Als Ikea im Frühjahr ankündigte, mit dem
Sladda sein erstes Fahrrad auf den Markt zu bringen, stand für mich fest: Das Ding muss ich testen. Nicht das ich ein glühender Ikea-Fan bin, aber das, was der schwedische Möbelgigant da ins Angebot aufnimmt, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Offenbar sieht auch Ikea einen Trend zum Rad und verspricht sich mit dem Bike ein renditeträchtiges Geschäft. Sonst würde der gewinnorientierte Konzern das sicherlich nicht machen. Dass ein Fahrrad zudem das Image stärkt, ist ein guter Nebeneffekt - so etwa stelle ich mir die Motive vor, die zu der Entscheidung geführt haben. Bleiben einige Fragen: Wie gut ist Sladda? Ist Ikea in der Lage, ein gutes Fahrrad anzubieten? Ist das Preis-Leistungsverhältnis okay? Seit rund sechs Wochen nun besitze ich ein Sladda und gehe diesen Frage nach.
Gleich geklaut
Fangen wir mit gestern an: Sladda und ich und mein Freund Marco waren auf der Pionierinsel in Harburg, um dort die Getränkebestände der Inselklause leer zu trinken. Das Restefestival macht der Wirt immer zum Saisonende, weil Herbst- und Winterstürme seine urige Kneipe gerne unter Wasser setzen. Eine Rockband spielt Rock - laut, schmutzig, der Laden bebt. Überall Altrocker; viele besoffen, aber gut drauf.
Was hat das nun mit Sladda zu tun? Nun, während wir so ein Bier nach dem anderen kippen - kostet ja nur jeweils einen Euro - passiert es plötzlich: Ist das nicht? Das kann doch nicht sein? Gucke ich wirklich richtig? Ein Typ hat sich auf mein Sladda gesetzt und fährt zügig davon. Vor ihm ein anderer Radler, sein Komplize. Schocksekunde! War das echt mein Sladda? Kontrollblick zum Fahrradständer. Tatsächlich! Der hat das Ding gezockt. Ich Esel! Warum habe ich es nicht angeschlossen? Andererseits: Es parkte keine zehn Meter von unserem Tisch entfernt. Und den einzigen Weg von der Insel hatten wir permanent im Blick. Wie dreist ist das denn? Unter den Augen der Besitzer das auffällige Ikea-Rad zu stehlen...
Wertvolle Sekunden vergehen. Soll ich laufen? Quatsch! Marco schließt schnell sein Electra auf - der Mann weiß warum er es immer und überall sichert - und ich springe drauf und jage dem Dieb hinterher. Zu sehen ist er nicht mehr. Dafür zwingen mich ein paar torkelnde Kneipengäste in einen abenteuerlichen Slalom. Da! Da hinten leuchtet das Rücklicht des Komplizen. Es geht den Deich hoch. Meine Kondition ist dieses Jahr unterirdisch. Kann ich die Typen einholen? Na, wahrscheinlich sind sie voll. Das ist meine Chance. Ich komme näher. Die beiden stoppen auf der Deichkrone und nesteln am Scheinwerfer als ich die Szene erreiche. Stinksauer brülle ich den Dieb an: "Bis Du nicht ganz dicht? Was fällt Dir ein mein Rad zu klauen?" Der Ertappte ist verdaddert und eingeschüchtert. "Äh, tut mir leid. Echt jetzt. Sorry Mann", stammelt er rum. Kurz überlege ich, ob ich die Polizei rufen soll. Aber bist die da sind. Und dann schreiben die ein Protokoll. Und dann... Ich lasse es und werfe dem Deppen noch ein paar empörte Worte an den Kopf. Das Wichtigste: Mein Sladda habe ich wieder. Wie jedes Fahrrad ist auch das Ikea-Bike nicht gegen Diebstahl immun. Leider!
Ein langsamer Start
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So kommt das Rad an: Sladda im Karton, geliefert von DHL |
Sladda und ich haben nur langsam zueinander gefunden. Die Liason beginnt im Internet. Anfang August besuche ich gespannt die Ikea-Homepage. Ich suche Sladda. Aber sie ist nicht da. Obwohl lange angekündigt, ist das Rad noch nicht bestellbar. Was für ein Fehlstart! Also Anruf bei der Ikea-Hotline. Nach einer nervigen "Hej, willkommen bei Ikea-Ansage" und etlichen Warteminuten meldet sich eine Mitarbeiterin: Nein, Sladda gibt es noch nicht. Das Rad verzögere sich um zirka eine Woche.
