rollt leichter als befürchtet. Zwölf bis 15 km/h sind in der Ebene kein Problem. Auch das Bremsen funktioniert aus diesem Tempo fast ohne Einschränkungen. Der Anhalteweg verlängert sich bei voller Verzögerung beider Bremsen wenn überhaupt nur minimal. Da der Anpressdruck aufs Hinterrad grösser ist als beim Fahrrad ohne Anhänger, dürfte sich die Bremswirkung am Heck sogar erhöhen. Auf jeden Fall neigte das Hinterrad bei meinen Fahrversuchen eher zum Blockieren also ohne Anhängelast.


Wo also ist der Haken? Es sind die Kurven. Mit rund sechs Metern Länge steigt der Wendekreis so stark an, dass beim Abbiegen und Wenden Navigationskünste und Geschick auf dem Rad erforderlich sind. Besonders Poller, Falschparker und enge Radwege fordern den Fahrer des Anhänger-Trios. Erschwernd kommt hinzu, dass Trailer zwei und drei nicht mittig hinter dem Rad laufen, sondern leicht versetzt nach links.

Problematisch: Das Gespann-Trio braucht viel Platz
Darum: Für die tägliche Transportpraxis ist mein Eigenbau-Konzept nicht tauglich. Sollte aber ein Anhänger-Hersteller auf die Idee kommen, eine Anhänger-Staffelung werksseitig anzubieten, könnte ein Schuh daraus werden. Die Deichsel wäre dafür weiter in der Mitte anzuschlagen und die Baubreite der Trailer möglichst schmal zu halten.

Klar, für enge Altstadtgassen wird ein Mehr-Anhängergespann nie eine Option werden. Doch für Überlandausflüge ist die Lösung durchaus praktikabel. Was auf jeden Fall schon bei meiner DIY-Variante gut klappt, ist die Kombination aus Croozer Plus Cargotrailer - also ein abgespecktes Programm aus zwei Anhängern. Länge und Wendigkeit sind noch vertretbar, die Transportkapazitäten enorm und die erhöhten Fahrwiderstände erträglich.
Praktikabel: Anhänger-Duo aus Croozer und Ikea Sladda
Für diejenigen, die's nachbauen wollen, hier ein kleiner DIY-Tipp: Croozer (und auch andere Trailer) haben am Heck eine Stossstange aus Alu. Plastikschutzkappe durch Ausbohren der Poppnieten entfernen. In das nun offene Rohr passt ziemlich bündig ein Ein-Zoll-Gussleitungsstück mit Aussengewinde aus dem Baumarkt (Sanitärabteilung). Dieses einpassen, dann Alustosstange samt Gussrohr von oben nach unten durchbohren und mit einem M6-Bolzen so im Alurohr verschrauben, dass gerade noch das zöllige Gewinde rausguckt. Abdeckschraube (natürlich auch 1 Zoll) in der Mitte mit einem Bohrer (10,5 mm) durchbohren, entgraten und die Anhängerkupplung (AHK) mit einer kurzen M10-Schaube, U-Scheiben (noch besser sind geriffelte Exemplare mit Verdrehsicherung), Stoppmutter und Schraubensicherung sehr fest fixieren. Wichtig: Da der Anbringungsort der AHK ziemlich tief sitzt, schon beim Sichern des Gussleitungsstücks darauf achten, dass der Zapfen der AHK später in der Zwölf-Uhr-Position fixiert ist, damit die Deichsel eine möglichst hohe Position bekommt. Fertig.
So geht's: Mit zwei Trailern ist Manövrieren fast unproblematisch

Viel Spaß beim Zugfahren!

Elbstrandweg für alle: Radfahren am Wasser?

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Momentan können nur Fatbikes am Elbstrand fahren
Heute fällt die Entscheidung: Kriegt Altona seinen Elbradweg oder nicht? Per Bürgerentsheid dürfen die Bewohner des Stadteils darüber abstimmen. So richtig basisdemokratisch und mit ausführlichen Begründungen von zwei Bürgerinitativen. Mehr noch: Die Auseinandsersetzung mit dem geplanten Radweg wirkt wie ein Glaubenskrieg. Für mich darum Grund genug, den Ort des Geschehens persönlich anzuschauen und mit dem Fatbike zu befahren. Danach komme ich zu dem eindeutigen Schluss: Der Radweg sollte kommen.

Ein Hauch von Sylt: Elbstrand in Altona
Ein paar grüne Mülltonnen, rote Quadrate mit der Aufschrift "Grillkohle", viel Dreck und ein viel gehyptes Lokal: die Strandperle. So sieht er aus, der Ort, der in Hamburg zu einem Zankapfel geworden ist. Soll das Strandstück einen Radweg kriegen oder nicht? Befürworter und Gegner bewerfen sich seit Monaten mit Argumeten. Abstimmen darf der Bürger. Per Wahl, die an diesem Sonntag endet.

Nach meinen Ortstermin steht für mich fest: Der Radweg wäre eine Bereicherung. Denn was an dem eher ungepflegten Strandabschnitt nun besonders erhaltenswürdig sein soll, will mir nicht einleuchten. Die Gegner des Radweges wollen alles lassen wie es ist. Nur keine Veränderung!
Besonders gepflegt sieht der Strand bei Övelgönne nicht aus
Dabei ist eine Verbindung für Radfahrer zwischen Museumshafen Övelgönne und Teufelbrück dringend erforderlich. Besonders der erste Kilometer westwärts ab Övelgönne ist schwieriges Terrain. Direkt am Strand kommt man so wie ich nur mit einem Fatbike vorwärts, später gibt es einen Fussweg, auf dem das Radfahren aber ausdrücklich verboten ist. Als Alternative bleibt nur die Elbchaussee. Und die ist für Radler ebenfalls eher eine "no-go area".

Ein Radweg direkt am Wasser wäre eine ideal Lösung. Würde sich nicht nur für Pendler anbieten, sondern auch Touristen anziehen. Gut für Hamburg. Gut für die Gastronomie.

Warum, bitteschön, werden infrastrukturelle Veränderungen fast automatisch immer als negativ wahr genommen? Ich hoffe sehr, dass die Bewohner von Altona die Vorteile sehen und Pro-Radweg abstimmen. Und wenn nicht?
Radfahren verboten - leider

Auch nicht schlimm. Zumindest nicht für Besitzer eines Fatbikes. Bei meinem Ortsbesuch traf ich prompt einen weiteren Fahrers eines Fatys, der am Strand Wheelies übte. Mit den Monsterreifen kommt man sehr gut durch den Sand.

Doch so ein Fatbike haben nicht viele. Und so bliebe der Elbstrand ein Privileg für Wenige. Das ist nicht fair. Ein befestigter Weg mit klaren Regeln wäre ein echter Gewinn - nicht nur für Rad-, sondern auch für Rollstuhlfahrer und Skater.



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