Ich nehme die Frau beim Wort. Und tatsächlich: Eine Woche später tauchen zwei Fotos von Sladda auf den Webseiten auf. Das Rad ist in 26 oder 28 Zoll-Version erhältlich. Ich entscheide mich für die kleine Größe. Preis 779 Euro! Oder 479 Euro für Inhaber der Ikea Family Karte. Habe ich nicht und bezahle per Kreditkarte den vollen Preis. Das größere 28 Zoll Rad kostet jeweils 20 Euro mehr. Die Bestellung ist in fünf Minuten erledigt. Danach dauerte es aber gut zehn Tage, bis DHL mir den kompakten Sladda-Karton nach Hause liefert. Anhänger und Frontkorb hätte ich auch gerne. Doch auch die beiden Anbauteile machen sich rar: nicht bestellbar. Immerhin ist das Rad schon mal da. Den Rest kann ich ja später nachordern.
Sladda ist wie Billy: ein Bausatz mit kleinen Tücken
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Typisch Ikea: Sladda Montage-Anleitung ohne Text, dafür mit Bildern |
Also ans Werk. Ikea-Produkte setzen ja ein ganz spezielles "Do-it-yourself-know-how" vorraus. So auch Sladda. Sattel, Pedale, Ständer, Lenker, vorderes Schutzblech und Vorderrad sind nicht montiert. Drei Imbus-Schlüssel liegen bei. Ebenso ein Vielzweck-Schraubenschlüssel für die Sechskant-Muttern. Doch zunächst ist das Rad von den zahlreichen mit Kabelbindern fixierten Schaumstoffpolstern zu befreien. Da türmt sich eine ordentliche Müllhalde auf. Dann folge ich der typischen Ikea-Bilderanleitung. Eigentlich narrensicher. Eigentlich. Denn ich mache trotzdem was falsch und montiere das Schutzblech falsch herum. So ziemlich der einzige Fehler den man machen kann. Und ich mache ihn. Beim Einsetzen des Vorderrades bemerke ich meinen Irrtum. Zum Glück kein großes Ding und das Blech ist ruckzuck gedreht und verschraubt. Dann flutscht auch das Vorderrad mit der Bremsscheibe schnell in Position und wird per Schnellspanner fixiert. Der Mittelständer wird mit einer dicken Imbusschraube montiert. Auch Sattel und Lenker geben keine großen Rätsel auf. In etwas über einer halben Stunde ist Sladda fahrbereit.
Da steht es nun in der Sonne und schreit nach einer ersten Designkritik. Wie sieht es aus? Stylisch? Zeitlos? Schlicht? Schwer zu beschreiben. Der Rahmen mit dem stark abfallenden, dann abknickende Oberrohr wirkt sehr robust. Am Sattelrohr ist eine massive Monostay-Strebe verschweißt, von der die beiden Sitzstreben abzweigen. Sladda gibt es übrigens in allen Farben so lange die Lackierung lichtgrau ist. Die dicken Alurohre kommen ohne auffällige Schriftzüge aus. Nur über dem Tretlager sitzt ein kleines gelbes Ikea-Emblem auf dem Sattelrohr. Ein unaufgeregtes, funktionales Rad steht da vor mir. Und genau das hatte wohl auch Designer Oskar Juhlin von
Veryday im Sinn, als er Sladda für Ikea entworfen hat.
Trotz Zweibeinständer wackelig
Kettenabdeckung und Schutzbleche sind aus Metall. Das macht das Rad nicht leichter. Warum eigentlich kein Holz? Zum Ikea-Rad würden sehr gut Holzschützer für die Reifen passen; teuer sind die nicht. Eine gute Tuning-Idee. Auch der Zweibein-Ständer ist nicht optimal. Er sieht zwar sehr stabil aus, bietet aber zu wenig Auflagefläche und das Rad wirkt daher kippelig. Ein Sladda mit besetztem Kindersitz sollte man so nicht abstellen. Hej Ikea, ich dachte Ihr seit ein familienfreundliches Unternehmen. Bei montierten Heckkindersitz fällt ein zweites Manko auf: Der Schwerpunkt wandert nach hinten, Sladda kippt aufs Hinterrad und vorn verdreht sich das schwebende Vorderrad samt Gabel um 180 Grad jedes mal wenn das Rad auf dem Ständer geparkt wird. Das nervt tierisch. Die Entwickler haben vergessen, einen Lenkungsdämpfer einzuplanen. Ich habe einen für 7,50 Euro bestellt und werde ihn bald montieren.
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Das Team von Velo 54 mustert das Sladda kritisch |
Erster Eindruck: Im Detail leistet sich das Sladda ein paar gravierende Nachlässigkeiten, die nicht sein müssten. Das sollte Ikea schnell optimieren. Besonders auch die Vorbau-Konstruktion. Um das Rad möglichst für viele Körpergrössen anpassbar zu machen, ist Sladda mit einem höhenverstellbaren Vorbau ausgerüstet. Doch anders als der Rahmen wirkt dieser sowie der Alu-Lenker eher filigran und nachgiebig.
Ein Verdacht, der sich nach den ersten 200 Kilometern bestätigt. Wenn ich an den Lenkerenden drücke und ziehe, gibt die Konstruktion leicht nach und zeigt stets etwas Spiel. Nicht dramatisch, aber auch nicht schön. Das dürfte gern fester wirken. Vorbildlich solide dagegen ist die Tretlager-Muffe ausgelegt. Sie beherbergt einen Exzenter, der von unten mit zwei massiven Schrauben fixiert ist. So lässt sich die Riemenspannung einstellen wenn er sich lockern sollte. Ja, der Riemen ist sicherlich das Sladda-Highlight. Er stammt von Continental und arbeitet weitgehend geräuschfrei. Wartung? Ölen? Schmieren? Alles überflüssig! Muss er gewechselt werden, kann der Rahmen hinten rechts geöffnet werden. Vernünftige Riememräder kosten so ab 1000 Euro; so gesehen ist Sladda also ein günstiges Rad.
So sieht es auch das Team von
Velo 54. Die Fahrradexperten bescheinigen dem Rad von Ikea ein ordentliches Preis-Leistungsverhältnis. Kritik gibt es für den eigenwilligen Zweibeinständer, eher Lob für Design und die robuste Ausführung des Rahmens. Was Supberbesonderes sei das Rad aber nicht. Aber das hat ja auch niemand erwartet.
Ein Vormund namens Automatix
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Automatix von Sram schaltet bei 18 km/h |
Nicht ganz so gut gefällt mit die Sram Automatix-Nabe. Sie arbeitet auch in meinem
Pimp-Klappi und schaltet bei erreichen einer bestimmten Geschwindigkeit in den höheren der zwei Gänge. Das funktioniert beim Sladda stets bei 18 km/h - ob Du das willst oder nicht. Ich mag das nicht und möchte den Schaltpunkt lieber selber beinflussen. Darum würde ich die Sturmey Archer Kickshift-Nabe bevorzugen; die ist als Option aber nicht erhältlich - schade. Sie gleicht der seeligen F&S Duomatic und schaltet durch leichtes zurück pedalieren. So kann jeder schalten wann er will.
Versierte Schrauber sind in der Lage, die Fliehkraftfedern im inneren der Automatix-Nabe zu modifizieren, um den Schaltpunkt zu verlegen - aber das ist nur was für Fortgeschrittene. Ich wünschte mir den Gangwechsel lieber später, so etwa bei 20 km/h. Denn meistens bin ich mit dem Sladda um die 17 km/h unterwegs und dann schaltet die Nabe oft hoch, obwohl ich die höhere Kadenz des niedrigeren Ganges lieber hätte.
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Das zusammengebaute Sladda im besten Herbstlicht |
Ansonsten ist mein Fahreindruck durchaus positiv. Sladda fährt ordentlich ohne große Emotionen zu erzeugen. Ein funktionales Alltagsrad, das große Gefühle und Enttäuschungen ausblendet. Auch die mechanische Schibenbremse packt nach der Einbremsphase kräftig und gut dosierbar zu. weniger schön: Hin und wieder erzeugt sie ein lästiges Quitschen.
Inzwischen war ich mehrfach mit vorderen und hinterem Kindersitz samt Nachwuchs mit dem Sladda unterwegs. Der vordere Sitz - ein Römer Suky - zwingt mich dabei zwar in einen leicht O-beinigen Tritt, aber sonst funktioniert Sladda als Kindertransporter gut. Egal ob hinterer oder vorderer Kindersitz - dem Zweibeinständer traue ich nicht richtig über den Weg. Das Rad wirkt beim Aufsitzen meines kleinen Sohnes stets etwas zu instabil; eine sichernde Hand muss stets in der Nähe sein. Aber das ist sicherlich auch bei anderen Rädern angebracht.
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Erste Testerfahrungen als Kindertranporter |
Inzwischen hat das Sladda auch seine ersten Regenfahrten hinter sich. Zu bemängeln gibt es noch nichts. Alles funktioniert, geräusch- und problemlos. Zu geräuschlosarbeitet indes auch die in den Bremsgriff integrierte Klingel. Sie erzeugt einen sehr hellen, aber eher zu leisen Ton. Passanten hören die kleine Glocke leider meist zu spät. Gute, laute Fahrradglocken scheinen eine Wissenschaft zu sein.
Als erster Fahreindruck soll das reichen. Ich bin gespannt, wie Ikea mit Reklamationen und Reparaturen umgeht. Ich werde den Möbelgiganten und Neu-Fahrradanbieter auf die Probe stellen. Stay tuned!